Wenige Wochen vor der Wahl kommt der Europawahlkampf der größten europäischen Parteien auf Hochtouren. Erstmals seit 1979 treten europäische Spitzenkandidaten im Kampf um den Kommissionsvorsitz gegeneinander an. Vorbei sein sollen damit die Zeiten, in denen die Europawahl von weiten Teilen der Bevölkerung als Wahl „zweiten Ranges“ abgetan wurde. Durch die Fokussierung auf Personen soll der Wahlkampf seinem Namen gerecht werden und den Menschen die realen Unterschiede zwischen den kontrahierenden Parteien aufzeigen. Die zwei geplanten TV-Duelle der Parteispitzen stellen die logische Konsequenz dieser Bestrebungen dar.
Martin Schulz vs. Jean-Claude Juncker
Derartige Fernsehdebatten haben in Deutschland und Europa fast schon Tradition. Unvergessen ist der Schlagabtausch zwischen François Hollande und Nicolas Sarkozy im französischen Präsidentschaftswahlkampf 2012, als der sozialistische Herausforderer Hollande seinem, eigentlich für Rhetorik und Wortgewandtheit bekannten, konservativen Gegenüber aggressiv und eloquent die letzte Hoffnung auf einen Wahlsieg nahm. Deutlich weniger angriffslustig - dafür umso sachlicher - verlief das Duell zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück im Zuge der Bundestagswahl 2013. Dass die Nominierung von Stefan Raab als Mitmoderator des Duells sowie Angela Merkels schwarz-rot-goldener Halsschmuck letztlich die meistdiskutierten Aspekte des Aufeinandertreffens blieben, passt nur zu gut in das Bild eines blass und unspektakulär wirkenden Abends.
Nun folgt am Donnerstag die Premiere des Formates „TV-Duell“ auf europäischer Ebene. Martin Schulz, Spitzenkandidat der Europäischen Sozialisten, und Jean-Claude Juncker, der für die Europäische Volkspartei antritt, stehen sich erstmals vor deutschem Fernsehpublikum gegenüber. Wie viel Streit gelingt den beiden? Für viele Wähler bleiben die großen politischen Unterschiede zwischen den Spitzenkandidaten bisher im Unklaren. Ein Blick auf die bereits stattgefundenen TV-Debatten bei unseren europäischen Nachbarn zeigt: Juncker und Schulz haben große Mühe zu erklären, was genau sie voneinander unterscheidet.
Auf der Suche nach dem Unterschied
Dabei sind in Zeiten von Finanz- und Wirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit in Europa eigentlich genügend Konfliktpunkte vorhanden, um eine echte Debatte entfachen zu können. In ihrem ersten TV-Duell, ausgestrahlt im französischen Fernsehen, beschäftigten sich Schulz und Juncker jedoch lieber mit dem erforderlichen Gleichgewicht zwischen notwendiger Investitionsförderung auf der einen und Sparmaßnahmen für krisengeschüttelte Staaten auf der anderen Seite. Es war nicht zu übersehen: Die beiden schienen sich einiger, als sie zugeben wollten.
Zwar gingen die Meinungen bezüglich einer erneuten Verlängerung der Frist zum Abbau des französischen Haushaltsdefizits auseinander – Schulz begrüßte eine solche, während Juncker ihr sehr skeptisch gegenüber stand, in anderen Punkten herrschte hingegen wieder Einigkeit: Eine neue Willkommenskultur für Einwanderer, der Kampf gegen die hohe Arbeitslosenquote in der EU und die Notwendigkeit einer zunehmenden Demokratisierung der EU waren schnell als gemeinsame Ziele auserkoren. Das überrascht nicht, sowohl Schulz als auch Juncker fordern, dass der Kandidat der Partei mit den meisten Stimmen bei der kommenden Wahl von den europäischen Staats- und Regierungschefs zum Kommissionspräsidenten ernannt wird. Letztere sind dazu nicht verpflichtet und könnten weiterhin an dem Modell festhalten, den Kommissionspräsidenten unabhängig von der Europawahl zu ernennen.
Schulz gelang es erst durch die Hintertür einen Unterschied auszumachen. Auf die Frage, was die beiden voneinander unterscheidet, antwortete er ehrlich: „Ich weiß nicht, was uns voneinander unterscheidet, aber ob die EVP ebenso nah an uns ist wie ihr Kandidat Juncker, ist eine andere Frage“. Ist EVP-Kandidat Juncker zu nah an den Vorstellungen der Europäischen Sozialisten, was bereits die deutsche Kanzlerin mit Skepsis gegenüber seiner Person quittierte? Oder sind die politischen Unterschiede wirklich nur marginal? Fragen, die doch noch Lust machen auf die erste deutsche Ausgabe des TV-Duells. Denn gelingt es den Kandidaten hier nicht, sich klar zu positionieren und den Zweifeln der Wählerschaft etwas entgegenzusetzen, so dürfen sie sich nicht wundern, wenn das nächste Duell vor leeren Rängen stattfindet.
Bildquellen: Mettmann; European People’s Party
1. Am 10. Mai 2014 um 13:03, von Thilo Tiede Als Antwort Duell oder Schulterschluss? Europas Spitzen erstmals im deutschen TV
Ich gratuliere dem Autor, er hatte vollkommen Recht.
Die Moderatoren haben ja wirklich hart daran gearbeitet, die Unterschiede herauszuarbeiten. Es ist ihnen nicht gelungen. Zu nahe stehen sich die Parteien.
Nur die neuen, kleinen Parteien können endlich Schwung ins Parlament bringen. Einen sehr lesenswerten Rückblick finden Sie übrigens hier: http://www.ichWaehleZukunft.de/scheindebatte/
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