„Die Europäer sind gefordert“

Interview mit dem neuen JEF-Bundesvorsitzenden David Schrock

, von  David Schrock, Marcel Wollscheid

„Die Europäer sind gefordert“
Der JEF-Bundesvorsitzende David Schrock. Foto: privat, zur Verfügung gestellt für treffpunkteuropa.de

Im November 2014 hat David Schrock (30) das Amt als Bundesvorsitzender der Jungen Europäischen Föderalisten (JEF) übernommen. Im Interview mit treffpunkteuropa.de spricht der hauptberufliche Lehrer aus Münster über die Perspektive der JEF, Lehren der Geschichte, Wladimir Putin und die Strahlkraft der europäischen Idee.

treffpunkteuropa.de: David Schrock, seit knapp 100 Tagen bist du nun Bundesvorsitzender der Jungen Europäischen Föderalisten. Bitte beschreibe deine bisherige Erfahrung im neuen Amt mit drei Worten.

Kennenlernen, Entscheiden, Kommunizieren.

Ziele für die Jungen Europäischen Föderalisten

Welche Ziele hast Du Dir für deine Amtszeit gesteckt?

Die JEF wächst weiter, aber regional sehr unterschiedlich. Wir wollen also, dass positive Beispiele aus Landesverbänden wie BaWü, S-H und NRW auf den Rest des Verbands ausstrahlen und dafür die Rahmenbedingungen schaffen. Dazu zählt die Schaffung einer gemeinsamen Identität, die Diskussion über das Logo der JEF Europe, die Debatte über eine gemeinsame Farbgebung etc. Außerdem ist die Möglichkeit des Onlinebeitritts auf der Bundeshomepage und für kleinere Verbände seit Jahren überfällig. Wir sind außerdem in der Verpflichtung, die Finanzen des Bundesverbands besser zu kommunizieren. Als ehemaliger Landesvorsitzender ist mir aufgefallen, wie wenig im Gesamtverband Bewusstsein darüber herrscht, woher die JEF überhaupt ihr Geld bekommt und welche Zukunftsfragen damit verbunden sind. In Zeiten allgemeiner Sparmaßnahmen in öffentlichen Haushalten hängt von solchen Fragen die Unabhängigkeit unseres Verbands ab.

Darüber hinaus wollen wir inhaltliche Positionen stärker zu Entscheidern tragen als bisher. Zu diesem Zweck haben wir das Parlamentarische Europaforum im Bundestag mit den EUD-Bundestagsabgeordneten wiederbelebt.

Wichtig ist mir auch, den Kontakt zur Europa-Union zu intensivieren. In den oben genannten Verbänden klappt das schon sehr gut und auch in anderen kleineren wie dem Saarland, aber andere EUD-Landesverbände sehen uns noch immer eher als überflüssigen Separatverein, der doch lieber beim „Original“ mitmachen solle. Da gibt es noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Es trägt aber auch erste Früchte, die Delegation zum Bundeskongress der Europa-Union aus BaWü zum Beispiel ist gespickt mit JEFern und ehemaligen JEFern. Das gibt mir Hoffnung für die Verjüngung des Gesamtverbands.

Du arbeitest als Lehrer für Geschichte, Politik und Sozialwissenschaft an einer Schule in Nordrhein-Westfalen. Was wissen deine Schüler über die Europäische Union?

Meine Schüler wissen darüber sehr wenig. Politische Bildung im Allgemeinen hat wenig bis gar keinen Stellenwert im NRW-Schulsystem, aber ich glaube, dass wir als Bundesland uns in „guter“ Gesellschaft befinden. Ohne es repräsentativ belegen zu können, würde ich behaupten, dass mindestens die Hälfte der Schüler am Ende der zehnten Klasse in NRW die Frage „Wer wählt den Bundeskanzler?“ nicht korrekt beantworten könnte. Wenn solches Wissen schon nicht vorhanden ist, hat es die Europäische Union sehr schwer. Nichtsdestotrotz binde ich das Thema natürlich in meinen Unterricht ein und europäisiere Themen, bei denen man das vor zehn Jahren vor der Finanzkrise noch nicht getan hätte. Die Gemeinsamkeiten und auch Abhängigkeiten tauchen täglich in den Nachrichten auf, es ist die Aufgabe von Schule, das zu erklären. Das versuche ich, habe aber dafür innerhalb einer Woche nur sehr wenig Zeit.

