Die Euro-Krise als Beleg für fehlenden Integrationswillen
Es gibt viele Gründe für eine Euro-Partei. Allem voran steht die Tatsache, dass Parteien aus den Nationalparlamenten nicht den nötigen politischen Willen aufweisen, die europäische Integration angemessen und effektiv voranzutreiben. Der Wille zur EU und zu mehr Europa entspringt allein aus pragmatischen Überlegungen heraus – aus grundlegender Überzeugung agiert kaum ein Parlamentarier. Wozu diese Einstellung führt, hat die Euro-Krise gezeigt. Die Probleme um den Euro legen das grundlegende Defizit der bisherigen europäischen Integration frei: Integration wird nur soweit betrieben, wie sie politisch notwendig und der kurzlebigen Politik dienlich ist. Auf langfristige Überlegungen hinsichtlich des Schicksals der europäischen Gemeinschaft wird kein Wert gelegt. So kam es dazu, dass eine gemeinsame Währung ohne gemeinsame Wirtschaftspolitik geschaffen wurde, ein Unterfangen, vor dem schon lange vor der Einführung des Euros namhafte Ökonomen gewarnt haben [1].
Die Quittung hierfür haben die Euro-Länder keine 10 Jahre später erhalten: der Euro-Raum droht zu zerbrechen, weil schwächere Euro-Staaten jahrelang über ihre Verhältnisse gelebt haben und nun drohen sie einer nach dem anderen Bankrott zu gehen. Schlimmstenfalls würde der Euro scheitern- und damit das gesamte europäische Projekt eines zusammenwachsenden Europas. Doch welche Schlüsse lassen sich aus dieser Situation ziehen?
Europäische Politik wird von den Parteien der Nationalstaaten gemacht, die aus ihrer Natur heraus primär nationale Interessen verkörpern. Damit geht eine Bequemlichkeit einher, die lediglich den eigenen nationalen Vorteil sucht. Alles was zwar sinnvoll und für die Zukunft mehr als notwendig wäre, jedoch auch mit dem Erbringen eigener (nationaler) Entbehrungen in Verbindung steht, wird abgelehnt, ausgeblendet und totgeschwiegen.
Ein weiteres gutes Beispiel für die Unangemessenheit nationaler Politik hinsichtlich der europäischen Integration ist der Vertrag von Lissabon. Obwohl einige durchaus sinnvolle Veränderungen der EU in Hinblick auf eine effektivere Funktionsweise gemacht wurden, so wurden die strukturellen Probleme der EU selbst – sprich ihr Demokratiedefizit – immer noch nicht behoben. Das EU-Parlament hat bei weitem nicht dieselben Kompetenzen und Befugnisse, wie sie Parlamente normalerweise haben. Das Gesetzesinitiativrecht steht ihr nach wie vor nicht zu, auch ist die nur indirekte Legitimation der EU-Kommission weiterhin eine defizitäre Lücke. Gelöst werden könnte dieses Problem nur über die Übertragung weiterer Kompetenzen an das EU-Parlament, was jedoch daran scheitert, dass die nationalen Parteien ihre Macht behalten wollen [2].
Auch hier wird deutlich, dass nationale Egoismen eine sinnvolle und mehr als überfällige Weiterentwicklung seit Jahren verhindern. Besonders problematisch ist hierbei das fehlende Gesetzesinitiativrecht des EU-Parlaments. Denn eigentlich sollte das Europaparlament der Motor einer zielbewussteren und koordinierteren europäischen Integration sein, doch den Europa-Abgeordneten sind die Hände in dieser Hinsicht vollkommen gebunden. Dadurch wird klar, dass allein die entscheidungstragenden Nationalparlamente, wie der Bundestag, die europäische Integration vorantreiben können. Jedoch sind in diesen Parlamente nur Parteien vertreten, die allein nationale Interessen vertreten. Diesen fehlt naturbedingt der Wille, die europäische Integration effektiv und produktiv – notfalls unter Erbringung bestimmter Opfer – voranzutreiben. Doch wie soll jemals der Traum von einem föderalen, vereinten Europa wahr werden, wenn Europapolitik nur noch notgedrungen und aus kaltem Kalkül heraus betrieben wird?
Am 4. Februar erschien der zweite Teil: Was eine Euro-Partei leisten könnte. Darin: Die Vor- und Nachteile einer Euro-Partei und die Rolle der JEF.
