Im Kern des damaligen habsburgischen Reiches bringt die Arbeitsgemeinschaft Alpen-Adria die Grenzregionen von Österreich, Italien und Slowenien einander näher. Verschiedene Kooperationen zu den Themen Kultur, Umwelt und Schutz der Sprachminderheiten sind entwickelt worden, und schließlich wurde eine Euro-Region gegründet.
Gemeinsame Wurzeln
Der erste Präsident des Ministerrates der italienischen Republik wurde als österreichischer Staatsbürger geboren. Diese anscheinend widersprüchliche Behauptung spiegelt eine vergessene Realität wider. Alcide de Gasperi, der italienische Gründervater Europas ist sogar Abgeordneter im Wiener Reichsparlament gewesen: geboren im Trentino vor dem Ersten Weltkrieg, ließ er sich im Jahre 1918 in Italien einbürgern, als das Reich zusammenbrach und die Region Teil Italiens wurde.
Die neuen Grenzen nahmen auf die nationalen Identitäten allerdings nicht Rücksicht. Das deutschsprachige Südtirol wurde italienisch, während eine beträchtliche slowenische Minderheit in Kärnten bei Österreich blieb. Darüber hinaus fanden Verfolgungen und Vertreibungen in anderen Regionen statt, unter anderem gegen die Italiener und Slowenen in Istrien und Dalmatien in den 40er Jahren.
Zusammen mit dem andauernden Irredentismus und der Spaltung der Welt in zwei Blöcke nach 1947 haben diese Gräuel zunächst große Hindernisse für eine grenzüberschreitende Kooperation dargestellt. Nur der europäische Einigungsprozess konnte diese Situation durch eine zunehmende Zusammenarbeit auf lokaler Ebene und die Gewährleistung der Rechte der Minderheiten entschärfen.
Eine erfolgreiche Kooperation
Um die Beziehung mit Österreich zu entspannen, legte Alcide de Gasperi 1946 mit Karl Gruber fest, dass die aus Südtirol und dem Trentino bestehende italienische Region einen Sonderstatus genießen würde. Dank dieser beispiellosen Autonomie dürfte die Region ein großes Netzwerk kulturellen Austausches und schließlich eine Euro-Region mit dem österreichischen Tirol herstellen. In Südtirol ist Deutsch gleich mit Italienisch offizielle Amtssprache: die Straßenschilder sind deshalb zweisprachig.
Ferner studieren viele Österreicher in Bozen, die Hauptstadt von Südtirol, wo sie die gleichen Rechten wie die Italiener genießen – darunter die Möglichkeit, die italienischen Staatsstipendien zu erwerben. Das gleiche gilt für Südtiroler in Österreich. Klaus K., ein Österreicher der sein Studium im Bozen absolviert hat, berichtet: „im Bozen wird auf Italienisch, Deutsch und English unterrichtet. 50% der Studenten sind deutschsprachige Italiener, 20% italienische Muttersprachler, und die übrigen 30% kommen aus Deutschland und Österreich“. Die Euroregion Tirol beschäftigt sich mit verschiedenen Themen, darunter die wirtschaftliche Entwicklung, die Verkehrspolitik durch den Brenner-Tunnel oder den besonderen Schutz der alpinen Umwelt.
Die Alpe-Adria Kooperationsgemeinschaft
Neben der Erfahrung in Tirol bemühen sich auch andere Gegenden um eine intensivere Zusammenarbeit. Im Jahre 1978 gab es die ersten Kontakte innerhalb der Alpen-Adria Region. Die Kooperationsgemeinschaft verband zunächst Kärnten, Salzburg, Oberösterreich und Steiermark (Österreich), Friaul–Julisch Venetien und Venetien (Italien), Bayern, Slowenien und Kroatien. In den folgenden Jahren sind Burgenland, Lombardei und einige ungarischen Komitate beigetreten.
Mit den vergangenen Gräuel im Hinterkopf arbeiten diese Regionen zusammen, um die sprachlichen, politischen und gesellschaftlichen Unterschiede zu verringern. In dieser Hinsicht haben die Beitritte Sloweniens und Österreichs zur EU zur Erfüllung dieser Ziele beigetragen.
Als der Vertrag von Schengen im Jahre 2007 die Bewegungsfreiheit zwischen Italien und Slowenien gewährleistete, ist eine historische Mauer gefallen. Diese Mauer stand nicht in Berlin, sondern in Görz (Gorizia/Gorice), eine mehrsprachige Stadt, durch die die italienisch-slowenische Grenze führt. Der Krieg zwischen Italien und Slowenien und der Eiserne Vorhang hatten zu dieser Spaltung geführt. Die EU hat dort Plurilinguismus, intensiveren Schüleraustausch sowie Investitionen in dem Infrastrukturennetzwerk gefördert.
Die kommenden Herausforderungen
Slowenien gehört seit 2006 zu der Eurozone, und ist im Jahre 2007 der Schengen Zone beigetreten: die sich daraus ergebenden Öffnung der slowenischen Märkte gab dem Handel mit den Nachbarländern einen deutlichen Schub.
Jedoch haben die Mängel des Integrationsprozesses für neue Probleme gesorgt. Die verstärkte Mobilität der Arbeitskräfte, die für die Firmen von Vorteil ist, hat eine ausländerfeindliche Welle nach sich gezogen. In Kärnten hat dies zum Erfolg des im Oktober gestorbenen Landeshauptmanns Jörg Haider beigetragen. Die mangelnde steuerliche Harmonisierung in den Grenzregionen hat den Firmen den Anreiz gegeben, die Produktion über die Grenze zu verlagern, um jedes Dumping zu vermeiden.
Die von der EU finanziell geförderte Zusammenarbeit existiert heute auf drei Ebenen : transnational als Teil Zentraleuropas, bilateral (Kooperation zwischen zwei Mitgliedstaaten) und interregional zwischen den Grenzgebieten. Dadurch, sowie durch die Existenz zweier Euro-Regionen, wird die Entwicklung der ganzen Region unterstützt. Es lässt sich schließlich feststellen, dass sich sogar die schlimmsten historischen Erlebnisse durch Dialog und Kooperation überwinden lassen.
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