Anti-Brexit Superheldin Madeleina Kay: „Du weißt nicht, was du hast, bis man es dir wegnimmt“

, von  Juuso Järviniemi, übersetzt von Alina te Vrugt

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Anti-Brexit Superheldin Madeleina Kay: „Du weißt nicht, was du hast, bis man es dir wegnimmt“

Seit über zwei Jahrzehnten vergibt die Schwarzkopf-Stiftung den Award „Junge*r Europäer*in des Jahres“, um die europäische Einheit zu fördern. Der diesjährige Award ging an Madeleina Kay, die pro-europäische Aktivistin aus Sheffield im Vereinigten Königreich.

Madeleina Kay ist bekannt für ihre Kunstfigur „Alba White Wolf“, angelehnt an ihren weißen Deutschen Schäferhund namens Alba, und ihren EU-Supergirl Charakter. Sie hat unter anderem Kinderbücher wie „Alba White Wolf’s Adventures in Europe“ sowie Protestsongs und Parodien über den Brexit wie „Fields of Wheat“ geschrieben, ist bei pro-europäischen Events aufgetreten und wurde in einem Supergirl Outfit von Sicherheitsleuten der Pressekonferenz von Michel Barnier und David Davis verwiesen.

Während die Uhr tickt und Großbritannien sich mit Artikel 50 im Rücken auf den 29. März 2019 zubewegt, fordern Aktivisten wie Madeleina Kay ein Referendum zu einem Brexit-Abkommen zwischen den britischen und den anderen 27 Vermittlern. Egal ob die Mission erfolgreich ist oder nicht, die öffentliche Meinung zur Mitgliedschaft in der Europäischen Union bleibt gespalten im Vereinigten Königreich. Zwischen allen Anti-Brexit Aktivisten ist Madeleina aufgefallen als die, „die mit Stolz die Flagge der EU hisst“, und die sich im mühsamen Prozess engagiert, eine europäische Identität im Vereinigten Königreich zu schaffen. Wir haben die Junge Europäerin des Jahres interviewt und mit ihr über ihre Charaktere, ihre Kampagne und die europäische Zukunft Großbritanniens gesprochen.

JuusoJärviniemi (JJ): Wie standst du zur Europäischen Union, bevor du deine Pro-EU-Kampagne gestartet hast? Wie kam es zu deinem europäischen Engagement?

Madeleina Kay (MK): „Vor dem Brexit Votum am 23. Juni 2016 war ich nie Teil einer politischen Kampagne und zu meinem großen Bedauern habe ich vor dem Referendum auch nicht an der Remain-Kampagne partizipiert. Natürlich habe ich dafür gestimmt, in der EU zu bleiben, basierend auf dem Wissen, das mir vor allem meine Eltern mitgegeben haben, die beide Akademiker sind, und basierend auf meinen Erfahrungen, die ich mit ERASMUS Studenten, auf Reisen und, während ich in Frankreich gearbeitet habe, machen konnte.

Nichtsdestotrotz war mein Wissen über die EU, verglichen mit dem was ich jetzt weiß und verstehe, ehrlich gesagt ziemlich klein. Ich denke, traurigerweise ist dies eines dieser unglücklichen Beispiele, bei denen du erst weißt, was du hattest, wenn man es dir weggenommen hat. Das Votum für den Brexit hat mich schockiert und zur politischen Aktivistin gemacht. Natürlich habe ich durch die Kampagne sehr viel mehr darüber gelernt, was die EU macht, wie sie funktioniert und welche desaströsen Folgen der Brexit für das Vereinigte Königreich haben wird. Was mich am meisten beunruhigt ist die Tatsache, dass mein Wissensstand vor dem EU-Referendum, obwohl er nicht wirklich ausreichte, um eine differenzierte Entscheidung zu treffen, offensichtlich besser war, als der der meisten anderen Menschen. Der Brexit ist eine Entscheidung, die auf Ignoranz beruht, und darauf, dass die weniger Informierten angelogen, manipuliert und in die Irre geführt wurden. Eines der Hauptziele meiner Kampagne ist es nun einfach und wirksam die Wahrheit über den Brexit und die EU zu verbreiten – und zwar auf eine Art und Weise, die Spaß macht, einfach zu verstehen ist und auch Menschen anspricht, die von Politik gelangweilt sind.“

JJ: Du bist schon als Piratin und als Supergirl aufgetreten. Was inspiriert dich zum Design deiner Charaktere und Kostüme? Warum Supergirl?