„Die EU ist nicht perfekt“

Sollte dich ein Schüler fragen, wozu es die europäische Integration braucht, was würdest du antworten?

Die Europäische Union ist die Chance, dass all jene Werte, die uns auch in Deutschland wichtig sind, auch im 21. Jahrhundert noch einen Fürsprecher in der Welt haben. Die EU ist nicht perfekt, das kann man gerade aktuell bei den Flüchtlingsdramen im Mittelmeer und auch hier bei uns vor Ort wieder sehr deutlich sehen. Es gibt aber keinen Ort auf der Welt, wo man einen höheren Standard an Menschenrechten und Wohlstand für die Breite der Bevölkerung findet, auch wenn das Südeuropäer in Griechenland, Spanien und Portugal vermutlich momentan so nicht unterschreiben würden. Wenn wir diese Errungenschaften aber dennoch erhalten wollen, müssen wir für deren Verteidigung auch etwas tun. China will beweisen, dass Wohlstand ohne Demokratie möglich ist. Das ist eine Herausforderung, die wir nur gemeinsam als Europäer bestehen können.

Apropos Geschichte: Viele Akteure verweisen in diesen Tagen auf Lehren der Historie. Angela Merkel betont den „langen Atem“ der Diplomatie, den die deutsche Teilung erforderte. Der US-Senator John McCain wirft der deutschen Kanzlerin dagegen Appeasement nach dem historischen Vorbild Chamberlain vor. Russlands Außenminister Sergej Lawrow legitimierte die Krim-Annexion in einem Vergleich mit der Wiedervereinigung Deutschlands – dort hätte es nicht einmal ein Referendum gegeben. Wie hilfreich ist der Blick in die Geschichte für die politischen Entscheidungen von heute?

Es gibt keinen wichtigeren Maßstab. Jede zu treffende Entscheidung hat in der einen oder anderen Form einen ähnlichen Vorläufer in der Geschichte. Die Reaktion auf die Finanzkrise 2008 wäre ohne den Vorläufer 1929 deutlich verheerender verlaufen, auch wenn das viele Schwarzmaler heute nicht hören wollen. Das Problem ist: wenn ich mich an historischen Fällen orientiere, aus Fehlern lerne und diese dann nicht erneut auftreten sagen alle: „Was habt ihr euch so aufgeregt, es ist doch nichts passiert.“ Der Mensch neigt dazu, Probleme erst dann als solche wahrzunehmen, wenn ihm das Wasser bis zum Hals steht. In Bezug auf die Krim-Annexion ist das sehr deutlich. Ich habe das schon mehrfach gesagt, werde aber immer wieder von historisch unwissenden, gleichwohl politisch gebildeten Menschen dafür gescholten. Putins Verhalten auf der Krim und auch jetzt in der Ostukraine hat frappierende Ähnlichkeiten zur Außenpolitik Hitlers in der Sudetenkrise 1938. Womit ich übrigens nicht sage, dass Putin in irgendeiner Form ideologisch mit Hitler zu vergleichen wäre.

Es drängt sich nur bisweilen der Eindruck auf, dass Putin offenbar gut gelernt hat, wie man Gebiete annektiert, ohne eine Grenze zu überschreiten, dass ausländische Mächte militärisch oder durch strengste Wirtschaftssanktionen selber eingreifen, um das Völkerrecht zu schützen. Ich glaube übrigens, dass Angela Merkel aus ihrer Erfahrung der DDR sehr gut weiß, zu was autoritative und quasi-diktatorische Regime in der Lage sind. Sie ist definitiv nicht der Chamberlain unserer Zeit.

