Erste Präsidentin der Slowakei

Aktivistin zum Staatsoberhaupt gewählt

, von  Alina te Vrugt

Aktivistin zum Staatsoberhaupt gewählt
Zuzana Čaputová auf einer Pressekonferenz im Februar 2019. Foto: Wikimedia / Slavomir Freso / Creative Commons

Sie ist Bürgerrechtlerin, Umweltaktivistin, Proeuropäerin, politische Außenseiterin und die erste Frau an der Spitze des mittelosteuropäischen Landes. Setzt Zuzana Čaputová ein Signal für einen Richtungswandel?

Zuzana Čaputová wurde zur neuen Präsidentin der Slowakei gewählt. Sie ist nicht nur die neue Präsidentin der Slowakei, sondern auch die erste: Vor ihr war noch keine Frau slowakisches Staatsoberhaupt. Von größerem Interesse sollte allerdings ihr ungewöhnlicher politischer Aufstieg sein, denn noch vor nur wenigen Monaten war die 45-Jährige Rechtsanwältin in der Slowakei kaum bekannt. Nach ihrem erstaunlich schnellen Aufstieg will Zuzana Čaputová nun einen politischen Wandel einläuten. Sie ist die Vizevorsitzende der Partei Progressive Slowakei, die erst 2017 gegründet wurde. Zuvor hat Čaputová 17 Jahre lang für eine Umweltorganisation gearbeitet.

Politisch steht sie aber nicht nur für den Umweltschutz, sondern auch für das Recht auf Abtreibung, ein Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare und den Kampf gegen Korruption. Sie steht für Minderheiten ein. Čaputová dankte den Wähler*innen nicht nur auf Slowakisch, sondern auch in den Minderheitensprachen der Ungarn, Tschechen, Ruthenen und Roma. Ihr Verhalten wirft eine Frage auf: Geht ein politischer Wandel durch die zum Teil sehr konservativ eingestellte Slowakei?

Die Slowakei in der Krise

Der Mord an dem slowakischen Journalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová hat das Land im Februar 2018 in eine tiefe Krise gestürzt. Der Erfolg von Zuzana Čaputová steht in direktem Zusammenhang mit der Welle der Bestürzung, die anschließend durch die Slowakei gerollt ist. Zehntausende Slowaken hatten damals protestiert. Ein unvollendeter Artikel von Kuciak wurde nach seinem Tod veröffentlicht und erschütterte das Vertrauen der Slowaken in ihre Regierung.

Der 27-jährige Investigativreporter hatte zu den mutmaßlichen Verbindungen zwischen der regierenden sozialistischen Smer-Partei und kriminellen Geschäftsleuten recherchiert. Seine Kolleg*innen sagen, zuletzt sei er der italienischen Mafia auf der Spur gewesen, die systematisch EU-Fördergeld umgeleitet haben soll. Die Polizei geht davon aus, dass Kuciaks Recherchen Grund für den Doppelmord waren. Der regierende Ministerpräsident Robert Fico musste nach dem Mord sein Amt niederlegen. Es entwickelte sich die Protestbewegung für eine „anständige Slowakei“: Sie hat die politische Landschaft des Landes verändert. Zuzana Čaputová wurde von der Anhängerin dieser Bewegung zur neuen Präsidentin gewählt.

Kommt jetzt der Wandel?

Čaputová war bei der Wahl als Außenseiterin angetreten, ist allerdings als Favoritin in die Stichwahl gegangen. Schon die erste Runde der Präsidentschaftswahl gewann sie deutlich. Letztendlich konnte sie sich eindeutig gegen den EU-Vizekommissionspräsident Maroš Šefčovič durchsetzen. Der EU-Kommissar ist parteilos, wurde aber von der regierenden Smer-Partei unterstützt. Die etablierte Smer hat das Vertrauen der Wahlberechtigten jedoch verloren: Die Slowakei setzt nicht mehr auf die politische Elite, die Korruption hat ihren Preis gefordert.

Die erschütterte slowakische Bevölkerung wollte jemanden aus ihren eigenen Reihen an der Spitze des Landes sehen. Wenn Journalist*innen wie Ján Kuciak sich bei ihren Recherchen in Lebensgefahr bringen, weil sie die Wahrheit ans Licht bringen wollen, dann offenbart sich die Schwäche der slowakischen Rechtsstaatlichkeit. Mit Čaputová hat zugleich auch die Integrität in der Slowakei gesiegt.

Čaputová hatte vorher kein politisches Amt inne. Sie ist nicht nur in dieser Hinsicht unerfahren, sondern auch vergleichsweise jung. Sie vertritt die neue Generation. Čaputová ist Hoffnungsträgerin und bietet Projektionsfläche für die Ansprüche der Wähler*innen an eine integre Regierung. Sie steht für Moralität und Weltoffenheit. Wie ihr Vorgänger Andrej Kiska auch ist die neue slowakische Präsidentin klar proeuropäisch eingestellt - ein bedeutender Punkt, denn die*der Präsident*in der Slowakei verhandelt und ratifiziert laut Verfassung internationale Verträge.

Ansonsten hat die*der Präsident*in der Slowakei formal nur wenig Macht inne, da sie*er wenige Kompetenzen besitzt. Beobachter*innen und Expert*innen sehen die Wahl von Zuzana Čaputová trotzdem als bedeutendes Symbol. Die weltoffene, liberale Politikerin wurde vom vermeintlich konservativen Volk direkt gewählt und repräsentiert gemäß der slowakischen Verfassung den Staat nach außen. Damit möchte slowakische Bevölkerung eine Botschaft in die Welt senden.

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