MK: „Ich habe viele unterschiedliche Kostüme zu unterschiedlichen Themen. Es gibt einen Saboteur-Piraten, das EU-Supergirl, einen EU-Weihnachtself und ein EU-Krankenschwester-Outfit. Der eigentliche Zweck dieser ausgefallenen Kostüme besteht darin, einen Charakter zu kreieren, der Aufmerksamkeit erregt und den Menschen die Ideen näher bringt, die wir vermitteln wollen.

Ich habe sehr früh gelernt, dass die Medien gute Bilder lieben, weil sie helfen, eine gute Geschichte zu erzählen. Kostüme zu tragen und auffällige Plakate zu machen, ist ein totsicherer Weg die Aufmerksamkeit der Presse zu erregen und deine Aussage zu vermitteln. Es macht auch Spaß, die Fantasie anzuregen und andere zu motivieren, die Kampagne weiterzuführen. Das Konzept hinter dem EU-Supergirl-Outfit ist sehr einfach: Großbritannien braucht einen Helden, der es vor dem Brexit rettet. Ich denke, auch die EU braucht einen Helden, der sie vor dem aufkommenden Populismus rettet, und ihr hilft, den Bürgern die Institutionen näher zu bringen.“

JJ: Du beteiligst dich jetzt schon seit fast zwei Jahren an pro-europäischen Aktionen. Wie hat sich die Stimmung im Vereinigten Königreich in dieser Zeit verändert?

MK: „Ich würde insgesamt sagen, es hat sich nicht viel verändert. Die Situation hat sich in der letzten Zeit ein wenig verbessert, weil mehr Leute die Kampagne unterstützen und sich gegen den Brexit aussprechen. Trotzdem ist das Vereinigte Königreich insgesamt immer noch eine sehr geteilte Nation und die Bürger sind sehr verwirrt wegen der Veränderung in der politischen Landschaft. Es ist tragisch, das zu sehen. Es gibt viele Menschen, Familien und Gemeinden in benachteiligten Gegenden, die unter den Entscheidungen in Westminster leiden.

Die Ungleichheit im Vereinigten Königreich ist schockierend und den Gemeinden, die von Armut geplagt sind, wurde der Brexit von den Tory-Eliten aus perversen Motiven als Lösung ihrer Probleme verkauft. Sie haben den Brexit nicht einmal gefordert, aber sie sind gutgläubig davon ausgegangen, dass er ihnen Möglichkeiten und Hoffnung bringen kann. Diese Menschen sind selbstverständlich wütend über die Art und Weise, wie sie behandelt wurden, aber sie müssen verstehen, dass Westminster für ihre Entbehrungen verantwortlich ist, nicht Brüssel. Es ist allerdings eine fast unlösbare Aufgabe, diese Botschaft zu vermitteln, wenn wir Jahrzehnte lang von der rechten Presse mit euroskeptischer Rhetorik konfrontiert wurden. Die Teilung, die der Brexit mitten durch das Vereinigte Königreich gezogen hat, zu heilen, wird ein langer und schmerzhafter Prozess.“

JJ: Welche ist die denkwürdigste Erfahrung, die du im Rahmen der Kampagne gemacht hast?