„Putins Verhalten hat frappierende Ähnlichkeiten zur Außenpolitik Hitlers 1938“

Der Ukraine-Konflikt dauert mittlerweile über ein Jahr an – das Ende ist nicht absehbar. Warum ist dieser Konflikt für die Europäer von Bedeutung?

Die EU wollte mit der Ukraine ein Assoziierungsabkommen schließen, um ihre wirtschaftlichen Interessen auszubauen. Das ist ein legitimer Vorgang, der so jedes Jahr zigfach in allen Regionen der Welt vorkommt. Herr Putin und interessanterweise auch zahlreiche Menschen hier bei uns jedoch behaupten, er habe eine Art „Vetorecht“ gegen derartige Entscheidungen einer souveränen Nation. Das hat er natürlich nicht. Als er dann auch noch völkerrechtswidrig einen Teil einer souveränen Nation militärisch erobert hat und das auch noch mit paramilitärischen Kräften, hat Putin ein Prinzip der europäischen Nachkriegsordnung aufgekündigt. Grenzen werden in Europa nicht mehr kriegerisch verschoben. Anfang der 90er Jahre hat die EU im Jugoslawienkrieg schon einmal zu lange gewartet, bevor sie interveniert hat, das wollte man dieses Mal erstens besser machen und zweitens ist der Fall dieses Mal auch anders gelagert, weil eben eine Großmacht (und keine Partei innerhalb einer ehemaligen Nation) Gebietsansprüche mit militärischen Mitteln in Europa durchsetzt und dabei den Rest der europäischen Staaten systematisch anlügt. Polen grenzt direkt an die Ukraine. Der Konflikt ist also direkt vor unserer Haustür und was hindert Putin, dasselbe Vorgehen in einem der baltischen Staaten durchzuführen? Glaubt jemand ernsthaft, die USA würden mit Russland einen Nuklearkrieg wegen Riga oder Vilnius anfangen? Die Europäer sind gefordert, ihre eigene Sicherheit zu verteidigen. Deshalb stellt sich auch die Frage nach einer europäischen Verteidigungspolitik und einer eigenen europäischen Armee völlig neu.

„Russland hat ein Prinzip der europäischen Nachkriegsordnung aufgekündigt“

Wie beurteilst du die deutsch-französische Initiative, die zur Erklärung von Minsk am 12. Februar führte. Haben Angela Merkel und François Hollande hiermit die europäische Außenpolitik von den Vereinigten Staaten emanzipiert?

Ich habe die Initiative sehr begrüßt. Die USA haben in diesem Konflikt nur am Rande Bedeutung. Der Kalte Krieg ist vorüber und er wird auch nicht zurückkehren. Dafür ist Russland auch viel zu schwach im Gegensatz zur Zeit vor 1991, auch wenn sich die die Russen das gerne selber anders einreden. Diplomatie ist das Mittel der Wahl, um den Konflikt zu entschärfen. Gleichzeitig darf Diplomatie natürlich nicht dazu führen, dass Russland Tatsachen schafft, die Europa dann am Ende abnickt, damit der Konflikt beendet ist. Ein Waffenstillstand ist insofern natürlich ein zweischneidiges Schwert, weil er den Konflikt am Kochen hält und Putin alle Optionen offen hält, ihn wieder anzufachen. Der Waffenstillstand kann deshalb nur ein erster Schritt sein auf dem Weg, dass Kiew wieder selbst die Kontrolle über seine Ostgrenzen bekommt. Erst wenn Putin keine Panzer und Soldaten mehr zur Unterstützung der Separatisten über die Grenze schicken kann, wird man auch über eine längerfristige Lösung diskutieren können.

