Ans Feiern Denken

, von  Sophie Rebmann

Ans Feiern Denken
Die Kolumne „Wir in Europa“ erscheint jeden Sonntag auf treffpunkteuropa.de. Autoren berichten im Wechsel über ihre persönlichen Erlebnisse mit der EU, was es bedeutet, Europäer zu sein und welche Ängste und Hoffnungen sie mit der Gemeinschaft verbinden. Foto: © European Commission / 2004

Polen gilt zehn Jahre nach dem EU-Beitritt als eindeutiger Profiteur der Gemeinschaft. Es hat sich von einem EU-skeptischen Land zu einem Land der EU-Befürworter gewandelt – während den Wahlen dominierten dennoch nationalstaatliche Interessen, statt gemeinsamer Ideale.

Anfang Mai wird in Polen viel gefeiert: Warum hierzulande am Tag der Arbeit NICHT gearbeitet wird, habe ich nie verstanden – aber in Polen ist es nicht anders. Am darauffolgenden Tag, dem „Flaggentag“, hisst jeder pflichtbewusste Bürger in Vorbereitung auf den 3. Mai seine Flagge. Denn am 3. Mai ist Nationalfeiertag. Die polnische Bevölkerung gedenkt an diesem Datum der Verabschiedung der polnischen Verfassung 1971. Für alle anderen Europäer wäre der Termin ebenfalls interessant, weil die polnische die wirklich erste moderne Verfassung unseres Kontinents ist – auch wenn wir in der Schule lernen, dass die europäische Verfassung in Frankreich entstand. Dabei wurde die polnische Konstitution ein paar Monate früher verabschiedet – worauf die Polen mächtig stolz sind.

Zehnter Jahrestag der EU-Osterweiterung

Ein weiteres Ereignis gibt den Menschen in Polen seit zehn Jahren Grund zu feiern: Am 1. Mai 2004 trat ihr Land zusammen mit neun weiteren osteuropäischen Nachbarstaaten der EU bei. Vor zehn Jahren war das noch anders. Da wurde der EU-Beitritt von der polnischen Bevölkerung kritisch und ängstlich betrachtet. Auch die damaligen EU-Mitgliedsländer betrachteten die Osterweiterung mit Skepsis: Zu viele und zu arme Länder kommen zu schnell in die EU, war der Konsens. Vor allem die Befürchtungen vor einer Flutwelle billiger Arbeitnehmer und hohen EU-Investitionen in den neuen Mitgliedsländern überschlugen sich.

Diese Investitionen gab es. In Verbindung mit der Öffnung des Wirtschaftsmarktes haben sie zu großen Veränderungen beigetragen. Zehn Jahre danach zählt Polen zu den größten Profiteuren der EU – sowohl polnische als auch deutsche Medien sind sich einig: Das Land hat vor allem wirtschaftlich enorme Gewinne gemacht. „Wir sind zwei Mal reicher, so sagen es die Zahlen“ tituliert das polnische Radio. Das mag der Grund für die nun eingetretene hohe Begeisterung über die EU sein: 89 Prozent der Polen sind EU-Befürworter.

Ein Werbevideo für die EU

„Wofür dann noch ein Werbevideo“, mag man sich fragen. Die Regierung hat einen Werbespot in Auftrag gegeben, der die Errungenschaften der vergangenen zehn Jahre beleuchten soll. Die Darstellung der Zustände erscheint übertrieben: Stereotype Bilder armer Polen, kaputter Straßen und klappriger Autos verändern sich mit dem EU-Beitritt 2004 schlagartig in freudige Menschen, Unternehmergeist, neue Infrastrukturprojekte und ein Feuerwerk erfreulicher Großveranstaltungen – im Hintergrund läuft McCartneys „Hey Jude“.

Auch ohne Video fällt auf, wie viel gute Veränderungen die EU in Polen mit sich bringt Gut, dass der 1. Mai immer wieder kommt, um zwischen der Kritik inne zu halten, und an die erfreulichen Seiten der EU zu denken. Die Zahl der EU-Befürworter in Polen ist zwar hoch, bei den EU-Wahlen spiegelte sich dies jedoch nicht wieder: Die Wahlbeteiligung war mit 24 Prozent sehr gering. Stärkste Kraft wurde eine Partei, die der EU freundlich gesinnt ist, dennoch hat auch eine polnische, EU-feindliche Partei mit 7,2 Prozent der Stimmen den Einzug ins EU-Parlament geschafft.

Grundgedanke der EU: Gemeinschaftlichkeit

Vor allem im Wahlkampf wurde ein ambivalentes Verhältnis gegenüber der EU deutlich: Viele Parteien lockten mit Slogans wie: „Für Polen in der EU“ und betonten deutlich, sich für die polnische Sache einzusetzen – ohne erwähnt zu haben, dass Polen auch Pflichten haben könnte.

So kann Europa aber nicht funktionieren! Das Video mag der regierenden Partei geholfen haben, ein paar weitere Wähler von der EU – und ihren Positionen – zu überzeugen. Es ist ein kleiner EU-Triumph. Auf lange Sicht kann das Land aber nicht nur auf seine eigenen Gewinne schauen, wenn der Grundgedanke der EU – Gemeinschaftlichkeit – möglich sein soll.

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