Die Gleichung scheint einfach. Der Euro ist in der Krise und Europa braucht regelmäßig viel Geld um den Fliehkräften der internationalen Finanzmärkte standzuhalten –siehe jüngst Griechenland. Der Internationale Währungsfonds (IWF) ist einer dieser schnellen Geldlieferanten. Was läge also näher als wieder einmal einen Europäer bzw. eine Europäerin an die Spitze des IWF hieven zu wollen. Denn so könnte man, scheint es, sich kurzfristig – Liquidität für Portugal, Griechenland und Irland – sowie mittel-und langfristig – Umgestaltung der internationalen Finanzarchitektur – Einfluss sichern.
Veränderte geopolitische Lage
Doch diese Argumentation greift zu kurz. Ein außereuropäischer Kandidat wäre nicht nur aufgrund der veränderten geopolitischen Landschaft angemessen; schließlich sind die Bretton-Woods Institutionen im Allgemeinen und der Internationale Währungsfonds im Besonderen ein Abbild der Weltordnung von 1944. Nein, auch mindestens zwei realpolitische Gründe sprechen dafür, dass die Spitze des IWF mit einer Person aus einem Schwellen- oder Entwicklungsland besetzt werden sollte.
Die Schwellenländer dürfen sich nicht vom IWF entfernen
Zum ersten, auch wenn der Tätigkeitsschwerpunkt des IWF im Moment in Europa liegt, muss dem Eindruck entgegengetreten werden es handele sich um ein finanzpolitisches Auffangnetz rein europäischen Zuschnitts. Sonst drohen Glaubwürdigkeit und Handlungsspielraum des IWF bedeutend zu schwinden. Denn warum sollten sich aufstrebende Volkswirtschaften wie China, Indien oder Brasilien in einer Institution engagieren, die vornehmlich europäischen Interessen dient? Viel mehr würde es die mühsam erkämpften Erfolge der IWF-Reform, insbesondere die teilweise Anpassung der Stimmrechte an das veränderte globale Kräfteverhältnis, aus dem Herbst letzten Jahres konterkarieren. Es geht also im Kern darum, ob der IWF zentraler Spieler in der internationalen Finanzpolitik bleibt – mit geschmälertem europäischen Einfluss – oder marginalisiert wird – mit gleichbleibendem europäischen Einfluss. Ersteres Szenario, der Verzicht auf den Chefposten, ist realpolitisch geboten, damit die europäische Einflusssphäre weiterhin Bereiche wie Währungspolitik, Welthandel und Kreditvergabe beinhaltet.
Geteilter Einfluss, geteilte Verantwortung
Der zweite Grund für einen Nicht-Europäer schlägt in die selbe Kerbe. Was bedeutet das Engagement von Schwellenländern für die europäische Finanz- und Währungspolitik: Verstärkte Mitsprache von Drittstaaten? Vielleicht. Eine geschwächte europäische Position? Sicher nicht! Im Gegenteil: die Hilfsmaßnahmen für Europa könnten sich einer breiteren Rückendeckung erfreuen und würden nicht in den Verdacht europäischer Klientelpolitik kommen. Zudem könnten Schwellenländer stärker in die Pflicht genommen werden beispielsweise in der Währungspolitik – Stichwort Chinas unterbewertete Währung Renminbi.
Eine europäische Lösung
Die Furcht vieler Europäer, vor allem in den Finanzministerien Europas, der Einfluss der EU im IWF könnte schwinden hat noch eine weitere Dimension. Würde man ernsthaft wollen, dass finanzpolitische Entscheidungen in den eigenen Händen bleiben hätte man Jean-Claude Trichets Vorschlag eines europäischen Finanzministeriums nicht wie Angela Merkel als einen „Gedanken für übermorgen“ abtun dürfen. Dass der Gedanke für das Hier und Heute ist haben die schmerzhaften Erfahrungen der letzten Monate gezeigt. Man sollte Europa, wie es Jean-Claude Trichet am Schluss seiner Rede zur Verleihung des Karlspreis formuliert hat, „heute und in der Zukunft die Institutionen geben, die es verdient.“!
1. Am 9. Juni 2011 um 10:52, von Simon Als Antwort Der neue IWF-Direktor sollte kein Europäer sein!
in schwätzingen sollten wir das diskutieren ;)
sehe das vollkommen anders: a. EU27 hat 32,07% an der weltbank und am imf und soll dann keinen einzigen chefposten mehr haben? ne ... wenn dann dürfen die amis verzichten ... die haben 17,09% b. wenn wir auf dem gebiet etwas unternehmen, dann doch bitte die anteile auf brüssel übertragen
als größter anteilseigner sollten wir europäer nicht nur zahlmeister sein sondern auch aktiv -> durch spitzenpersonal, mitarbeiten
grüße simon
2. Am 9. Juni 2011 um 11:49, von Max Als Antwort Der neue IWF-Direktor sollte kein Europäer sein!
Ich sehe das ähnlich wie Simon: Sollte der Führungsposten des IWF nicht an einen Europäer gehen, sehe ich nur geringe Chancen dafür, dass die IWF-Spitze dem Euro die Aufmerksamkeit zuwendet, die er gerade benötigt.
Ich denke, die angepassten Stimmrechte sind fürs Erste genug Beweis dafür, dass man den IWF an die realpolitische Verteilung anpassen will und ich stimme dir auch vollkommen zu, dass die genannten Schwellenländer mehr eingebunden werden müssen, aber wie Simon ja schon sagt: Momentan liegt der Schwerpunkt von der Wichtigkeit und der Gewichtung stark auf Europa und das sollte auch in der Besetzung der Führungsspitze widerspiegeln.
Ein europäisches Finanzministerium finde ich jedoch im Prinzip keine schlechte Idee, solange es über genug Kompetenzen verfügt, um genau solche Krisen wie zurzeit effizient bekämpfen zu können.
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