Eigentlich wollte US-Präsident Donald Trump am 2. und 3. September 2019 Dänemark besuchen, doch dazu sollte es nicht kommen. Auf seinen Vorschlag, Grönland dem Königreich Dänemark abzukaufen, erwiderte die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen, sie hoffe, das Angebot des US-Präsidenten sei nicht dessen Ernst. Für Trump ein „unangemessener“ und „gemeiner“ Umgang mit den Vereinigten Staaten, weswegen er seinen Besuch in Dänemark kurzerhand absagte. Dass sich Grönland seit 2009 weitgehend selbst verwaltet und Dänemark gar nicht die Befugnis hätte, den USA die Insel zu vermachen, lässt die Situation umso grotesker erscheinen.
Doch auch wenn die von Trump losgetretene Diskussion für teils belustigte, teils empörte Reaktionen aus Politik und Medien gesorgt hat, ist er nicht der erste US- amerikanische Präsident, der sich für Grönland interessiert. Bereits 1946 unterbreitete Harry Truman Dänemark ein Kaufangebot von 100 Millionen US$ in Gold im Tausch gegen Grönland, was von der dänischen Regierung jedoch abgelehnt wurde. Auch damals war Grönland, das seit 1933 zu Dänemark gehört, aufgrund seiner strategischen Lage in der Arktis und den Ressourcen bedeutsam. Trump hat dies wieder ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt. Andere Staaten versuchen ebenfalls, sich für das Wettrennen um die begehrten Ressourcen in Stellung zu bringen, wodurch die Arktis zu einem geopolitischen Konfliktherd der Zukunft werden könnte.
Der politische Status der Arktis ist bis heute ungeklärt
Problematisch ist der bis zum heutigen Tage nicht abschließend geklärte Status der Region. Im Gegensatz zur Antarktis, für die bereits im Jahr 1961 festgelegt wurde, dass sie bis 2041 nur zu Forschungszwecken genutzt werden darf, gibt es für die Arktis kein Abkommen der Vereinten Nationen. Nach derzeitigem geltenden Recht ist das Gebiet, das den Nordpol umgibt, zu weit vom Festland entfernt, als dass es sich in Besitz eines Staates befinden könnte und gilt somit als autonom. Nach dem Seerechtsübereinkommen von 1982 der Vereinten Nationen haben allerdings Staaten mit ozeanischer Küste das Recht, begrenzte Kontrolle auf ein bis zu 200 Seemeilen (370 km) von der Küste entferntes Gebiet auszuüben. Aufgrund dieses Übereinkommens erheben die Anrainerstaaten USA, Kanada, Russland, Dänemark sowie Norwegen territoriale Ansprüche auf Teile der Arktis. Als Anrainer- oder Anliegerstaaten werden Staaten bezeichnet, die an ein geographisches Objekt – beispielsweise Grönland – angrenzen. Diese Staaten haben die Möglichkeit, innerhalb von 10 Jahren nach der Ratifizierung des Seerechtsübereinkommens, Ansprüche auf einen ausgedehnten Festlandsockel zu erheben. Unter der Voraussetzung, dass sie als rechtmäßig eingestuft werden, gewährt ihnen dies Sonderrechte auf den Meeresboden und die unterirdisch liegenden Ressourcen.
Alle Anrainerstaaten, mit Ausnahme der USA, die das Seerechtsübereinkommen bis heute nicht ratifiziert haben, haben Ansprüche auf einen ausgedehnten Festlandsockel und damit größere Teile der Arktis erhoben. Doch was macht das Gebiet, das aktuell noch großteils von Eis bedeckt ist, so attraktiv?
Das Eis schmilzt...
In keiner Region der Welt schreitet der Klimawandel schneller voran als in der Arktis. Vor 50 Jahren war die Eisdecke, die einen Teil des Meeres auch im Sommer bedeckt, noch doppelt so groß wie heute und auch die Dicke des Eises hat sich seitdem halbiert. Während 1979 die durchschnittliche Ausdehnung der Eisfläche 7,5 Millionen km2 betrug, wurde 2016 nur noch eine Ausdehnung von 4 Millionen km2 verzeichnet. Auf Grönland, wo sich nach der Antarktis der zweitgrößte Eisschild der Erde und die größten Gletscher der arktischen Region befinden, zeichnet sich ein ähnlich dramatisches Bild ab. Während die dortigen Eismassen von 1972 bis 1980 noch um 47 Gigatonnen pro Jahr stiegen, was etwa dem Volumen des Bodensees entspricht, verlor Grönland im Zeitraum von 2010 bis 2018 286 Gigatonnen Eis pro Jahr. Der Eisverlust hat sich seit 1980 also beinahe versechsfacht und ist mittlerweile dramatischer als der in der Antarktis. Eine Entwicklung, die angesichts der dadurch entstehenden Wetterextreme in Europa und des steigenden Meeresspiegels die internationale Gemeinschaft auf den Plan rufen müsste, gäbe es nicht die andere Seite der Medaille.
