Steuerflucht mit Nebeneffekt

, von  Verena Priem

Steuerflucht mit Nebeneffekt
Auch ein Jahr nach dessen Amtseinführung beäugen sich Angela Merkel und der französische Staatspräsident François Hollande kritisch. © Maria Brianchon, Council of the EU

Eurokrise, Schwarzgeldkonten und Massenproteste gegen die Legalisierung von Homoehen: Ein Jahr nach seiner Wahl sieht sich Frankreichs Präsident François Hollande mit gewaltigen Problemen konfrontiert. Wie wirkt sich das auf die deutsch-französische Beziehung aus?

Mäßige Bilanz

Autokorso, Sprechgesänge und Fahnenmeer: Die Anhänger Françcois Hollandes feierten ausgelassen die Wahl des Sozialdemokrat zum französischen Staatspräsidenten. Dieser Tage jährt sich dieses Ereignis zum ersten Mal – Grund genug, Bilanz zu ziehen und Hollandes Wahlkampfversprechen zu prüfen. Dabei schneiden Hollande und seine sozialistische Regierung eher mäβig ab: Der ersehnte Wachstumsschub für die Wirtschaft lässt auf sich warten. Im Bereich der Sozialpolitik und der Reform der Gebietskörperschaften konnten keine nennenswerten Neuerungen erzielt werden. Das Gesetzesvorhaben zum Verbot von Ämterhäufung liegt vorerst auf Eis. Überhaupt, hatte Hollande nicht mehr Transparenz versprochen?

Die Schwarzgeldaffäre um den zurückgetretenen Haushaltsminister Jérôme Cahuzac wirkt da wie ein bitterer Wink des Schicksals, um Hollande und seine Regierung an dieses Wahlversprechen zu erinnern. Dass dafür ausgerechnet ein Politiker aus den eigenen Reihen herhalten muss, ist dabei äußerst peinlich für die vermeintlichen Vorreiter der Transparenz. Für die Wähler wirkt die Angelegenheit in Zeiten von Wirtschaftskrise und hoher Arbeitslosigkeit wie blanker Hohn – und die Opposition lacht sich ins Fäustchen. Einmal mehr hat sich Frankreichs politische Elite selbst diskreditiert.

Der Fall Cahuzac und seine Folgen

Als im März bekannt wurde, dass Cahuzac Schwarzgeldkonten in der Schweiz und Singapur besitzt und den Staat damit um mehrere tausend Euro an Steuergeldern prellte, wurde er zuerst aus dem Amt und dann aus der Partei gedrängt. Somit kam Bewegung in den Elysee-Palast: Kurzerhand beschloss Hollande, die Regierungsmitglieder zur Offenlegung ihrer Vermögensverhältnisse zu zwingen. Diese Initiative wirkt auf den ersten Blick mutig, denn bislang war es in Frankreich tabu, über Geld zu sprechen - gerade wenn man es hat. Doch niemanden dürfte es wirklich überrascht haben, was seit Mitte April im Internet zu lesen ist: Acht von 37 Regierungsmitglieder besitzen Vermögen im Wert von über einer Million Euro. Da ist die Versuchung zur Steuerflucht groβ. Wer Frankreich und seine „politische Klasse“ kennt, der weiß auch um die Verflechtung von Politik und Wirtschaft. Viele Entscheidungsträger kennen sich aus Studienzeiten an den sogenannten Grande Ecole. Ein Diplom von einer solchen Eliteuniversität steigert nicht nur den Marktwert auf dem französischen Arbeitsmarkt, sondern verschafft dem Inhaber auch Zutritt zu einem exklusiven Kreis wirtschaftlicher und politischer Eliten.

Insofern war die Transparenz-Initiative Hollandes eher der verzweifelte Versuch, sich selbst zu retten. Ob sie dazu beiträgt, den Franzosen das Vertrauen in die „politische Klasse“ wiederzugeben, bleibt offen. Für das Misstrauen seitens der Bürger sind aber Politiker jeglicher Couleur verantwortlich. Als Nicolas Sarkozy (UMP) 2007 in den Elysee-Palast einzog und sogleich unverhohlen sein eigenes Gehalt nach oben setzte, irritierte das nicht nur seine Gegner.

Berliner Klüngel

Doch sieht es in Berlin anders aus? Letztes Jahr musste der Bundespräsident zurücktreten – jener erste Mann im Staat, der zwar wenig politische, dafür aber reichlich moralische Verantwortung trägt. Ähnlich wie Cahuzac leugnete auch Christian Wulff monatelang alle Vorwürfe. In seinem Fall ging es um Vorteilnahme und Bestechlichkeit. Erst als seine Immunität aufgehoben wurde, sah Wulff ein, dass er kein Vertrauen mehr besaß und zurücktreten musste. Der gute Ruf des Amts ist seitdem deutlich angekratzt.