MK: „Im Rahmen meiner Kampagne habe ich so viele unglaubliche Erfahrungen gemacht, Möglichkeiten bekommen und unglaubliche Menschen kennengelernt, dass ich nicht weiß, wo ich anfangen soll! Der #EUsupergirl Auftritt war wahrscheinlich mein großer Durchbruch, aber selbstständig meine Bücher zu veröffentlichen, den ,EUinmyRegion‘ Blogger Wettbewerb zu gewinnen und zum ersten Mal nach Brüssel zu reisen, den ,Great British Postcard‘ Wettbewerb zu gewinnen und auch zum ersten Mal nach Berlin zu reisen, um als Junge Europäerin des Jahres interviewt zu werden, all das waren bedeutungsvolle Erfahrungen.

Im Channel 4 News und im BBC Radio zu diskutieren, waren ebenfalls großartige Möglichkeiten. Es war auch ziemlich cool Leute wie Bob Geldof und Eddie Izzard zu treffen, aber es sind die Freundschaften, die ich dank gemeinsamer Erfahrung mit den Leuten, mit denen ich zusammengearbeitet habe, schließen konnte, die mir am meisten bedeuten.“

JJ: Im Rest der EU fürchten einige, dass das Vereinigte Königreich, falls es in der EU bleibt, ein „unangenehmer Partner“ ist, dessen Mitgliedschaft es der EU erschwert, gemeinsame Lösungen für Probleme zu finden. Was würdest du dazu sagen?

MK: „Meines Erachtens war das Vereinigte Königreich schon immer ein bremsender Pedant, sehr zur Irritation der eifrigeren Mitgliedstaaten. Das war trotzdem nicht zwingend zum Nachteil der Union. Ein kritischer, skeptischer Blick kann oft von Vorteil sein, wenn es darum geht, konstruktive Kritik zu üben und dabei zu helfen, die Politik zu reformieren. Euroskeptizismus gibt es in vielen Mitgliedstaaten der EU und die EU sollte sich klar werden, dass der Austritt nicht nur in Großbritannien möglich ist. Wir müssen aus dem Fehler Großbritanniens lernen und Probleme bekämpfen, die in anderen Ländern aufkommen.

Außerdem haben die führenden EU-Politiker klar gemacht, dass die Tür für Großbritannien offen bleibt, falls wir von Artikel 50 abrücken wollen, weil Großbritanniens Mitgliedschaft in der EU für beide Seiten von Vorteil ist. Ich würde hoffen, dass Großbritannien nach einer eventuellen Rückbesinnung etwas demütiger und kompromissbereiter wäre.“

JJ: Was hast du in den nächsten Monaten geplant? Was denkst du, wie hilft dir der Award als „Junge*r Europäer*in des Jahres“ deine Ziele zu erreichen?

MK: „Der Award ist mir eine große Hilfe, wenn es darum geht, mir gegenüber den Kritikern und den offiziellen Organisationen Legitimität zu verschaffen. Als Künstlerin, die nicht von offizieller Stelle finanziert wird, habe ich so eine Art Schurkencharakter und bekomme viel Kritik, der ich dank der Auszeichnung besser entgegentreten kann.

Junge Europäerin des Jahres zu sein, bietet mir auch die Möglichkeit, meine Botschaft weiterzuverbreiten. Ich werde im Juni zwei Mal nach Straßburg reisen und auch nach Berlin und zu anderen Events, auf denen ich eingeladen wurde, um dort zu sprechen. Im April werde ich nach Brüssel reisen, um im Europäischen Parlament einen Dokumentarfilm namens ,Postcardsfromthe 48%‘ zu drehen, an dem ich beteiligt bin. In diesem Monat noch nehme ich auch noch eine Woche lang an einer Brexit-Bustour durch das Land unter dem Motto ,IsItWorthIt?‘ teil. Ich werde zu vielen lokalen und nationalen Veranstaltungen eingeladen, aber diese werden eher kurzfristig organisiert. Was auch immer ich letztendlich mache, die Kampagne, die den Brexit stoppen soll, wird weiterhin intensiv, aufregend, leidenschaftlich und positiv sein.“

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