In einem Beitrag auf treffpunkteuropa.de hast du eine harte Haltung gegenüber Russland gefordert: „Die EU muss Putin jetzt zeigen: wir dulden im Jahr 2014 keinen Expansionismus mit dem Schwert mehr und wir sind bereit, uns notfalls mit Waffengewalt gegen diese Bedrohung zu wehren.“ Braucht es dafür eine gemeinsame europäische Armee?

Ich sage ganz entschieden ja. Europa ist wirtschaftlich ein Riese, aber außenpolitisch ein Zwerg. Dieser Satz, den es seit Jahrzehnten gibt, stimmt gerade in der Ukraine- Krise mehr denn je. Die Franzosen und Briten spielen mit den Muskeln, aber seien wir mal ehrlich: beide Nationen sehen sich als deutlich einflussreicher als sie tatsächlich sind. Nur gemeinsam können wir Druck aufbauen, der auf Machtpolitiker wie Putin abschreckend wirkt. Gerade wir Deutschen glauben jedoch, man könnte alles mit Reden und guter Laune klären. Der Säulenheilige der Deutschen, Adenauer, hat die Wiederbewaffnung Deutschlands gefordert, weil er wusste, dass man sonst die Russen einlädt, Expansionismus zu betreiben, gegen den man sich dann nicht wehren könnte. Anfang der 60er Jahre hat auf diese Sicht auch die NATO reagiert. Putin wird nicht durch die Möglichkeit eines großen Nuklearkriegs abgeschreckt, sondern dadurch, dass die Europäer selber in der Lage wären, auf lokale Bedrohungen konventionell zu reagieren. Die Hysterie einer möglichen Eskalation zu einem Nuklearkrieg ist völlig überzogen und bar jeder Vernunft. In diesem Zusammenhang ist es übrigens sehr bedauerlich, dass heute so wenig politisch Interessierte sich mit Theorien der Friedenserhaltung auskennen. Helmut Schmidt hat dazu mit „Verteidigung und Vergeltung“ bereits 1961 ein spannendes Buch geschrieben, das im aktuellen Fall wieder deutlich an Relevanz gewinnt.

„Nur gemeinsam können wir Druck aufbauen“

Die Standpunkte zur Außenpolitik wurden auch innerhalb der JEF kontrovers diskutiert. Wie geht JEF mit einem derart breiten Meinungsspektrum um? Wie siehst du deine Aufgabe als Bundesvorsitzender in einem überparteilichen Verband?

Gelebte Meinungsvielfalt ist der Kern unserer Organisation. Das geht auch gar nicht anders, wenn wir unser Ziel eines Europäischen Bundesstaates erreichen wollen. Wer meint, eine solche Vision gegen das andere politische Lager erreichen zu können ist auf dem Holzweg. Ich bin selbst vor zehn10 Jahren einer Partei beigetreten, meine Mitgliedschaft ruht aber, denn die Themen des 21. Jahrhunderts, Klimawandel, Energiewende, Sicherheit im Zeitalter des Terrorismus, Globalisierung lassen sich nur gemeinsam zufriedenstellend bearbeiten. Gleichzeitig sind klare Positionierungen natürlich auch immer wieder sehr kontrovers. Für meine Einlassungen zur Ukraine-Politik habe ich schon viel Kritik auch aus den eigenen Reihen bekommen, aber die JEF ist auch nicht beliebig, sondern wir setzen uns für die Ziele Frieden, Freiheit und Wohlstand auch sehr nachdrücklich ein. Ich würde mich aber nie zu einem von mir favorisierten Steuersatz in der EU äußern, sondern darauf verweisen, dass wir gerade in der AG Wirtschaft darüber debattieren, wie und auf welche Weise wir stärkere Harmonisierung gutheißen würden. Eine eigene Meinung zu einem bestimmten Thema würde ich mir aber trotzdem nicht verbieten lassen, dann aber darauf verweisen, dass es eben meine Sicht der Dinge ist.