Auch innerhalb der Bundesregierung wird es zuweilen mit der Wahrheit und dem Vertrauen der Wähler nicht so genau genommen, wie die Rücktritte der Minister zu Guttenberg und Schavan in Folge aufgedeckter beziehungsweise möglicher Plagiate zeigen. Hier geht es zwar nicht direkt um Geld, dafür aber um die Moral und das Ansehen deutscher Wissenschaftler. In jedem Fall trüben solche Vorfälle die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung und dürften langfristig das Vertrauen der Bürger in die Politiker im Allgemeinen in Mitleidenschaft ziehen.

Immerhin: In Deutschland gibt es Regeln für Bundestagsabgeordnete hinsichtlich der Veröffentlichung ihrer Nebeneinkünfte. Doch diese Regeln sind nicht ausreichend, wie kürzlich deutlich wurde: Kaum hatte die SPD ihren Kanzlerkandidaten gekürt, wurde öffentlich diskutiert, welch beträchtliche Summen der Abgeordneten Peer Steinbrück durch Beratertätigkeiten einnahm. Ein Lehrstück darüber, dass vorgeschriebene Transparenz mangelnden moralischen Anstand nicht ausgleichen kann. Steinbrück geht mit einer schweren Hypothek in den Wahlkampf und wird sich seine Glaubwürdigkeit erst wieder erarbeiten müssen.

Starthilfe für den deutsch-französischen Motor

Manche Volksvertreter an Spree und Seine sind offensichtlich maβlos und unmoralisch, unabhängig welcher Parteifamilie sie angehören. Manch einer scheint überdies auch seinen eigentlichen Job zu vergessen. Auf neue Impulse für die deutsch-französische Kooperation warten wir in diesem Jubiläumsjahr - bislang - jedenfalls vergeblich.

Tatsächlich wollen sich Europas Politiker zusammen raufen und gemeinsame Regeln zur Steuerhinterziehung erarbeiten. Ob dahinter ein ehrliches Bekenntnis zur Steuersolidarität oder doch nur wahlkampftaktisches Kalkül zwecks Imageerhalt steht, ist dabei nebensächlich. Konkrete Regeln gegen Steuerbetrug in Europa sind entscheidend. Dieses Vorhaben hat zudem den Nebeneffekt, die europäische Integration wiederzubeleben, denn Steuerhinterziehung ist eine grenzüberschreitende Problematik.

Bislang steckt das Vorhaben noch in den Kinderschuhen, im Mai soll darüber beim EU-Gipfel beraten werden. Das deutsch-französische Tandem wäre durchaus legitimiert, dabei eine führende Rolle zu übernehmen. Gleichzeitig könnte es seine Innovationskraft und Zukunftsfähigkeit unter Beweis stellen, die seit der Wahl Hollandes zunehmend in Frage gestellt werden. Vielleicht finden Hollande und Merkel dann auch endlich einen Modus der Zusammenarbeit jenseits von parteipolitischen Differenzen. Denn während die Bürger in Hunderten von Vereinen, Städtepartnerschaften, Studenteninitiativen oder Stiftungen das Jubiläum des Elysée-Vertrags begehen, hört man seit dem Ende der offiziellen Feierlichkeiten enttäuschend wenig von den beiden zur Zukunft der deutsch-französischen Beziehungen. Hoffnung besteht, dass die Initiative zur Zusammenarbeit im Bereich der Steuerhinterziehung nicht nur die Staatskassen füllt, sondern auch die deutsch-französische Beziehung auf politischer Ebene wieder neu belebt!

Ihr Kommentar
  • Am 6. Mai 2013 um 19:52, von  inti Als Antwort Steuerflucht mit Nebeneffekt

    interessant wäre der artikel gewesen, wenn ich mehr erfahren hätte. so ist es leider hingeschludert. erst ein bisschen frankreich, dann ein bisschen deutschland. lauter dinge die ich in den letzten jahren zur genüge gehört habe. wenn die stellen an denen ich mich nicht auskenne so solide recherchiert sind wie die stellen an denen ich mich auskenne, dann ist er einfach schlecht:

    1. wulffs immunität wurde nicht von der staatsanwaltschaft aufgehoben. wäre auch irritierend für mein demokratisches verständnis wenn sie die rechtliche befugnis dazu hätte. für immunitätsangelegenheiten ist der deutsche bundestag zuständig (§ 107 GO-BT regelt hier den prozess). 2. säuft der prozess gerade ab und die vermutung, dass ein freispruch das resultat ist, ist wohl inzwischen mehrheitsfähig. 3. französische innenpolitik ist vielleicht interessant aber die europaperspektive daran wäre wohl eher für interesse für mich als JEFer 4. was doktorarbeiten mit steuerflucht zu tun haben wurde mir auch nicht klar.

    mein fazit: ein erster versuch von verena. nächstesmal ein konzept schreiben und nicht einfach drauf los was einem so durch den kopf geht. am roten faden bleiben und die europaperspektive im blick behalten dann wird der zweite besser. und recherchieren und gegenlesen lassen, gerade sowas wie die staatsanwaltschaftliche immunitätsaufhebung sollte der mehrheit der JEFer auffallen.

