Bei den Parlamentswahlen in Island am 27. April, konnten zwei sehr bekannten Parteien einen Erfolg verzeichnen und sorgten damit für einen Machtwechsel im Land. Sieger waren die Unabhängigkeitspartei, welche bisher an jeder Regierungskoalition zwischen 1980 und 2009 beteiligt war und auch im Amt war, als Islands kommerzielle Banken 2008 zusammenbrachen, sowie die Fortschrittspartei, Hauptrivale und zugleich Partner der Unabhängigkeitspartei in früheren Koalitionen. Beide Parteien lehnen sowohl einen EU-Beitritt Islands, als auch den Euro ab.
Sieg der bürgerlichen Opposition
Die, bis dahin regierenden, pro-europäischen Sozialdemokraten konnten lediglich neun Sitze im Parlament gewinnen. Sie räumten damit die größte Niederlage ein, die je eine nationale Partei seit der Unabhängigkeit von Dänemark 1944 erlebt hatte. Die Wahl wurde maßgeblich durch das Scheitern des Bankensektors beeinflusst.
Die liberale Regierung, geführt von den Sozialdemokraten und der Links-Grün Bewegung, war aufgrund der gefallenen Währung und der ansteigenden Inflationsrate und Arbeitslosigkeit gezwungen, Hilfe bei der EU sowie dem Internationalen Währungsfond zu beantragen. Seitdem geht es der isländischen Wirtschaft bedeutend besser und es konnte wieder ein Anstieg des Wachstum um 2,9 Prozent (2011) und 1,6 Prozent (2012) verzeichnet werden. Damit erzielte das Land sogar ein besseres Ergebnis als die EU bzw. die Eurozone.
Die Arbeitslosenquote lag in diesem Februar bei 5,1 Prozent und damit unter dem EU-Durchschnitt. Doch die Bürger Islands sind unzufrieden mit den jahrelangen Sparmaßnahmen, die auf die sozialdemokratische Koalition zurückzuführen sind.
EU-Verhandlungen kommen zum Stillstand
Die scheidende sozialdemokratische Regierung stellte im Juli 2009 - mitten in der Banken- und Wirtschaftskrise – einen Antrag für eine EU-Mitgliedschaft. Von da an schloss die Regierung elf von 33 Verhandlungskapiteln im Gremium der EU-Gesetzgebung, bekannt als „acquis communautaire“ (Gemeinschaftlicher Besitzstand).
Gespräche über das empfindliche Kapitel der Fischerei wurden noch nicht geführt. Die Isländer sorgen sich um ihre Fischereirechte. Sie befürchten, dass diese von den Anforderungen aus Brüssel untergraben werden, um ausländischen Booten den Zugang zu gewähren.
Island genoss bereits vor der Eröffnung der Beitrittsgespräche einen hohen Grad an europäischer Integration. Es nimmt am EU-Binnenmarkt teil und wendet rund zwei Drittel der EU-Gesetze an. Das Land ist seit 1972 Mitglied der Europäischen Freihandelsassoziation, seit 1994 im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und trat 2001 der grenzfreien Schengen-Zone bei.
Durch den EWR nimmt Reykjavik mit einem Nicht-Wähler-Status an bestimmten EU-Programmen teil, einschließlich den Unternehmens-, Umwelt-, Bildungs- und Forschungsprogrammen. Außerdem beteiligt sich Island an der Finanzierung eines „sozialen und ökonomischen Zusammenhalts“ in der EU/EWR. Des Weiteren konsultiert es in Auslandsangelegenheiten die EU und lehnt sich an die europäische Außenpolitik an. Das Land beteiligt sich auch an europäischen Friedenseinsätzen.
EU-Beitritt nicht mehr attraktiv
Die abgewählten Sozialdemokraten hatten sich für einen EU-Beitritt ausgesprochen und waren der Meinung, dieser würde dem Land eine langfristige Sicherheit gewährleisten. Unmittelbar nach der Bankenkrise wuchs die Unterstützung für eine EU-Mitgliedschaft, da einige Bürger in ihr den Weg zu einer nachhaltigen, wirtschaftlichen Stabilität sahen.
Aber Europas Staatsschuldenkrise verringerten das Interesse, sich dem Block anzuschließen. Die Aprilwahlen werden als antieuropäisch angesehen, da sich laut einer Umfragen nur rund 25 Prozent der Isländer für einen Beitritt zur EU aussprechen.
Ein Berater von Sigmundur Gunnlaugsson, Vorsitzender der Fortschrittspartei und neuer Premierminister, sagte, es werde noch kein Zeitpunkt für das Referendum festgelegt, man wisse nur, dass es innerhalb der nächsten vier Jahre stattfinden wird. Vor dem Referendum würde die Regierung dem Parlament einen Überblick über die isländischen Beziehungen mit der EU geben. Davor werde die Regierung dem Parlament einen Bericht vorlegen, der die Beziehung zum EU-Parlament bewerten soll. Der Volksentscheid solle aber nicht von dem Bericht beeinflusst werden.
Unterschiedliche Reaktionen im EU-Parlament
Die politischen Parteien der Europäischen Union reagierten auf unterschiedlicher Weise. Hans van Baalen, niederländisches Mitglied des Europäischen Parlaments und Sprecher für Island in der Allianz der Liberalen und Demokraten, sagte, dass die Liberalen eine EU-Mitgliedschaft Islands stark unterstützten werden. Martin Callanan, Leiter der Europäischen Konservativen, welche mit Islands Unabhängigkeitspartei assoziiert wird, begrüßte dagegen die Entscheidung.
Im Vereinigten Königreich beschrieb Nigel Farage, Vorsitzender der antieuropäischen britischen Unabhängigkeitspartei, die Entwicklung als „fabelhafte Neuigkeiten“ für die Isländer. „Island möchte ganz klar seine Demokratie, Fischerei und Wirtschaft schützen“, sagte er und ergänzte: „Diese Bewegung in Island zeigt, dass die EU mehr und mehr als misslungenes, politisches und wirtschaftliches Projekt wahrgenommen wird, als ein ziemlich alter Hut“.
Es scheint fast so, als hätte die EU ihre Anziehungskraft, die sie einmal hatte, verloren. Für die Länder, die nach wirtschaftlicher Stabilität, sowie Zugang zum Freihandel strebten, ist sie nun eine Union, die es nicht schafft, aus der Krise herauszukommen. Das Vereinigte Königreich zweifelt nun offen seine Loyalität gegenüber der EU an, während andere Mitglieder wie Dänemark sich selbst von dem Ziel der Euro-Einführung distanzieren, um so ihre Wirtschaften zu schützen. Trotz dieser harten Zeiten muss die EU die Attraktivität ihrer Vergrößerungspolitik erneut bekräftigen und Hilfeleistungen für eine voraussichtliche Mitgliedschaft anbieten.
Mitarbeit Franziska Pudelko
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