Deutschland: Der Schandfleck für die europäische Geschlechtergleichheit

Oder: Wie die „drei Ks“ auf der Emanzipation der deutschen Frau lasten

, von  Katharina Cheimanoff , Übersetzt von Daniel Kosak

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Deutschland: Der Schandfleck für die europäische Geschlechtergleichheit
Logo des Weltfrauentags 2011 © European Union 2011PE-EP/Pietro Naj-Oleari

Während die Europäische Union mit voller Kraft auf die Gleichstellung von Mann und Frau zusteuert, hängt Deutschland, die größte Volkswirtschaft Europas, hinterher. Für Viviane Reding, die derzeitige Vize-Präsidentin der Europäischen Kommission und Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft, ist die Situation in Deutschland „unakzeptabel“. Wie lässt sich erklären, dass Deutschland in Europa wegen seiner Position als Nachzügler im Kampf um die Geschlechtergleichheit in Ungnade gefallen ist?

Das Modell der „drei Ks“ ist an dieser Lage sicherlich nicht unschuldig

Die Alliteration steht für „Kinder, Küche, Kirche“ und bezieht sich auf die traditionellen Werte, die man den Frauen seit der Zeit von Wilhelm II. zugeschrieben hat.

Während dieses Modell in der Zeit vor und während des zweiten Weltkriegs, in dem Hitler für die Frauen ihr eigenes „Schlachtfeld“ vorsah, sehr starken Einfluss ausübte, verlor es danach seine Anziehungskraft. Vor allem in Ostdeutschland, denn die DDR schrieb sich die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf die Fahnen. Der Anteil an berufstätigen Frauen stieg in der Nachkriegszeit, bedingt durch den Mangel an Arbeitskräften, aber nur für eine begrenzte Zeit. Sehr schnell wurde die Frau wieder in ihre Küche zurückgeführt und von den „drei Ks“ verfolgt, und das wird sie auch heute noch. Trotz der Parolen der DDR blieb der Haushalt die Sphäre der Frau, unabhängig davon, welche Rolle sie außerhalb dessen noch übernimmt.

In den 80er und 90er Jahren betritt das Modell der „drei Ks“ wieder die Bühne, aber diesmal in einem positiven Licht. Einigen Frauen gelang es, die „drei Ks“ um ein viertes zu ergänzen. So hieß es nun „Kinder, Küche, Kirche und Karriere“. Es wurde also ein neues Modell der Frau geschaffen, einer Superfrau, die alles bewerkstelligen kann. Ist die deutsche Frau also zu beneiden?

Die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen bleibt markant

Derzeit ist Deutschland eines der europäischen Länder mit den größten Gehaltsunterschieden zwischen den beiden Geschlechtern (23,2% im Jahr 2008, gegenüber 18% im Durchschnitt der EU). Hier sind weniger Frauen berufstätig (obwohl der Anteil weiterhin wächst, bleibt der Wert bei 45,8%) und sie sind vor allem höheren Positionen deutlich unterrepräsentiert (2009 betrug der Frauenanteil unter den Managern und Unternehmern nur 25,1%).

Abgesehen von den Gehaltsunterschieden, was kann den niedrigen Frauenanteil erklären?

Eine Erklärung stützt sich darauf, dass sie es nicht nötig haben zu arbeiten, oder jedenfalls weniger als die Frauen in den anderen EU-Staaten, da die Männer genug verdienen. Die Frauen müssen also vielleicht nicht um jeden Preis arbeiten. Außerdem sind viele Einrichtungen nicht auf Frauenerwerbstätigkeit ausgerichtet. Die Schule endet früh und die Betreuungsangebote für Kleinkinder sind ungenügend.

Es gibt nur wenige Halbtagesstellen, die wirklich interessant für Frauen sind. Die es sind, passen dann allerdings oft nicht zu den üblichen Qualifikationen der Frauen.

Andererseits spielen Mentalität und Tradition Deutschlands eine wichtige Rolle. Die Kirche hat lange Zeit eine überlegene Rolle der Männer unterstützt, in der es normal schien, dass die Frau sich um den Herd kümmert. Und Gott weiß, dass die Kirche eine sehr wichtige Rolle in Deutschland spielt: sie ist reich und einflussreich.

Die Position der Bundesregierung zur Gleichstellung

Andere Gründe, sicherlich die Bedeutendsten, beziehen sich auf die Bundesregierung. Warum erlässt die deutsche Regierung keine Maßnahmen, um die Situation der Frauen zu verbessern? In der Wirtschaft ist die Sorge weit verbreitet, dass eine Förderung der Frauenerwerbstätigkeit zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit führen könnte. Außerdem sind Strukturen, die Mütter unterstützen würden, eine kostenintensive Angelegenheit.

Wenn Angela Merkel eine Verpflichtung ablehnt, die in anderen Ländern genutzt werden, um Gleichstellung durchzusetzen, welche Lösungen sind dann denkbar? Die Diskriminierung im Berufsleben wird seit 2006 bestraft, aber sie ist schwer nachzuweisen und das Problem der Gehaltsunterschiede lässt sich auf diese Weise unmöglich beseitigen.

Die fatale Konsequenz dieser Situation ist, dass die Frauen von der Gesellschaft dazu gedrängt werden, dem Arbeitsmarkt fern zu bleiben. Oftmals lohnt es sich für sie nicht arbeiten zu gehen, aufgrund der niedrigeren Gehälter und der schlechteren Stellen, die ihnen angeboten werden, aber auch aufgrund der finanziellen Anreize, die Müttern gewährt werden. Diejenigen, die sich dem sozialen Druck nicht beugen wollen, gehen weiterhin arbeiten, aber ihr möglicher Kinderwunsch wird dann zweitrangig. Die schwache Repräsentation der Frauen in den höheren Gesellschaftsschichten trägt auch nicht dazu bei, die Lage zu verbessern.

Dieser Teufelskreis ist dramatisch: Die Geburtenrate sinkt und das verursacht weitere Probleme für die Rentensysteme und die Demografie.

Im Zeitalter der „drei Ks“ wussten die Frauen sich zu helfen: Sie waren aktiver im sozialen Leben, entweder durch ihre Familie oder durch die Kirche (die sie häufiger besuchten als die Männer), aber heutzutage scheint ihre Situation immer schwieriger zu ertragen und nur schwer zu ändern.

Es bedarf also einer Anstrengung der Politik und eines Mentalitätswandels, um Deutschland wieder seine wirtschaftliche Macht zurückzugeben – besonders in einem europäischen Kontext, der darauf drängt, die Gleichheit von Männern und Frauen voranzubringen. Wie es schon der Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 29. Juni 2000 zeigte: „Der Grundsatz der Gleichstellung von Frauen und Männern verlangt notwendigerweise die Beseitigung der Benachteiligung, die Frauen in Bezug auf die Bedingungen für den Zugang zum und die Teilhabe am Arbeitsmarkt und Männer in Bezug auf die Bedingungen für die Teilhabe am Familienleben trifft.“

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