TTIP, Troika, Euro – in der Öffentlichkeit werden diese Schlagworte der Europäischen Union häufig negativ zugeschrieben. Gibt es einen Vertrauensverlust? Wenn ja, was kann dagegen getan werden?

Natürlich gibt es einen Vertrauensverlust, aber die Frage ist, wie persistent dieser ist. Vertrauen baut sich ja auch immer wieder auf, wenn etwas über längere Zeit gut läuft. Die Deutschen sind überwiegend zufrieden mit der EU, aber bei Einzelthemen wie TTIP eben sehr unzufrieden. Ich würde das also nicht zu sehr über einen Kamm scheren. Mein persönlicher Eindruck ist: die Deutschen haben sich nach 1945 in ihrer politischen Haltung sehr stark durch die Zeit von 1933-1945 lenken lassen. „Nie wieder“ ist uns in die Wiege gelegt. Gleichzeitig stirbt die Generation der letzten Zeitzeugen gerade aus und damit natürlich auch die aktiv miterlebenden Warner. Was wir häufig als Vertrauensverlust wahrnehmen ist wohl auch eine normale Entwicklung. Das kann man bedauern, aber man kann es auch positiv sehen, dass die Menschen zum Beispiel mehr direkte Demokratie fordern und keine Angst mehr haben, dass dieses Recht missbraucht werden könnte. Mein Eindruck ist, dass die ältere Generation und die jüngere sich in der politischen Artikulation sehr stark unterscheiden. Die Jungen sind viel weniger befangen, können sich aber weniger durchsetzen, denn sie spüren noch immer die Last der Geschichte und sie sind auch schlicht und ergreifend viel weniger. Bei Wahlen wird uns das noch lange beschäftigen.

„Nur wenn wir Europäer uns besuchen, hat unser Kontinent eine gemeinsame Zukunft“

Wie lassen sich gerade junge Menschen deiner Meinung nach wieder stärker von der europäischen Idee überzeugen? Welche Rolle können die Jungen Europäischen Föderalisten dabei spielen?

Junge Menschen müssen begreifen, wie sie von der EU profitieren und was passieren würde, wenn wir in das Zeitalter der Nationalstaaten zurückfallen würden. Wenn das Verständnis für die Prozesse zunähme, wäre schon viel gewonnen. Begeisterung kann geweckt werden, wenn man Europa erlebt. Durch Austausche in Schule, Ausbildung oder Universität, durch Planspiele wie die SIMEP oder durch Besuche von JEFern in Schulen. Nur wenn wir Europäer uns besuchen, hat unser Kontinent eine gemeinsame Zukunft.

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Marcel Wollscheid.

Ihr Kommentar
  • Am 28. Februar 2015 um 15:04, von  Alexander Peters Als Antwort „Die Europäer sind gefordert“

    WUNSCH UND WIRKLICHKEIT, 1)

    So zutreffend viele der Überlegungen David Schrocks in diesem Interview sind, so bleibt doch ein Widerspruch. Er selbst weist daraufhin, daß die Balten durch die nukleare Abschreckung der Nato in Wahrheit auch nicht besser gegen russische Aggression geschützt sind als die Nicht-NATO-Ukrainer: Weil nämlich niemand glaubt, daß die USA/ der Westen auf ein Auftauchen Putin´scher „grüner Männchen“ in, sagen wir, dem estnischen Narwa wirklich mit nuklearen Schlägen gegen russische Städte reagieren würden. Die Sicherheit Estlands hängt, wie Schrock selbst richtig darlegt, im Grunde allein von der Fähigkeit ab, russische Übergriffe auf das EU-/Natogebiet konventionell am Boden abzuwehren.

