Der Konflikt um eine effektive Eurokrisenpolitik spaltet die politischen Lager. Im linken Spektrum mehrt sich die Kritik an der Austeritätspolitik und den damit verbundenen staatlichen Sparmaßnahmen. Die sozialistische Regierung Frankreichs argumentiert, dass eine zu drastische Sparpolitik der heimischen Wirtschaft schadet. Die Konservativen wiederum warnen vor einer wachsenden Staatsverschuldung und der damit verbundenen Gefährdung für den Euroraum. Der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker entfacht die Debatte um staatliche Investitionsprogramme erneut. Er schlägt vor, die Gelder der Mitgliedstaaten aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) als Konjunkturspritze für die Märkte der Krisenstaaten zu verwenden. Bisher ist ungewiss, inwieweit dieser Vorschlag umgesetzt wird. Sicher ist: es geht um europäisches Steuergeld. Und zwar um viel davon.
Der europäische Stabilitätsmechanismus
Die Mitgliedstaaten der Eurozone verstießen in den Krisenjahren gegen die No-Bailout Klausel, um die Krisenstaaten unter Ihnen zahlungsfähig zu halten. Teil dieser Politik war die Ratifizierung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), der 2012 zusammen mit dem Fiskalpakt unterzeichnet wurde. Der ESM ist heute ein Finanzinstitut mit Sitz in Straßburg. Seine Aufgabe: Überschuldete Eurostaaten vor der Pleite zu bewahren. Das Geld dafür erhält er direkt von dem Mitgliedsstaaten. Das Grundkapital des ESM umfasst 700 Milliarden Euro - hinzu kommen Bürgschaften in Höhe von 620 Milliarden Euro. Im Ernstfall beläuft sich die Belastung des deutschen Steuerzahlers auf 190 Milliarden Euro – wenn nicht sogar zusätzliches Kapital nachgefordert werden muss. Nur zwei Jahre nach der Ratifizierung wird in Brüssel laut darüber nachgedacht die Milliardensummen zur Lösung nationaler wirtschaftlicher Probleme umzuverteilen.
Zwei Fliegen mit einer Klappe
Mit seinem Vorschlag will Juncker sowohl die staatliche Haushaltskonsolidierung fortsetzen als auch staatliche Investitionsprogramme ermöglichen. Die Gelder aus dem ESM könnten die Krisenstaaten dazu nutzen ihre nationalen Wirtschaftsräume zu stimulieren, um die Konjunktur anzukurbeln. Sie müssten dazu keine Staatsanleihen am freien Geldmarkt platzieren und eine damit verbundene erhöhte Neuverschuldung riskieren. Das Resultat wäre ein Wachstumsimpuls ohne erhöhte Staatsschulden. Was für die krisengebeutelten Peripheriestaaten der EU einer Traumvorstellung gleicht, ist aus juristischer Sicht hochumstritten.
Protest von allen Seiten
Schon die Ratifizierung des ESM-Vertrages wurde von heftigen gesellschaftlichen, politischen und juristischen Kontroversen begleitet. Vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht klagten die Bundestagsfraktion der Linken, konservative Abgeordnete und Ökonomen. Die Linke kritisierte in erster Linie die drastischen Sparmaßnahmen im sozialen Sektor, die den Staaten im Austausch für die Hilfskredite verordnet werden sollen. Aus dem konservativen Lager kam Kritik an der Höhe der Haftungsverpflichtung der Bundesrepublik. Aus demselben Milieu rekrutierte sich das Personal, welches später die euroskeptische Partei AfD (Alternative für Deutschland) gründete. Die Kritiker sahen den ESM als Vorbote einer künftigen Schulden- und Transferunion. Junckers aktueller Vorstoß zeigt, dass diese Prognose richtig war.
Noch wehren sich die Geberländer
Junckers Vorschlag stößt in Deutschland auf Ablehnung. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble betonte, dass die Gelder aus dem ESM ausschließlich dazu diehnen sollen im Ernstfall den betroffenen Staat vor der Pleite zu bewahren. Für anderweitige Nutzung müsste zuerst eine Vertragsänderung erfolgen. Die Christdemokraten wissen, dass eine Fortsetzung der Krisenpolitik mit deutschen Steuergeldern unter den Wählern unpopulär ist. Der bayrische Wirtschaftsminister Markus Söder warnt deshalb: „Das wäre in der Tat ein Konjunkturprogramm – aber nicht für Europa, sondern für die AFD.“
Die Geburt der Transferunion
Mit dieser protektionistischen Haltung sperrt sich die deutsche Politik vorläufig vor weiteren Transferzahlungen an die Krisenstaaten der Eurogruppe. Langfristig wird das Thema somit aber lediglich aufgeschoben. Je länger die Wirtschaftskrise andauert, desto lauter werden die Rufe nach staatlichen Wachstumsimpulsen durch die Mitgliedstaaten werden. Mit der Einführung des ESM und den Plänen zur Zweckentfremdung der Gelder forciert Brüssel deshalb eine europäische Transferunion.
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