  • Am 6. Mai 2013 um 20:00, von  Andre Als Antwort Steuerflucht mit Nebeneffekt

    Ruecktritte trueben nicht die Glaubwuedrigkeit, Wat mutt, dat mutt. Was die Glaubwuerdigkeit truebt sind Menschen, die unhaltbare Situationen verteidigen und Verfassungsorgane mit ihren ochlokratischen Spielchen beschaedigen, und Politiker, welche die Chuzpe besitzen solchen Leuten den Ruecken zu staerken, rueckratlose finstere Gesellen.

    Frankreich fehlt einfach eine foederale Struktur, eine sechste Republik. Da liegt nichts an Hollande oder Sarkozy.

  • Am 6. Mai 2013 um 21:47, von  Julius Leichsenring Als Antwort Steuerflucht mit Nebeneffekt

    Danke inti für den Hinweis. Das mit der Aufhebung der Immunität wurde geändert.

  • Am 7. Mai 2013 um 11:00, von  Jakob Als Antwort Steuerflucht mit Nebeneffekt

    Zum Artikel: Man muss schon feststellen, dass neu gewählte Regierungen demokratischer Staaten nach einem Jahr oftmals wenig an Bilanz vorzuweisen haben, da viele Vorhaben noch im Vorbereitungsprozess befindlich sind oder den politischen Realitäten z.T. noch angepasst werden müssen. Im Falle der gegenwärtigen französischen Regierung habe ich allerdings gerade nicht den Eindruck, dass da noch viel kommt. Visionär geht jedenfalls anders. Die bislang eingehaltenen Wahlversprechen sind teilweise eher symbolischer Natur (Beschneidung des Gehalts der Regierungsmitglieder) oder sie polarisieren wie im Falle der Homoehe derart, dass die politische Position Hollandes in der Gesellschaft nicht wirklich gestärkt wird.

    Zu den bisherigen Kommentaren: Ich stimme Andre zu: Diejenigen Amtsträger, die nach schwerwiegenden Fehlern ohne langes Leugnen oder dergleichen umgehend Konsequenzen zogen (in Form von Rücktritten oder auch anders), beschädigten damit weder das jeweilige Amt noch grundlegend ihr eigenes moralisches Ansehen. In der Politik fallen mir spontan Namen ein wie Willy Brandt, Rudolf Seiters oder (mehr auf persönliche moralische Verfehlungen bezogen) Cem Özdemir.

    Zu intis Punkten: 1. Danke für die Richtigstellung. 2. Das Fass, darüber zu diskutieren, warum der Prozess absäuft, möchte ich jetzt nicht aufmachen, will aber feststellen, dass moralische Verfehlungen, seien sie auch im Bereich der Legalität, sich einfach insgesamt nicht gut machen in Verbindung mit hohen politischen Ämtern! ;) Der Schaden, den die politische Kultur hierzulande und das Amt des Bundespräsidenten durch die Causa Wulff genommen haben, ist greifbar. 3. Als JEFer weiß man doch, dass jede Innenpolitik immer europäische Implikationen hat; selbstverständlich hat (zumindest in wichtigeren gesellschaftlichen Kontexten) die französische Innenpolitik Auswirkungen auf den europäischen Raum, sowie natürlich auch andersrum. 4. Wie aus dem Artikel ja auch ersichtlich wird, handelt es sich hier auch um ein Problem der politischen Kultur und Glaubwürdigkeit bzw. Moral. Plagiierte Doktorarbeiten und Steuerflucht mögen für die jeweilige Person juristisch unterschiedliche Konsequenzen nach sich ziehen. Jedoch ist ihnen gemein, dass sie nicht im luftleeren Raum passieren, sondern immer eine gesellschaftliche moralische Dimension haben, wenn das Ganze in hohen politischen Zirkeln stattfindet. Dann ist doch selbstverständlich nicht einfach nur die Person, um die es geht, sondern unmittelbar auch die politische Kultur und die jeweilige politische Position/Amt betroffen. Übrigens hast Du keinen Grund, in Deiner Kritik an Verenas Artikel persönlich zu werden! Bitte halte Kritik sachlich.

  • Am 12. Mai 2013 um 15:51, von  Verena Als Antwort Steuerflucht mit Nebeneffekt

    Danke für Eure Kommentare. Inti hat natürlich recht, Wullfs Immunität wurde nicht von der Staastanwaltschaft aufgehoben - allerdings war sie es, die deren Aufhebung beantragt hatte, was durchaus nicht alle Tage vorkommt. Und ich stimme Andres und Jakob zu, dass Rücktritte nicht grundsätzlich die Glaubwüridgkeit trüben. In den im Artikel gennanten Fällen ist das aber meiner Meinung nach sehr wohl so.

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