Der Wachrüttler

Kolumne „Ein Brief an Europa“

, von  Nathalie Bockelt

Der Wachrüttler
Papst Franziskus bei seiner Rede vor dem Europäischen Parlament 2014. © European Union 2014 - European Parliament.

Der Brief an Europa von Nathalie Bockelt geht in dieser Woche an ein Kirchenoberhaupt, das Zeichen für eine bessere Welt setzen möchte: Papst Franziskus.

Seine Heiligkeit, Papst Franziskus,

das Christentum steht für Versöhnung und Nächstenliebe, doch es ist bemerkenswert, wenn ein Kirchenoberhaupt diese Werte nicht nur predigt, sondern wahrhaftig lebt. Ich selbst bin evangelisch, und wir Protestanten glauben eigentlich nicht an den Papst. Und doch empfinde ich „Habemus papam“ dank Ihnen nicht mehr als die lateinische Bestätigung einer erfolgreichen Papstwahl, sondern als gelebte Realität. Die Kirche hat ein Oberhaupt, das sich um die Bedürfnisse der Gläubigen sorgt, die Einheit der Kirche voranbringen und den Weltfrieden herstellen will.

Immer wieder rütteln Sie Staats- und Regierungschefs mit Ihren politischen Mahnungen wach. Den Klimawandel dürfe man nicht länger kommenden Generationen überlassen, forderten Sie während Ihrer USA-Reise im vergangenen September. Vielen Amerikanern gab das zu denken. Auf internationaler Ebene prangern Sie mit Recht die immer größer werdende Schere zwischen Arm und Reich an. Ihre Thesen sind dabei oft marxistisch angehaucht, doch auch Befürworter des Kapitalismus wissen, dass das System nicht nur Gewinner produziert.

Dieses Wochenende nun besuchen Sie Flüchtlinge auf der griechischen Insel Lesbos. Nähe und Solidarität wollen Sie ihnen und dem griechischen Volk zeigen, und mit einem Totengebet jene ehren, deren Reise auf dem Mittelmeer ein qualvolles Ende nahm. Ein starkes Zeichen, mit dem Sie Europa an seine humanitären Grundwerte erinnern werden. Auch kirchlich ist Ihre Reise bemerkenswert, herrscht in der Flüchtlingskrise zwischen den europäischen Kirchen doch fast so wenig Zusammenarbeit wie zwischen den Regierungen.

An Kritik mangelte es Ihnen in der Vergangenheit nicht. Sie würden nicht streng genug an den Lehren der Kirche festhalten und die Kirche mit Reformen überrumpeln, heißt es. Doch ist es dafür nicht höchste Zeit? Die Welt ist im Wandel, und die Kirche kann dies als jahrhundertealte Institution nicht ignorieren. Sie sind kein radikaler Doktrinär, sondern fordern aufrichtige Debatten über kontroverse Themen: Scheidung, Homosexualität, Klimawandel. „Wer bin ich, das zu verurteilen“, sagten Sie 2013 über die Homo-Ehe, und gaben somit Millionen Menschen endlich den Seelenfrieden, der ihnen viel zu lange verwehrt geblieben war.

Ich hoffe, dass Sie auch in Zukunft ihrem Herzen folgen und die Welt zu einem besseren Ort machen werden.

Hochachtungsvoll,

Nathalie Bockelt


In „Ein Brief an Europa“ schreiben unsere Autorinnen und Autoren wöchentlich einer Person oder Institution, die zum Zeitpunkt der Kolumne im europäischen Rampenlicht steht.


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