...und gibt Ressourcen frei
Durch das schmelzende Meereis werden die Möglichkeiten kommerzieller Nutzung des Nordpolarmeeres immer greifbarer. Es wird vermutet, dass 30 Prozent der weltweiten Gasreserven und 16 Prozent des Öls unter dem arktischen Meeresgrund verborgen liegen. Zudem wird mit Vorkommen seltener Metalle wie Zinn, Mangan, Gold, Nickel, Blei, Platin sowie Rohdiamanten gerechnet. Ebenso sind die Fischbestände der Arktis von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung.
Des Weiteren vermuten Forscher, dass bereits in 20 Jahren neue Schifffahrtsrouten wie die Nordost- und die Nordwestpassage in den Sommermonaten eisfrei sein könnten. Der Weg zwischen Europa und Asien würde sich so um 40 Prozent verkürzen. Entsprechen diese Vermutungen der Wahrheit geht es in der Arktis um ein Milliardengeschäft und es wird deutlich, warum die Anrainerstaaten versuchen, ein Stück vom arktischen Kuchen zu ergattern.
Insbesondere die USA, die mit dem Bundesstaat Alaska nur eine vergleichsweise kurze Küstenlinie an der Arktis besitzen, könnten durch einen Kauf von Grönland ihren Einfluss in und auf die Arktisregion deutlich erhöhen. Auch Russland hält in Arktisnähe regelmäßig Militärübungen ab. Daraufhin hat die dänische Regierung angekündigt, die Präsenz ihrer Marine rund um Grönland auszuweiten. China unterhält auf Grönland geologische Versuchsstationen, auf der Suche nach den dort vermuteten seltenen Erden. Deutschland befasst sich ebenfalls mit der Arktis, nicht zuletzt deshalb, da durch Dänemark ein EU-Mitglied unmittelbar involviert ist. So sitzt Deutschland beispielsweise im Arktischen Rat, einem Forum, das sich mit der Sicherheit und dem Klimaschutz in der Region beschäftigt. Vor diesem Hintergrund stellte das Bundeskabinett zuletzt die Leitlinien deutscher Arktispolitik vor.
Verantwortung übernehmen
Das unter der Federführung des Auswärtigen Amtes am 21. August 2019 beschlossene Papier beinhaltet Themen der Ressorts Umwelt, Verteidigung, Verkehr, Forschung, Ernährung, Landwirtschaft sowie wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die Fülle an Themen unterstreicht die steigende Bedeutung der Arktis auch für Deutschland. Die Bundesregierung ist sich des wirtschaftlichen Potenzials durch die freiwerdenden Ressourcen in der Arktis bewusst und plant, sich für eine freie Schifffahrt auf den möglichen neuen Routen einzusetzen. „Die bereits begonnene Erschließung arktischer Rohstoffquellen kann zur Energie- und Rohstoffsicherheit in Deutschland und der EU beitragen“, heißt es in dem 20seitigen Papier. Jedoch pocht die Bundesregierung auf eine umweltschonende und nachhaltige Nutzung der Region. Auch ist es für die Regierung von Bedeutung, die Interessen der indigenen Völker in der Arktis zu schützen.
Deutschland drängt darauf, dass alle Staaten die internationalen Regeln respektieren, wenn es beispielsweise um Schifffahrtsrecht geht und fordert zudem ein neues Abkommen als Ergänzung zum Seerechtsübereinkommen von 1982. Das geplante Abkommen soll eine nachhaltige Nutzung der Arktis außerhalb der Hoheitsgebiete der fünf Anrainer-Staaten festlegen. Durch das Papier wird deutlich, dass Deutschland eine aktive Arktispolitik der Europäischen Union und eine strategisch ausgerichtete Integration arktischer Belange in die Politik der EU anstrebt, die sowohl im Hinblick auf zukünftige ökonomische Möglichkeiten agiert als auch ökologische Risiken berücksichtigt.
Es bleibt abzuwarten, ob Deutschlands Forderungen Anklang in der EU finden und welches Gewicht die deutsche Stimme im Arktischen Rat besitzt. Die Bundesregierung hält verbindliche Regeln für die Arktis, die eine nachhaltige und ökologische Nutzung der Region ermöglichen und die Gefahren von Gebietsstreitigkeiten minimieren, für notwendig. Kanada und Norwegen haben Gesprächsbereitschaft signalisiert, gemeinsame Lösungen für das arktische Ökosystem, das eine Schlüsselrolle bei der Regulierung des Erdklimas spielt, zu finden. Ob Donald Trump der gleichen Meinung ist, bleibt abzuwarten. Durch seinen Vorstoß hat er das Thema – ob absichtlich oder nicht – ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt.
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