Das Scheitern der österreichischen Koalition setzt Berlin unter Druck

, von  Guillaume Amigues

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Das Scheitern der österreichischen Koalition setzt Berlin unter Druck

Die Resonanz des Scheiterns der SPÖ-ÖVP Koalition war stärker in Berlin als woanders in Europa. Während sich alle Parteien auf die Bundestagswahl 2009 vorbereiten befindet sich die Große Koalition schon unter Druck.

« Es reicht ! » : Die europäische Frage bewirkt das Zerbrechen der Koalition

Es reicht !“ : Der Vizekanzler und ÖVP-Chef Wilhelm Molterer hätte sich nicht deutlicher ausdrücken können als er das Ende der Großen Koalition zwischen seiner Partei und den Sozialdemokraten der SPÖ ankündigte. Nach der Trennung der Partei von Jörg Haider und dem Überraschungssieg der SPÖ im Jahre 2006 wurde diese Zwangskoalition die einzige Regierungsoption in Österreich. Während den folgenden 18 Monaten wurde die Regierung des Kanzlers Gusenbauer (SPÖ) wegen der vielen Krisen zwischen den beiden Parteien gelähmt. Anscheinend haben die letzten Auseinandersetzungen die Trennung bewirkt.

Die Frage der Umsetzung der europäischen Verträge sorgte für die letzte Krise. Im Bruch mit ihrer pro-europäischen Tradition hatte die SPÖ in einem Schreiben zu dem europafeindlichen Boulevardblatt Kronen Zeitung angekündigt, dass die zukünftigen europäischen Verträge erst nach einer Volksabstimmung angenommen weden sollen. Die EU war jedoch ein der wenigen Konsenspunkte zwischen den Bürgerlichen und den Sozialdemokraten: dieser Alleingang hat die ÖVP überzeugt, das Ende der Koalition zu erklären.

Die SPÖ in der Krise, Berlin alarmbereit

Abgesehen davon hat sich die bürgerliche Partei die günstigste Zeit ausgewählt, um die längst nicht mehr gewünschte Koalition aufzulösen. Wegen der Spannungen zwischen den Landsparteien und Gusenbauer befindet sich derzeit die SPÖ in einer tiefen Krise. Der Ex-Kanzler sollte schon im Juni den Vorsitz der Partei an seinen Freund Werner Faymann abgeben. Diesmal muss er auf die Kanzlerkandidatur für die Neuwahlen am 28. September verzichten: der von den Landesparteien bevorzugte Faymann wird an seiner Stelle antreten.

Die Implosion dieser Koalition ist in Berlin niemandem gleichgültig. Dort regiert nämlich seit 2005 eine ähnliche, jedoch von der bürgerlichen Partei Merkels geführte Koalition. Die Reibungspunkte zwischen den Koalitionspartnern sind übrigens ähnlich : Die Reformen des Gesundheitssystems, der Steuern, der Renten und des föderalistischen Systems sorgen auch in Berlin für heftigen Debatten. Der deutschen Koalition geht es allerdings wesentlich besser als der wienerischen: eine Auflösung à la Österreich ist heute unwahrscheinlich. Allerdings setzt dieses Ereignis ein Jahr vor den nächsten Bundeswahlen alle Parteien unter Druck.

Ehekrach in der Koalition

In ihren eigenen Parteien geraten seit einigen Wochen sowohl Kanzlerin Merkel als auch ihr Koalitionspartner Kurt Beck in die Kritik. Für diejenigen, die die Herrschaft des Parteichefs in Frage stellen wollen ist die schwarz-rote Große Koalition nämlich der perfekte Sündenbock. Aus diesem Grund versuchen die beiden heute, sich von der Koalition zu distanzieren um den Wählern ein kompromissloseres Gesicht zu zeigen. Vor kurzem haben sie deutlich angekündigt dass sie die Große Koalition nach der nächsten Wahl nicht fortsetzen wollen. Angela Merkel wünscht sich ein Bündnis mit der liberalen Partei FDP, während Kurt Beck die Koalition als ein „Hund- und Katzeverhältnis“ beschrieb.

Die Opposition fordert ihrerseits das Ende der großen Koalition nach dem österreichischen Vorbild. Der Generalsekretär der größten Oppositionspartei Guido Westerwelle hat erklärt: „So fertig ist Schwarz-Rot bei uns längst“. Seines Erachtens solle Deutschland keine Regierung ertragen, „die die letzten 15 Monaten ihrer Amtszeit nur noch streitet“.

Den Wortlaut seiner Erklärung können Sie hier lesen.

Österreich auf dem Weg in eine neue Große Koalition ?

Was die Österreicher am meisten interessiert ist allerdings die politische Zukunft ihre Staates. Nach dieser enttäuschenden Koalition sind die beiden Hauptparteien bei den Wählern ziemlich unbeliebt. Daraus ergibt sich, daß die rechtsextremen Parteien FPÖ und BZÖ in den kommenden Wahlen deutliche Gewinne verzeichnen könnten. In diesem Fall wäre eine neue Große Koalition die einzige Möglichkeit um diese Parteien von der Macht fern zu halten! Egal was sich aus den österreichischen Wahlen ergibt, wird Deutschland von diesen Ereignissen viel lernen können.

Großen Koalitionen birgen nämlich in der Regel ein Gefahr an sich : für wen entscheiden sich die Wähler wenn die beiden Hauptparteien sich als enttäuschend erwiesen haben? Mit der wachsenden Popularität der linksextremen Partei Die Linke im Hinterkopf wird die deutsche politische Welt am 28. September nach Wien schauen, um die Antwort zu dieser Frage zu erhalten.

Bild : Fotografien von Wilhelm Molterer (offizielle Website ÖVP) und Angela Merkel (auf Wikipedia).

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