1. Am 2. Februar 2011 um 14:03, von Daniel Als Antwort Wir brauchen eine Euro-Partei im Bundestag! (1)
Also ich bin doch sehr skeptisch, ob eine solche Partei eine realistische Chance hätte, in den Bundestag zu kommen. In der Geschichte der Bundesrepublik ist dies ja erst einer Parteineugründung (den Grünen) gelungen. Aus politikwissenschaftlicher Sicht entstehen erfolgreiche neue Parteien in der Regel dann, wenn sich in der Gesellschaft neue Konfliktlinien (so genannte „Cleavages“) bilden, die vom bisherigen Parteiensystem nicht abgebildet werden. Da aber die meisten der bisher im Bundestag vertretenen Parteien grundsätzlich proeuropäisch sind und einer Fortentwicklung der EU eigentlich immer mit großen Mehrheiten zugestimmt haben, sehe ich keine relevante Gruppe in der deutschen Bevölkerung, die sich in ihrer proeuropäischen Haltung durch die derzeitigen Parteien nicht vertreten sieht. Es ist leider vielmehr zu befürchten, dass sich eine antieuropäische Partei entwickeln könnte, denn diese Position wird derzeit nicht wirklich repräsentiert, obwohl es wohl eine erhebliche Bevölkerungsgruppe gibt, die euroskeptisch eingestellt ist. Allenfalls als Reaktion auf so eine Partei könnte dann irgendwann auch eine eigene Pro-Europa Partei erfolgreich sein. Von daher halte ich es aus proeuropäischer Sicht für wesentlich wichtiger, dass bei den Europawahlen endlich richtige europäische Parteien antreten können, sodass der Wahlkampf auch zu europapolitischen Themen geführt wird und somit eine europäische Öffentlichkeit entstehen könnte, die irgendwann einmal Grundlage für einen europäischen Bundesstaat sein könnte (welcher derzeit vermutlich in so gut wie keinem Mitgliedsstaat mehrheitsfähig wäre, so sehr man das als JEF Mitlgied bedauern mag).
2. Am 2. Februar 2011 um 21:40, von Cédric Als Antwort Wir brauchen eine Euro-Partei im Bundestag! (1)
Einverstanden mit Daniel:
– Das Wichtige ist nicht, dass es im Bundestag eine pro-europäische Partei gibt. Das Wichtige, ist dass das Europäische Parlament auf Euro-Parteien beruht.
– Sie geben eine sehr nationale und politisch-orientierte Definition des Wortes „Euro-Partei“, in der die echte europäische Dimension dieses Begriffs „abgelehnt, ausgeblendet und totgeschwiegen“ wird. Eine nationale Partei kann keine Euro-Partei sein, per definitionem, sei sie sogar sehr pro-europäisch. Und würde es reichen, wenn es nur im deutschen Parlament eine pro-europäische Partei gäbe? Euro-Parteien sind Europa-weit organisierten Parteien, die trotzdem föderalistisch, pro-europäisch, euroskeptisch oder eurofeindlich sein können, und zu der Linken, dem Zentrum, oder der Rechten gehören dürfen.
– Ich kann nicht übereinstimmen mit diesem Satz: „Besonders problematisch ist hierbei das fehlende Gesetzesinitiativrecht des EU-Parlaments“. Das Parlament hat dasselbe Initiativrecht wie das der Bürger im Rahmen der Europäischen Bürgerinitiativ. In beiden Fällen muss die Kommission Antragen des Parlaments / der Bürger nicht unbedingt positiv weiterverfolgen.
Aber ein radikaler Gegensatz zu den Bürgern ist die Tatsache, dass das Parlament jederzeit enormen Druck auf die Kommission ausüben kann (Teile des Haushalts blockieren, problematische Änderungsanträge zu Direktiven oder Verordnungen verabschieden, Aktivitäten der Kommission untersuchen, etc.), wenn sie seinen Antrag ablehnt, bis auf ein Misstrauensvotum. Wie oft schlägt das Parlament eigene Initiative vor? Einmal pro-Jahr. Eigentlich seit langem nicht mehr. Wie viel unterstützt das Parlament seine eigene Initiative? Gar nicht. Das Problem ist nicht dass das Parlament kein eigenes Initiativrecht hat, sondern dass es keine eigenen Initiativen haben will. Sonst hätten wir nicht Los Cojones Barroso als Kommissionspräsident.
Warum denn hat das Europäische Parlament keine Initiativ? Nicht weil es im Bundestag keine euro-Partei gibt.
3. Am 3. Februar 2011 um 08:11, von Ralf Als Antwort Wir brauchen eine Euro-Partei im Bundestag! (1)
Raus aus der EU! Dann braucht man auch keine Euro-Partei.
4. Am 3. Februar 2011 um 08:42, von Ralf Als Antwort Wir brauchen eine Euro-Partei im Bundestag! (1)
Gibt es denn im Bundestag nicht genügend Euro-Parteien?
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