Ein Christdemokrat als Nachfolger von Frans Timmermans in der Europäischen Kommission.
Der Rücktritt des Vizepräsidenten und Klimakommissars Frans Timmermans am 22. August hinterließ einen freien Platz in der Europäischen Kommission. Der Architekt des „European Green Deals“ hat sich entschieden, Brüssel zu verlassen, um bei den niederländischen Wahlen im November 2023 eine sozialdemokratische Liste anzuführen. Er will damit die Nachfolge des amtierenden Premierministers Mark Rutte antreten. Rutte selbst musste daher entscheiden, wer in Brüssel als neuer niederländischer Kommissar vorgeschlagen werden sollte. „Nach Beratungen innerhalb der Regierung und mit der Präsidentin der Europäischen Kommission“ fiel die Wahl des Premierministers daher auf Außenminister Wopke Hoekstra, wie Rutte auf einer Pressekonferenz bekannt gab. Der 47-Jährige, der auch stellvertretender Ministerpräsident ist, war seit 2020 Vorsitzender der Partei Christlich-Demokratischer Appell (die auf europäischer Ebene der EVP angehört) und wurde eine Zeit lang als Spitzenkandidat seiner Partei für die Wahlen im November gehandelt.
Eine Entscheidung, die von Kommissionspräsidentin Von der Leyen unterstützt und verteidigt wurde
Während Wopke Hoekstra auf die Unterstützung von Mark Rutte zählen konnte, der ihn in der Pressekonferenz als „jemanden mit internationaler Erfahrung in Verhandlungen und Annäherung“ vorstellte, kann sich der designierte Kommissar auch auf das Vertrauen der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula Von der Leyen, stützen. Nach einem Gespräch zwischen den beiden bestätigte die Kommission ihre Absicht, den niederländischen Chefdiplomaten dem Rat der EU und dem EU-Parlament als Kommissar für Klimaschutz vorzuschlagen. In einer am 30. August 2023 veröffentlichten Erklärung betonte die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, „eine starke Motivation für diesen Posten und eine große Verbundenheit mit der Europäischen Union. Hoekstra verfüge auch über die erforderliche Berufserfahrung und von der Leyen fügte hinzu:“Seine Regierungserfahrung wird ein großer Vorteil sein, insbesondere für die Klimadiplomatie Europas im Vorfeld der COP 28 in Dubai". Wenn seine Kandidatur von den Europaabgeordneten bestätigt wird, muss der neue Kommissar die Stimme der Europäischen Union auf der Klimakonferenz Ende des Jahres vertreten.
Kritik an seiner früheren Haltung gegenüber Südeuropäischen Ländern
Zunächst stieß die Ernennung von Wopke Hoekstra zum EU-Kommissar bei Vertreter*innen südeuropäischer Länder auf Kritik. Wie Les Echos berichtet, wurde er zu seiner Zeit als Finanzminister, bevor er das Außenministerium übernahm, bei den Verhandlungen über das europäische Konjunkturprogramm im Sommer 2020 als „Monsieur Non“ bezeichnet. Seine Haushaltsdisziplin und seine Absicht, eine europäische Untersuchung einzuleiten, „um festzustellen, warum einige EU-Mitgliedstaaten keinen Haushaltsspielraum hätten, um die aktuelle Gesundheitskrise zu bewältigen“, veranlassten den portugiesischen Premierminister Antonio Costa, das Verhalten des niederländischen Ministers als „widerlich“ zu bezeichnen. In diesem Punkt verteidigte Mark Rutte seine Entscheidung auf der Pressekonferenz: „Ich denke, dass wir dieses Problem im Juli 2020 gut gelöst haben, mit einem anständigen Kompromiss, den Hoekstra und ich voll und ganz unterstützen“. Der Premierminister bezog sich dabei auf das Konjunkturpaket in Höhe von 750 Milliarden Euro, auf das sich der Europäische Rat damals geeinigt hatte.
Umweltverbände weisen auf seine Vergangenheit beim Ölkonzern Shell und sein mangelndes Engagement für den Klimaschutz hin
Wopke Hoekstra ist auch im Visier mehrerer Umweltorganisationen wie Friends of the Earth. Deren Vorsitzende Jagoda Munic bedauerte, dass der designierte Kommissar „keine Vorgeschichte im Klimaschutz“ habe. Sie zielt damit auf die Vergangenheit des Mannes ab, der vor seinem politischen Engagement für den Ölriesen Shell und die amerikanische Beratungsfirma McKinsey gearbeitet hatte: „Einen ehemaligen Mitarbeiter von Shell zu ernennen, um die Klimapolitik Europas zu leiten, während wir eine von der fossilen Brennstoffindustrie ausgelöste Klimakrise erleben, ist eine traurige Botschaft“, so Munic.
We willen Woppert niet als klimaatbaas. Teken de petitie op: https://t.co/WocecpEP5I pic.twitter.com/7DueIQ6oFh
— Hannah Prins (@prins_hannah) September 14, 2023
Auch die Fraktionen der Grünen und der Sozialdemokrat*innen im Europäischen Parlament äußerten sich skeptisch über die Wahl des neuen Kommissars. Die S&D-Fraktion, der der scheidende Kommissar Frans Timmermans angehörte, kritisierte in einer Erklärung, dass der Ausschuss ein Mitglied der EVP für das Klimaressort gewählt habe: „Für unsere Fraktion ist es unerlässlich, dass das Klimaressort in den Händen der politischen Familie der S&D bleibt.“ Die Fraktion fügt hinzu, dass, wenn Hoekstra auf die Unterstützung der sozialdemokratischen Fraktion zählen will, „er über jeden Zweifel hinaus sein Engagement für die europäischen Werte und insbesondere für die Solidarität als Eckpfeiler unserer Union unter Beweis stellen muss“.
Eine Ernennung, die noch vom Europäischen Parlament bestätigt werden muss
Wopke Hoekstra wird nun am 2. Oktober [1] seine „große mündliche Anhörung“ vor den Europaabgeordneten ablegen müssen. Er muss von einer Zweidrittelmehrheit der Koordinator*innen des Umweltausschusses in seinem neuen Amt bestätigt werden, wie Pascal Canfin (Renew Europe) klarstellte. Die S&D Fraktion hat ihm bereits eine „harte“ Anhörung versprochen. Im Sinne der Entschärfung bestätigte Kommissar Maros Sefcovic, der den Green Deal nach dem Rücktritt von Timmermans geerbt hat, dass die Klimaziele der EU unverändert bleiben und nicht verwässert würden. Die Zukunft von Wopke Hoekstra in der EU-Kommission liegt nun in den Händen des Europäischen Rates und des Parlaments, die beide die von der Kommission getroffene Wahl bestätigen müssen.
Sollte die Nominierung bestätigt werden, wird die Amtszeit des neuen Kommissars sowieso nicht lange dauern, da die Erneuerung der EU-Exekutive nach den Europawahlen 2024 stattfinden soll. Es sei denn, er wird in der künftigen Kommission erneut nominiert.
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