Mes chers concitoyens français,
Die letzten Jahre waren für eurer Land nicht einfach. Hohe Arbeitslosigkeit, vor allem unter jungen Menschen, eine geschwächte Wirtschaft, mehrere terroristische Angriffe und innergesellschaftliche Konflikte. Dies zehrt in eurer einst so stolzen Nation an den Fundamenten.
Marine Le Pen schien die Schuldigen für all diese Probleme ausgemacht und Lösungen gefunden zu haben: Europa, Merkel, die Flüchtlinge, der Islam. Sie baute gezielt Feindbilder auf und präsentierte ihre Vision eines isolierten, protektionistischen und nationalistischen Frankreichs. Und lange Zeit hatte sie auch sehr gute Aussichten, mit dieser Vision das höchste Amt der Republik zu erreichen. Sie strahle mit ihrer Euroskepsis in alle politische Lager. Selbst die „Républicains“ sowie die Sozialisten machen sich diese zu eigen. Es schien unmöglich, in diesem politischen Klima als überzeugter Europäer eine Wahl gewinnen zu können. Zumindest bis Emmanuel Macron, ehemaliger sozialistischer Wirtschaftsminister unter Hollande, mit seiner Bewegung „En Marche“ in das Rennen um das Präsidentenamt einstieg. Er war von Beginn an Hoffnungsträger all jener pro-europäischen, progressiven Franzosen, die sich von der politischen Elite im Stich gelassen und nicht mehr ausreichend repräsentiert fühlten, für die die Unterstützung der Kandidatin des „Front National“ jedoch nicht denkbar war.
Der 39-jährige gebürtige „Amiénois“ (aus Amiens) konnte eine riesige „Armee“ an jungen Menschen hinter sich vereinen. Er sprach bei Auslandsbesuchen Englisch und schrie sich bei Wahlkampfveranstaltungen die Seele aus dem Leib. Es grenzt an ein Wunder, dass Macron mit seiner politischen Agenda und seiner Art im aktuellen Klima in Frankreich immer weiter in der Wählergunst gewinnen und die Wahl letztendlich für sich entscheiden konnte.
Natürlich erreicht Macron mit seiner politischen Agenda auch heute nach der Wahl nicht alle Franzosen. Viele fühlen sich zurückgelassen und vergessen. Fast 11 Millionen Wähler*innen haben schließlich auch im zweiten Wahlgang für Marine Le Pen gestimmt. Diese Menschen dürfen nicht ignoriert werden. Denn ihre Kritik ist teilweise gerechtfertigt.
Die Schere zwischen Reich und Arm geht immer weiter auseinander, die aktuelle EU wird ihren eigenen demokratischen Standards nicht mehr gerecht und scheint an ihrer Größe zu zerbrechen. Das spielt der Kandidatin des „Front National“ in die Hände.
Sowohl in Frankreich als auch in der EU bedarf es zweifelsohne fundamentaler Reformen.
Es ist die Aufgabe des neuen Präsidenten, diese Mammutaufgabe zu meistern, die sozialen und gesellschaftlichen Spannungen in der französischen Bevölkerung zu überwinden und dazu zur Reformierung der EU beizutragen. Ideen hat Macron jedenfalls genug. Bleibt nur zu hoffen, dass er auch schafft, diese mithilfe seiner europäischen Partner umzusetzen.
Denn Frankreich sowie ganz Europa können nur stark sein, wenn sie in Zukunft mit einer gemeinsamen Stimme in die Welt treten.
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