Am vergangenen Freitag hatte der britische Premierminister David Cameron noch verlangt, eine Notbremse solle EU-Migranten mindestens 13 Jahre davon abhalten, in Großbritannien Lohnzuschüsse zu erhalten. Nach zwei harten Verhandlungstagen ließ er sich auf einen Zeitraum von sieben Jahren ein. Die Visegrad-Gruppe mitteleuropäischer Staaten hatte eine Zurückhaltung der Leistungen von maximal fünf Jahren gefordert.
Vor den EU-Staats- und Regierungschefs hatte Cameron am 18. Februar außerdem dafür argumentiert, Sozialleistungen für EU-Migrantenkinder mit Wohnsitz außerhalb Großbritanniens komplett zu streichen. Unter der neuen EU-Gesetzgebung soll bei der sogenannten Indexierung das Kindergeld an den Lebensstandard des Aufenthaltslandes der Kinder angepasst werden. Diese Gesetze werden für alle Mitgliedsstaaten anwendbar sein. Einmal in Kraft werden sich die Regelungen vorerst nur auf Neuankömmlinge im Vereinigten Königreich beziehen und dann ab 1. Januar 2020 für alle Arbeitnehmer gelten.
Cameron verspricht im Gegenzug, sich „mit Herz und Seele“ für die britische EU-Mitgliedschaft einzusetzen. Gleichzeitig umreist er weitere Elemente des verbindlichen Abkommens, darunter das Versprechen, Garantiemechanismen für die Stadt London und die britische Souveränität in die Verträge aufzunehmen. Im Kern dieser Forderungen stehen Vorschriften, die es einem Nicht-Euro-Staat gestatten, schwierige Euro-Themen auf den Verhandlungstisch im EU-Rat zu bringen.
Darüber hinaus gibt es noch eine weitere Extrawurst für Großbritannien: Das Land ist von dem Weg hin zu einer „immer engeren Union“, also einer tieferen politischen Integration, ausgenommen. „Wir werden niemals dem Euro beitreten. Wir werden niemals Teil eines Euro-Rettungsprogramms sein; niemals Teil des passfreien Raums, einer europäischen Armee oder eines europäischen Superstaats sein“, verkündet Cameron in Brüssel auf einer Pressekonferenz.
Brexit-Referendum
Am 20. Februar kam der Premierminister mit seinen Kabinettsmitgliedern in London zusammen – seit dem Falklandkrieg von 1982 das erste Treffen an einem Samstag. Am Nachmittag gab Cameron, dessen Wahlversprechen ein Brexit-Referendum gewesen war, das Datum für ein solches bekannt: der 23. Juni 2016.
Während Cameron sich der Presse stellte, kam die Nachricht auf, dass sein langjähriger Verbündeter, der Abgeordnete Michael Gove, für den Austritt aus der EU werben werde.
Die zwei Verhandlungstage seien alles andere als glamourös gewesen, gesteht der EU-Ratspräsident Donald Tusk. „Was zählt, ist jedoch, dass alle am Verhandlungstisch geblieben sind“, betont er. „Großbritannien hatte schon immer einen gewissen Sonderstatus in der EU. Das hat das Abkommen heute noch einmal unterstrichen“, so Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.
Gewinner und Verlierer
„Ich brauche das, alles andere wäre Selbstmord“, hatte Cameron den EU-Politikern am Donnerstagmorgen über seinen Einigungsvorschlag gesagt. Diesen konnte er inzwischen deutlich entschärfen.
Auch die Dänen können mit dem neuen Abkommen zufrieden sein. Bei seiner Ankunft auf dem Gipfel verkündete der dänische Premierminister Lars Løkke Rasmussen, sein Ziel sei es, die Indexierung des Kindergeldes für alle Mitgliedsstaaten durchzusetzen. „Endlich haben wir einen Brexit-Deal. Ein gutes Abkommen sowohl für die EU als auch die Briten. Die dänische Seite hat hart gekämpft und eine Indexierung des Kindergeldes für alle Mitgliedsstaaten erreicht. Ein Sieg, für den ich seit Jahren gekämpft habe“, twittert Rasmussen nach dem Treffen.
Durch die Aufschiebung der Sozialleistungsregelung bis 2020 konnten auch die Visegrad-Länder überzeugt werden.
Der belgische Premierminister Charles Michel gab letzten Endes grünes Licht, Großbritannien vom Ziel einer „immer engeren Union“ zu entbinden – einer der Hauptstreitpunkte in den Verhandlungen.
Dieser Artikel erschien zuerst bei unserem Medienpartner EurActiv.de.
Kommentare verfolgen: |