Ein Hoch auf Europa

Kolumne „Wir in Europa“

, von  Karin Geupel

Ein Hoch auf Europa
Die Kolumne „Wir in Europa“ erscheint jeden Sonntag auf treffpunkteuropa.de. Autoren berichten im Wechsel über ihre persönlichen Erlebnisse mit der EU, was es bedeutet, Europäer zu sein und welche Ängste und Hoffnungen sie mit der Gemeinschaft verbinden. Foto: © European Commission / 2004

Als ich die Zusage zu dieser Kolumne erhielt, mit der Aufgabe, über meine Erfahrungen mit Europa zu schreiben, fragte ich mich erschrocken: Was ist Europa denn eigentlich für mich? Hier nun ein Versuch einer Antwort.

Überraschender Abschied

An der Europa-Uni in Frankfurt Oder reisen zum Ende des Sommersemesters wieder viele Erasmus-Studenten nach Hause, die ein Semester oder länger hier studiert haben. Koffer werden gepackt, jeden Tag finden Auszugspartys statt und die Möbel werden entsorgt. Bei all dem Trubel erzählt mir eine Freundin, wie sich ein Kumpel aus England nach einem Jahr gemeinsamen Lernens, Reisens und Feierns von ihr verabschiedete „Weißt du, es ist doch total cool in Europa geboren zu sein. Europa ist überhaupt der beste Kontinent. Hier gibt es so viel zu sehen, dass man doch eigentlich gar nicht nach Asien oder in die USA fliegen muss. Europa ist doch eh viel spannender.“

Eine ziemlich überraschende Aussage für einen Engländer, die doch allgemein für ihre Europaskepsis bekannt sind. Aber es stimmt. Was hat die USA, was wir in Europa nicht haben? Die Rocky Mountains? Dann doch gleich die Alpen. Kultur? Haben wir mehr. Eine starke Währung? Zwar hat der Euro schon bessere Zeiten gesehen, aber der Dollar ist immer noch weniger Wert. PRISM? Haben nicht die Briten und Franzosen ebenfalls ein ziemlich erfolgreiches Spionageprogramm? Spaß beiseite. In diesem Moment wurde mir wieder klar, wie froh ich bin, tatsächlich in Europa geboren zu sein. Ich kann innerhalb der Gemeinschaft reisen, wohin ich will und auch leben, wo ich will. Ich finde es spannend, wenn meine slowakische Mitbewohnerin mir erzählt, sie überlege, doch später in Deutschland zu wohnen und zu arbeiten. Der Lebensstil hier gefalle ihr. Diese Freiheit ist ein großes Privileg. Viele Asiaten, Afrikaner und Lateinamerikaner würden sich das wünschen. Und will ich französische Lebensart, muss ich nicht in einen Erlebnispark, wo die Baguettes zu weich und noch dazu zu teuer sind, wie in den USA. Nein, mit dem Flugzeug bin ich in einer Stunde in Paris und muss noch nicht einmal Geld wechseln.

Über Grenzen hinweg

Der nächste Punkt, der für uns Europäer oft schon zu selbstverständlich erscheint - Reisefreiheit. Ich habe ein paar Monate in Singapur, diesem asiatischen Wunder-Stadt-Staat, der gerade einmal so groß wie Hamburg ist, verbracht. Etliche Zollbestimmungen und vier verschiedene Währungen im Geldbeutel – in Europa kaum noch vorstellbar. Ich ärgere mich schon, wenn ich über die Oder-Brücke in Frankfurt nach Polen gehe und meinen Extra-Geldbeutel mit Zloty vergessen habe. Wir Europäer sind ziemlich verwöhnt. Wir können froh sein, in Europa geboren zu sein und stolz darauf, uns Europäer nennen zu können.

Der Meinung bin nicht nur ich. Roland Berger, Gründer der gleichnamigen Unternehmensberatung, hielt jüngst bei der Verleihung des Bayrischen Verdienstordens eine Rede, die am 22. Juli in der FAZ erschien. Darin lobt er Europas Werte und Normen, wie die Freiheit. Nach deren Vorbild seien nicht nur Menschen in Ägypten auf die Straße gegangen. Auch philosophische Strömungen wie die Aufklärung und vor allem den technologischen und wirtschaftlichen Fortschritt haben wir ihr zu verdanken. Das Internet wurde schließlich nicht in den USA erfunden, sondern in Europa. Berger meint, „Krise“ bedeute dem griechischen Wort-Ursprung nach lediglich eine Entscheidungssituation, die einen Wendepunkt markiert. Natürlich stünde Europa nun an einem Wendepunkt, jedoch sei das nicht der erste in der langen Geschichte des Kontinents. Vielmehr sollten wir Europäer zurückblicken und anerkennen, was wir bisher geleistet haben. Wir können stolz darauf sein, trotz all der Differenzen, der Krise und den politischen Grabenkämpfen.

Wir sollten Stolz sein!

Es ist doch ziemlich komfortabel auf unserem kleinen Kontinent. Wir sollten es schätzen lernen und nicht so pessimistisch in die Zukunft blicken. Zusammen haben die Europäer die Demokratie in die Welt gebracht (nein, das waren nicht die US-Amerikaner) und haben eine Friedens- und Freiheits-Vereinigung geschaffen, die in der Welt ihresgleichen sucht. Europa hat also wesentlich mehr Vorteile, als wir heute manchmal glauben mögen. Also seien wir stolz und packen wir es an. Denn mal ehrlich, wer will denn jetzt wieder Grenzkontrollen und Geldwechseln? Ich kann drauf verzichten.

Europa ist mehr als die Wirtschafts- und Finanzkrise. Europa sind die Menschen und ihren Erfahrungen mit der EU. Das wollen wir sichtbar machen. Deswegen erscheint nun jeden Sonntag auf treffpunkteuropa.de die Kolumne „Wir in Europa“. Autoren berichten im Wechsel über ihre persönlichen Erlebnisse mit der EU, was es bedeutet, Europäer zu sein und welche Ängste und Hoffnungen sie mit der Gemeinschaft verbinden.

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