    Wenn das aber so ist, kann Schrocks Behauptung, „die USA haben in diesem Konflikt nur am Rande Bedeutung“, nicht richtig sein. Denn nicht nur die nukleare, sondern auch die konventionelle Verteidigung Europas liegt heute fast allein auf US-amerikanischen Schultern. Wenn irgendetwas Putin von militärischen Abenteuern in Ost-Europa abhält, dann ist das höchstens die Furcht vor einem Konflikt mit U.S.-Streitkräften, aber ganz sicher nicht die vor einer Bundeswehr, der von den 5.000 Panzern des Kalten Krieges keine 300 geblieben sind, die Probleme mit dem Lufttransport hat, die die fehlende Bewaffnung ihrer Fahrzeuge für die Nato-Eingreiftruppe mit Besenstielen (!) simuliert und die, aus Steinmeier-Angst vor „Eskalation“, bedrohten E.U.- und Bündnispartnern Truppen- und Waffenunterstützung verweigert. Europa ist jetzt und auf lange Zeit für seinen Schutz völlig von Washington abhängig, weshalb - „fuck the EU“ - am Ende dort und nicht in Brüssel über die zukünftige Gestalt Osteuropas entschieden werden wird.

    David Schrock verwechselt Wunsch und Wirklichkeit. In der Tat SOLLTE ein geeintes Europa neben den U.S.A. die zweite große Kraft des Westens sein, eine demokratische Großmacht ohne die soziale Ungleichheit, ökologische Gewissenlosigkeit, Rechtsstaatsvergessenheit und Gewaltbereitschaft Amerikas - eine Demokratie ohne Konzernallmacht, Todesstrafe, Guantanamo, Drohnenmorde und Blackwater-Söldner. Europa aber IST heute diese zweite große Kraft des Westens NICHT, sondern ist - durch eigene Schuld - nur das hilflose Anhängsel der allein maßgeblichen U.S.A.

    — > Forts.

  • Am 28. Februar 2015 um 15:12, von  Alexander Peters Als Antwort „Die Europäer sind gefordert“

    WUNSCH UND WIRKLICHKET, 2)

    (Forts.)

    1989/ 91 erhielten die Europäer die Chance zur Wiedergewinnung ihrer 1945 verlorenen politischen Unabhänggigkeit. - Sie haben sie sinnlos vertan. Anstatt die politsche Union zügig voranzutreiben, zogen sie sich - gerade auch Schröder-/Merkel-Deutschland - in die nationale Selbstzufriedenheit zurück. Anstatt nun, da es möglich war, sich wieder selbst um die Verteidigung des eigenen Gebietes zu kümmern, verharrten sie bequem in der liebgewordenen Rolle des militärischen Pflegefalles, der sich vom amerikanischen Pfleger umsorgen läßt. Noch ganz besondere Verdienste um die Schädigung der demokratisch-europäischen Sache erwarb sich in jenen Jahren schließlich Deutschland: Durch die Ostunpolitik der Gashandelsfirma SPD trug es zum Sieg des verbrecherischen Putin-Regimes über die russischen Demokraten bei und fütterte jenen russischen Eroberungsmilitarismus auf, vor dem jetzt ganz Europa zittert.

    Ein politisch ungeeintes und militärisch zahnloses Europa wird in dieser Welt keine Freiheit und keinen Frieden haben und seinen Werten nicht treu bleiben können - hierzu haben die Europäer im verflossenen Vierteljahrhundert wirklich genug Lektionen erhalten: die Ohnmacht in den Jugoslawienkriege ab 1991, während Bushs Irak-Krieg 2004, gegenüber Rußlands Georgienkrieg 2008, gegenüber der Drangsalierung durch Gazprom und zuletzt durch die NSA. Keine der vielen Warnungen aber hat die Europäer aus ihrem seligen Dummheitsschlaf und den süßen „Soft-Power“-Träumen erwecken können - jetzt bekommen sie eben die Rechnung für 25 Jahre Realitätsverweigerung.

  • Am 2. März 2015 um 23:34, von  Ludger Wortmann Als Antwort „Die Europäer sind gefordert“

    Lieber Alexander, du hast auf ganzer Linie Recht. Viele Grüße Ludger

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