Gleich zu Beginn ihrer Amtszeit hatte es die Kommission unter der Leitung von Jean-Claude Juncker nicht leicht. Der Ukrainekonflikt war und ist eine diplomatische und geopolitische Herausforderung. Gleichzeitig macht er wieder einmal Europas Abhängigkeit von Öl- und Gasimporten aus Russland und einigen Drittländern deutlich. Laut Kommission wird in der Europäischen Union aktuell die Hälfte der benötigten Energie importiert. Im Baltikum zum Beispiel sind es sogar 80 Prozent. Russland nutzt diese Macht in Konfliktsituationen strategisch aus, indem regelmäßig gedroht wird, den Gashahn abzudrehen.
Ein Zeichen für die Pariser Klimakonferenz
Auf der Klimakonferenz COP21, die Ende November in Paris stattfindet, sollen weltweit verbindliche Klimaziele vereinbart werden. Die Europäische Union nimmt bezüglich Reduktion der Treibhausgasemissionen eine Vorreiterrolle ein, die es durch eine Modernisierung der Energiepolitik zu festigen gilt. Durch die Berufung gleich zweier Kommissare für den Energiesektor, Maroš Šefčovič und Arias Cañete, versucht die Brüsseler Exekutive diese Herkulesaufgabe einer europaweit grünen Energieerzeugung zu stemmen.
Die Versorgungssicherheit ist ein oberstes Ziel der Energieunion. Dazu soll die Abhängigkeit der Mitgliedsländer gegenüber Drittstaaten reduziert und der Energiebinnenmarkt weiter ausgebaut werden. Šefčovič hat angekündigt, im Herbst eine Strategie zur Diversifizierung der Energiequellen präsentieren zu wollen, um eventuellen Engpässen vorzubeugen. Die Hauptideen der Strategie sind vorhersehbar: so sollen die Gasleitungen nach Skandinavien, insbesondere Norwegen, sowie im Mittelmeerraum und Osteuropa ausgebaut werden. Grenzübergreifende Zusammenarbeit soll gefördert werden, sodass sich Überschüsse und Engpässe besser ausgleichen. Dazu soll der innereuropäische Energiemarkt auch auf politischer Ebene enger aufeinander abgestimmt werden und nationale Märkte besser vernetzt werden.
Eine Reform des Emissionshandels?
Des Weiteren strebt die Kommission eine Reform des europäischen Emissionshandelssystem (EHS) an. Das EHS wurde eingeführt, um CO2-Emissionen durch Zertifikate - das heißt handelbare Emissionsrechte - quantifizierbar zu machen. Das EHS ist somit ein marktbasiertes Instrument zur CO2-Reduktion. Allerdings herrscht auf dem Markt ein Überangebot an Zertifikaten, was den Preis und somit den Anreiz, in grüne Lösungen zu investieren, senkt. Im Juli 2015 hat die Kommission daher ein Reformprojekt zur besseren Regulierung des EHS präsentiert, was die Einhaltung der Klimaziele der EU beschleunigen soll.
Auch die Verbraucher werden in das Projekt miteinbezogen, indem mehr Partizipation durch ein transparentes Tarifsystem ermöglicht wird. Die Wahlmöglichkeiten bei der privaten Energieversorgung sollen verbessert werden, sowie die Selbstversorgung gefördert werden.
Die Energieunion steht dennoch vor Herausforderungen. Der Kommission fehlt es schlicht an Kompetenzen für mehrere dieser Maßnahmen. Auch wenn ein gesamteuropäisches Interesse an einer Energieunion besteht, divergieren die Interessen der Mitgliedsstaaten in der Energiepolitik sehr. Großbritannien und Polen sind zum Beispiel gegenüber Fracking positiv aufgeschlossen, wobei Frankreich und andere Staaten der Technik mit Skepsis begegnen. Die Zukunft der Kohle- und Atomkraftwerke spaltet ebenfalls die Geister. Auch wenn die Kommission einer gemeinsamen Energiepolitik entgegenstrebt, bleiben die Länder die eigentlichen Entscheider über ihre Energieproduktion. Die Kommission kann hier versuchen, zu vermitteln und einen gemeinsamen Nenner zu finden. Im Hinblick auf die Geschichte stehen die Zeichen gut: den Grundstein der heutigen EU legte die gemeinsame Energiepolitik der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl.
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