Was ist Biolandwirtschaft?
Es ist eine bestimmte Produktionsweise, nicht das Produkt selbst, die bestimmt, ob ein Lebensmittel „Bio“ ist oder nicht. Produkte aus der Biolandwirtschaft werden im Vergleich zu Lebensmitteln aus konventioneller Herstellung als höherwertige Produkte angesehen. Doch was bedeutet Bio nun wirklich in Europa? Politisches Engagement? Gesunde Ernährung? Eine Alternative zur traditionellen Landwirtschaft?
Wie sich die Biolandwirtschaft in Europa entwickelt
Schaut man sich den Weltmarkt an, gibt es in der EU die meisten ökologischen Anbauflächen und gleichermaßen die größte Nachfrage nach Bioprodukten. Seit circa 20 Jahren steigt die Produktion von Lebensmitteln aus biologischem Anbau in der Europäischen Union stetig an. Die Nachfrage wächst dabei schneller als die Produktion. Doch nicht alle Europäer sind Bioprodukten gegenüber gleichermaßen aufgeschlossen. 70 Prozent der Produkte werden in vier großen EU-Mitgliedstaaten konsumiert. Die drei europäischen Länder mit den größten Bioanbauflächen sind Spanien, Italien und Frankreich. Deutsche und Franzosen sind gleichermaßen die größten Konsumenten der Bioprodukte.
Der Trend hin zu biologisch bewirtschafteten Ackerflächen ist weniger an einzelnen Mitgliedstaaten festzumachen, sondern besonders stark in bestimmten Regionen in Europa, die sich mit ihren Produkten abheben wollen. In Österreich gibt es z.B. Regionen wie die Steiermark, in denen intensivst ökologische Landwirtschaft betrieben wird. Auch in Osteuropa - Tschechien und Rumänien sind hervorzuheben - gibt es viele ökologische Anbauflächen. Für das Jahr 2011 wurde die Nachfrage nach biologisch angebauten Produkten in der EU auf 20,4 Milliarden Euro geschätzt. Die Europäische Kommission ist sich dieses wachsenden Marktes bewusst. Sie hat öffentliche Konsultationen durchgeführt, um die Europäische Agrarpolitik (GAP) anzupassen und die Gesetzgebung für biologischen Anbau zu reformieren.
Nach dieser kurzen Bestandsaufnahme der ökologischen Landwirtschaft in Europa bleibt eine Frage offen: Woher kommt die Begeisterung für Bioprodukte?
Wie ist der Erfolg der Biolandwirtschaft zu erklären?
Um die Umwelt oder gleich die Welt zu retten, ob aus gesundheitlichen Gründen oder als politisches Statement: immer mehr Menschen entscheiden sich für eine andere Ernährungsweise. Bioprodukte stellen dabei einen wichtigen Bestandteil dar. Alternative Ernährungsgewohnheiten scheinen Standard zu werden.
Die industrielle landwirtschaftliche Produktion ist ölintensiv und abhängig von chemischen Beimitteln für den Boden. Die umwelttechnischen und gesundheitlichen Folgen sind schwerwiegend und bekannt. Die umweltbewussten Produktionswege hingegen machen ein Bioprodukt aus. Eine strikte Entscheidung gegen industrielle Produktion ist der Grund, warum sich die Konsumenten dem Biosektor hinwenden. Ökologische und gesunde Produkte zu verzehren, ist mehr als nur Nahrungsaufnahme, es ist ein Lebensmotto.
Vom Konsumenten zum Aktivisten
Ernährt man sich mit Bioprodukten nun wirklich gesünder? Die Anhänger der Bioprodukte sind davon überzeugt. Sie sind gegen die extreme Industrialisierung und gewöhnen sich einen gesunden, natürlichen Lebensstil an. Die Bio-Bewegung ist nicht nur eine alternative Ernährung mit politischem Statement und Umweltbewusstsein, die sich gegen herkömmliche Produktionsweisen richtet. Vegane, vegetarische oder flexitarische Ernährung steht für potenziell gesündere Ernährung, unabhängig von der konventionellen Landwirtschaft.
Auch in Frankreich ernähren sich immer mehr Menschen ökologisch. Neun von zehn Franzosen oder Französinnen kaufen gelegentlich Bioprodukte, sechs von zehn regelmäßig (mindestens ein Mal pro Monat). Der Trend geht neuerdings auch zum regionalen Konsum. Der ist zwar nicht immer ökologisch zertifiziert, weil für kleine Produzenten die Zertifizierung zu aufwändig ist, entsprechen jedoch meist den Kriterien des ökologischen Landbaus. Lokaler Konsum und zyklische Vertriebswege werden beliebter.
Lebensmittelskandale im ökologischen Agrarsektor
Ökologische Landwirtschaft steht der konventionellen Landwirtschaft und Massenproduktion entgegen. Biolandwirtschaft ist aber kein Nischenmarkt mehr und auch hier gibt es Skandale. Immer mehr Qualitätssiegel kommen auf den Markt und sorgen für Verwirrung, ohne dabei stets die Qualität der Produkte zu sichern. Die Siegel verlangen die Einhaltung bestimmter Kriterienkataloge, die je nach Siegel unterschiedlich anspruchsvoll sind, in Europa nicht einheitlich sind und nicht sicherstellen, dass das Produkt auch wirklich ein ökologisches Produkt ist. Normalerweise muss der Tierschutz bei der Tierhaltung eingehalten werden. In Deutschland dürfen allerdings zum Beispiel Eier als Bioeier verkauft werden, auch wenn der Hersteller eine Mindestnorm an Quadratmeter Haltungsfläche pro Huhn nicht einhält. Probleme mit der Bioproduktion gibt es auch beim Viehfutter. Dies untersteht nicht immer einer Kontrolle und kann eine ökologische Zucht verseuchen. In Deutschland gab es zwischen 2009-2011 z.B. einen Dioxin-Skandal. Biohühner wurden mit verseuchtem ukrainischen Mais gefüttert.
In der Biolandwirtschaft können also ähnliche Probleme wie in der konventionellen Landwirtschaft entstehen. Gerade bei wachsender Nachfrage ist es extrem wichtig, in der ökologischen Landwirtschaft die Kontrollen sicherzustellen. Umso mehr, weil der Konsument hinter den Siegeln ein gesundes und umweltschützendes Produkt erwartet. Paradoxerweise hat der Erfolg der Bioprodukte zu einer Industrialisierung geführt, die mit verheerenden Folgen genau das Gegenteil der ursprünglichen Idee der ökologischen Landwirtschaft herbeiführt. Die Europäische Union bemüht sich den Markt stärker zu regulieren, zum Beispiel durch strengere Kriterien bei der Vergabe europäischer Biosiegel oder die Harmonisierung der Normen für alle Mitgliedstaaten.
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