Freihandelsabkommen zwischen EU und Mercosur

Billiges Fleisch für Europa, billige Autos für Südamerika

, von  Marie Menke

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Billiges Fleisch für Europa, billige Autos für Südamerika
Für Länder wie Brasilien macht das Freihandelsabkommen Autos aus der EU billiger. Foto: Unsplash / Cassiano Pomsas / Unsplash License

780 Millionen Konsument*innen umfassen die Europäische Union und die südamerikanische Organisation Mercado Común del Sur (Mercosur) gemeinsam. Umso reizvoller ist für beide der Abschluss eines Freihandelsabkommens. Dass dies nun geglückt ist, ruft jedoch kritische Stimmen auf den Plan: Mit den klimapolitischen Zielen der EU lassen sich weder billiges Fleisch, noch billige Autos vereinbaren. Ein Kommentar.

Es soll das größte Freihandelsabkommen der Welt werden: Die Europäische Union und Mercosur sind sich in ihren Verhandlungen einig geworden. Zwanzig Jahre sind seit deren Beginn vergangen, pünktlich zum diesjährigen G20-Treffen im japanischen Osaka und kurz vor dem Ende der Europäischen Kommission unter Jean-Claude Juncker ist es geschafft. Konkret bedeutet das: Für beispielsweise Autos, die aus europäischen Ländern nach Südamerika exportiert werden, betragen Zölle aktuell ganze 35 Prozent. Gemeinsam mit weiteren Handelshemmnissen sollen sie nun wegfallen.

Die EU hat das nötig. Da Chinas Einfluss in Südamerika stärker wird, zugleich aber die USA auf handelspolitische Abschottung setzt und damit auf globaler Bühne ausfällt, muss Europa neue Märkte für sich erschließen. Die vier Mercosur-Mitgliedstaaten – Uruguay, Paraguay, Argentinien und Brasilien - kommen da gerade richtig. Im Gegenzug möchten letztere vor allem Produkte aus der Landwirtschaft, darunter Fleisch und Soja, zu besseren Konditionen exportieren. Ratifiziert ist das Abkommen jedoch noch nicht: Bevor es in Kraft tritt, muss es von Abgeordneten durchgewunken werden. Damit steht dem Abkommen ein langwieriger Prozess bevor, der bis zu drei Jahre in Anspruch nehmen kann.

Währenddessen droht das Abkommen ein Paradebeispiel für fehlgeleitete Klimapolitik zu werden. Handelspolitik isoliert von anderen politischen Zielen zu betrachten ist sinnfrei - auf internationaler Bühne ganz besonders. Kritische Stimmen bemängeln bereits seit einiger Zeit die miserable Koordination zwischen der Handels- und der Entwicklungspolitik der EU: Was von europäischen Ländern finanzierte Programme zu retten versuchen, treten von der EU abgeschlossene Handelsverträge mit Füßen. Umso stärker die Klimabewegung wird, desto mehr laufen wir Gefahr, denselben Fehler auch in der Klimapolitik zu machen: Unsere handelspolitischen Maßnahmen wirken unseren klimapolitischen Bemühungen längst entgegen.

Die Verlierer*innen des Abkommens

Zur Erinnerung: Ausgerechnet Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro war es, der ankündigte, sich Donald Trump zum Vorbild zu nehmen und aus dem Pariser Abkommen auszusteigen. Auch der Schutz der Kleinbäuer*innen und des Regenwalds spielten in seinem Wahlkampf keine Rolle. Davon abgesehen haben Autobauer*innen in allen Mercosur-Mitgliedstaaten Angst, gegenüber der Konkurrenz aus Europa zurückstecken zu müssen, wenn die Bevölkerung europäische Autos billiger als südamerikanische kaufen kann. Europäische Landwirt*innen befürchten umgekehrt, mit billigeren Produkten aus südamerikanischer Landwirtschaft nicht mithalten zu können. In Brüssel demonstrierten in den letzten Tagen Flotten von Traktoren vor der Europäischen Kommission.

Handelskommissarin Cecilia Malmström beschwichtigte daraufhin, ebenso EU-Agrarkommissar Phil Hogan und die deutsche Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner. Sie beschwerten sich über die ihnen zufolge unberechtigte Kritik an dem Abkommen und verwiesen vor allem darauf, dass gerade in sensiblen Bereichen eine Quote eingesetzt würde: So würde das Abkommen beispielsweise nur 99 000 Tonnen Rindfleisch pro Jahr betreffen. Für alles, was die südamerikanischen Staaten darüber hinaus in die EU exportieren, zähle wieder der vorherige Zollsatz. Vertrösten dürfte das die europäischen Landwirt*innen nicht, höchstens den Schmerz etwas lindern. Außerdem beinhalte das Freihandelsabkommen eine Erinnerung an die Pariser Klimaziele und versuche damit zumindest, die teilnehmenden Staaten zum Einhalten von Umwelt- und Sozialstandards zu zwingen, führen Unterstützer*innen des Abkommens an. Ein guter Schritt, wenn auch im scharfen Gegensatz zu dem eigentlichen Schlüsselpunkt des Abkommens.

Unsere Klima- und Handelspolitiken vertragen sich nicht

Was in der Kritik europäischer Landwirt*innen und südamerikanischer Autobauer*innen ebenso wie in der Verteidigung der Politiker*innen gleichsam fehlt ist die generelle Diskussion über die Frage, ob wir als Konsument*innen billigeres Fleisch und billigere Autos überhaupt brauchen. Unter klimapolitischen Aspekten ist die Antwort genauso eindeutig wie einfach: Nein, wir brauchen weder noch. Wer die Klimakrise ernst nimmt, sollte mit einem höheren Preis von Fleisch und Autos aufzeigen, welcher Schaden sich hinter Konsum und Verkehr verbirgt. Stattdessen wird mit politischen Mitteln dafür gesorgt, dass beides billiger wird.

Freihandel kann zu Wohlstand verhelfen. Im Fall von Branchen, die für die Klimakrise so bedeutsam sind wie diese, kann er jedoch langfristig umso kontraproduktiver sein. Was wir brauchen sind keinesfalls Maßnahmen, die billiger machen, was den globalen Ausstoß von CO2 in die Höhe treibt, und damit schon heute Menschen ihre Lebensgrundlage nimmt. Das Freihandelsabkommen zwischen EU und Mercosur erweist sich damit einmal mehr als ein Beispiel dafür, dass es nicht reicht, von anderen Politikfeldern isolierte Klimapolitik zu betreiben. Stattdessen muss Klimapolitik in allem mitgedacht werden, was wir tun - und dabei erste Priorität werden.

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