Contra: Kroatiens EU-Beitritt – ein Gewinn?

, von  Fabian Fechner

Contra: Kroatiens EU-Beitritt – ein Gewinn?
Die europäische Familie begrüßt ihr neustes Mitglied Kroatien. © The Council of the European Union, 2011

Ende Juni hat der Europäische Rat die Aufnahme Kroatiens in die EU offiziell verabschiedet. Doch ist dieser Vorgang tatsächlich als Erfolg zu verbuchen und wird er auch dem Mittelmeerstaat den erhofften Schub verleihen? Es gibt Gründe zu zweifeln.

Die EU wächst. Der Beitrittsvertrag mit Kroatien soll zwar erst in der zweiten Jahreshälfte unterzeichnet werden, aber ein Beitritt zum 1. Juli 2013 gilt als wahrscheinlich. Man gewinnt dabei zunehmend den Eindruck, die EU versuche mit der Erweiterung in die Breite die Probleme bei der Integration in die Tiefe zu verdrängen. Und das nicht zum ersten Mal. Dabei ist der Vertrag von Lissabon, der vor gut eineinhalb Jahren in Kraft trat, noch nicht annähernd verfestigt. Abläufe und Prozesse, wie die zukünftige Stellung des Europäischen Auswärtigen Dienstes im Institutionengefüge, sind noch nicht eingespielt, der ständige Ratspräsident und die Außenbeauftragte haben ihre Position noch nicht gefunden. Hinzu kommt, dass der Vertrag nun schon wieder einer drastischen wie gleichermaßen notwendigen Änderung unterzogen wird, in Richtung stärkerer wirtschaftlicher und haushaltspolitischer Koordination in Europa.

Kroatien auf dem Brüsseler Parkett

Und nun soll nach den Beitritten 2007 ein weiterer Player ins Spiel gebracht werden? Gut, Kroatien ist ein vergleichsweise kleines Land, auch Island würde bei einem baldigen Beitritt wenig Gewicht haben, aber diese Annahmen gelten vor allem für das Parlament. Im Rat gilt, egal ob vertraglich vorgeschrieben oder nur auf Grund von ständiger Übung, bei wichtigen Entscheidungen noch oft genug das Einstimmigkeitsprinzip. Und gerade diese wichtigen Entscheidungen werden die EU auch in den nächsten Jahren beschäftigen.

Kroatien wird dabei seine Meinung einbringen, daran besteht kein Zweifel. Es handelt sich um ein strategisch wichtiges Land, das Osteuropa und die Donauregion mit dem Mittelmeer verbindet und zukünftig das Tor zum Balkan darstellen wird. Außerdem möchte vor allem die Staatsführung beweisen, dass man das alte Jugoslawien hinter sich gelassen und mit den Kriegsverbrechen abgeschlossen hat. Nur die Bevölkerung steht noch nicht ganz hinter dieser Wandlung und stellt das letzte Hindernis für den erfolgreichen Beitritt dar. Dieser soll zwar durch ein Referendum im Herbst unter Dach und Fach gebracht werden, doch verspricht die gegenwärtige Unterstützung des Vorhabens durch lediglich 54% der Bevölkerung einiges an ungewollter Spannung für die kroatische Regierung.

Wie pro-europäisch ist die Bevölkerung Kroatiens?

Was eine Bevölkerung, die nicht die Ideale und Werte des vereinten Europas vertritt, für ein Licht auf die EU wirft hat sich in den letzten Monaten in Ungarn gezeigt, wo immer wieder von Übergriffen auf Minderheiten zu berichten war. Bei Bildern wie jenen vom vergangenen April, als die Menschen beim Public Viewing in Zagreb die Verurteilung des kroatischen Kriegsverbrechers Ante Gotovina beweinten, muss man sich fragen, ob der Beitritt nicht nur für die EU sondern auch für Kroatien zu früh kommt. Das lässt sich nicht nur durch gesellschaftliche, sondern auch durch wirtschaftliche Probleme unterstreichen. Die Beispiele von Bulgarien und Rumänien haben gezeigt, dass es für ein kleines Land enorm schwierig ist, bei einem Beitritt seine Unternehmen und Produkte im gemeinsamen Markt zu platzieren. Die Wirtschaft tut sich schwer damit EU-Standards einzuhalten und die teils undurchsichtige Bürokratie tut ihr übriges. Die Anbieter aus den etablierten EU-Staaten sind dagegen auf Grund ihrer Erfahrung sofort auf dem heimischen, in diesem Fall kroatischen, Markt präsent und verdrängen die inländischen Produzenten.

Die internen Probleme müssen an erster Stelle stehen!

Ein so junges Land wie Kroatien könnte sich also durchaus die Zeit für etwas mehr Annäherung nehmen, um späteren Problemen vorzubeugen. Doch das Hauptproblem der ambitionierten Erweiterungspolitik liegt auf Seiten der EU. Eine Staatengemeinschaft, deren institutionelles Gefüge so fragil ist, muss sich erst darüber im Klaren sein, wie sie die Probleme der Zukunft, wie die Eurokrise und die Immigration in die EU, angeht, bevor sie die Arme für ein neues Mitglied ausbreitet.

Pro: Patricia Karl sieht den Beitritt Kroatiens in einem positivem Licht.

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