Die EU rückt militärisch näher zusammen

, von  Steffen Stierle | Euractiv.de

Die EU rückt militärisch näher zusammen
Bundeswehrsoldaten Foto: Flickr / Bundeswehr / CC BY-ND 2.0-Lizenz

Nach Brexit-Votum und Trump-Wahl 2016 rückte die Verteidigungsunion ins Zentrum der EU-Integrationspläne. Beim EU-Gipfel Ende letzter Woche wurden offenbar Fortschritte erzielt.

Im Krisenjahr 2016 legten die nach dem Brexit verbleibenden 27 EU-Mitgliedsstaaten viel Wert darauf, sich geschlossen zu zeigen und zwecks Stabilisierung rasch die Zusammenarbeit zu vertiefen. Die Schwerpunkte hierfür wurden im so genannten Bratislava-Fahrplan festgelegt. Ein zentraler Aspekt ist der Themenblock „Sicherheit und Verteidigung“. Das wiederum dürfte auch damit zu tun haben, dass die US-Außenpolitik unter Donald Trump unsteter und unzuverlässiger geworden ist.

Dass man sich nicht auf eine vollständige Übertragung der verteidigungspolitischen Kompetenzen auf die EU-Ebene verständigen können wird, zeigt sich in den anschließenden Debatten jedoch recht schnell. Zu wenig fortgeschritten ist die politische Integration der EU. Zu groß die gegenwärtigen Interessenkonflikte zwischen den Mitgliedsstaaten.

Stattdessen setzt man nun auf einen systematischen Ausbau der Kooperation bei einzelnen Projekten. Deutschland und Frankreich sind bereits vorangegangen, als sie beim gemeinsamen Ministerrat eine stärkere bilaterale Zusammenarbeit auf den Weg brachten, die unter anderem die Entwicklung von Kampfjets, einer neuen Generation von Kampfpanzern und einer „Euro-Drohne“ umfasst.

Unter dem Label der Ständigen strukturierten Zusammenarbeit, kurz und englisch: PESCO, soll diese Art der projektbezogenen Kooperation im Verteidigungsbereich auf die gesamte EU ausgedehnt werden. Das geht so: Alle EU-Mitgliedsländer machen auf freiwilliger Basis rüstungspolitische Zusagen, zu denen sie sich dann verpflichten. Rüstungsprojekte, die für mehrere Mitgliedsstaaten interessant sind, werden von diesen gemeinsam gestartet. Sie gelten dann als EU-Projekte, auch wenn nicht alle Mitgliedsstaaten dabei sind. Zugleich füttern die Mitgliedsstaaten gemeinsam einen Verteidigungsfonds, bei dessen Ausgaben wiederum Projekte aus der strukturierten Zusammenarbeit Priorität genießen. So sollen nach und nach mehr gemeinsame Verteidigungskapazitäten aufgebaut werden.

Ganz im Sinne des „Europas der mehreren Geschwindigkeiten“ also. Das ist im Lissabon-Vertrag, auf dem PESCO rechtlich beruht, ausdrücklich so vorgesehen. Dort heißt es in Artikel 42/6: „Die Mitgliedstaaten, die anspruchsvollere Kriterien in Bezug auf die militärischen Fähigkeiten erfüllen und die im Hinblick auf Missionen mit höchsten Anforderungen untereinander weiter gehende Verpflichtungen eingegangen sind, begründen eine Ständige Strukturierte Zusammenarbeit im Rahmen der Union.“

Bereits im Juni vereinbarte der Europäische Rat, dass die Mitgliedsstaaten bis Ende 2017 ihre Verpflichtungen mitteilen sollen. 2019 sollen erste gemeinsame Projekte gestartet werden. Vergangene Woche zeigte sich der Rat dann mit den bisherigen Fortschritten sehr zufrieden.

Es scheint möglich zu sein, den Zeitplan weiter zu straffen. So heißt es im Abschlussdokument des Gipfels: „Der Rat verweist auf seine Schlussfolgerungen vom Juni 2017. Er begrüßt die erheblichen Fortschritte, die die Mitgliedstaaten bei der Ausarbeitung einer Mitteilung zur Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (PESCO), einschließlich einer gemeinsamen Liste von Verpflichtungen, sowie bezüglich der PESCO-Steuerung erzielt haben. Er ermutigt die Mitgliedstaaten, die dazu in der Lage sind, dem Rat und der Hohen Vertreterin rasch ihre Absicht zur Teilnahme an der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit mitzuteilen. So könnte die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit noch vor Ende des Jahres eingeleitet werden, mit dem Ziel, die Verpflichtungen rasch zu erfüllen, einschließlich der Einleitung erster Projekte.“

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen gibt sich zuversichtlich, dass über PESCO große Schritte in Richtung Verteidigungsunion gemacht werden können. Bezüglich konkreter Projekte im PESCO-Rahmen nannte sie in einem Videostatement unter anderem die Schaffung eines europäischen, mobilen Krankenhauses, eines gemeinsamen militärischen Logistiknetzes, einer gemeinsamen Offiziersausbildung und eines gemeinsamen Trainingszentrums für bestimmte militärische Missionen.

Jürgen Hardt von der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag bezeichnete PESCO als Meilenstein der Europäischen Integration: „“Die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag begrüßt die Eckpunkte zur Teilnahme an der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit. Diese ist ein zentraler Baustein zur Vertiefung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union. Es liegt im ureigenen deutschen Interesse, dass sich Europa auch im Bereich der Außenpolitik und Verteidigungsfähigkeit weiterentwickelt. Am Ende bedeutet das mehr Sicherheit für alle Bürgerinnen und Bürger.“

DIE LINKE hingegen befürchtet eine weitere Spaltung zwischen einem Kerneuropa und dem Rest: „Merkel und Macron wollen künftig alle wesentlichen Details zentraler Rüstungsprojekte zunächst im Alleingang definieren, diese dann über den PESCO-Mechanismus für einige wenige EU-Länder öffnen und in den EU-Rahmen überführen. Gleichzeitig wird der Großteil aber ausgeschlossen.“, sagte die EU-Parlamentarierin Sabine Lösing. Eine solche Machtkonzentration auf militärischer Ebene sei fatal, zumal alle über die Finanzierung des Verteidigungsfonds die Folgen mittragen müssten.

Die nächste offizielle Tagung des Europäischen Rates wird im Dezember stattfinden. Dann steht das Thema Ständige strukturierte Zusammenarbeit erneut auf der Tagesordnung.

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