Solidarität mit Irland und Erleichterung für kleine Mitgliedsstaaten

Erneuerung in Zeiten der Not

, von  Conor Ryan, übersetzt von Lukas Baake

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Erneuerung in Zeiten der Not

Die Europäische Union kann ihrer Natur nach als reaktionär wahrgenommen werden. In Momenten der Krise füllen die politischen Intrigen der EU-Institutionen die Zeitungen, Fernsehbildschirme und Twitter-Feeds. In solchen Zeiten kann die EU ohne Probleme als kalter, herzloser und unpersönlicher Monolith dargestellt werden: indifferent gegenüber dem Schicksal ihrer Bürger*innen, unberührt von nationalen oder regionalen Bedenken.

Gefühle von Isolation

Die Vision der Union war eine, an die sich viele Europäer*innen während des vergangenen Jahrzehnts gewöhnt haben. Die europäische Schuldenkrise, angestoßen von der Finanzkrise 2008, bewegte eine Vielzahl von Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten dazu, Bailouts und die von diesen ausgehenden unpopulären Folgen zu akzeptieren. Zwei der drei konstitutiven Elemente der Troika, namentlich die Europäische Kommission und die Europäische Zentralbank, haben eine unausgesprochen Verantwortung als Gesicht der EU für viele Bürger*innen der Mitgliedstaaten übernommen. Unter dieser Gruppe gebeutelter Mitgliedstaaten war nicht zuletzt Irland.

Die Rhetorik in Dublin während der Diskussionen um die Bailouts war derjenigen, die sich während des Brexit-Debakels etablierte, nicht unähnlich: Die EU war der Kidnapper, Irland die Geisel. Es gab Proteste im Zeichen von „Souveränität“ und „Kontrolle“ mit der Wahrnehmung, dass Brüssel und Berlin ein geschwächtes Mitglied der eigenen Familie bestraften. Natürlich waren die Ir*innen nicht alleine mit ihrer Unzufriedenheit. Vergleichbare Demonstrationen waren in Athen, Madrid und Lissabon zu finden.

Später überließ die Migrationskrise von 2015 eine enorme Last auf den Schultern von Griechenland und Italien, während die Dublin-3-Regulation es jedem unwilligen Mitgliedsland ermöglichte, Asylsuchende zurück in diese zwei gebeutelten Mitgliedsstaaten zu schicken. Die EU war nicht in der Lage einen Konsens für eine Verteilung der Lasten zu sichern. Viel zu häufig erscheinen die kleinen, schwachen und verwundbaren Mitgliedsstaaten von denjenigen Institutionen bedroht und zurückgelassen, die geschaffen wurden, um sie zu beschützen.

Während das Vereinigte Königreich in Richtung eines endgültigen Stichtages am 31. Oktober taumelt, befindet sich die EU inmitten einer anderen existentiellen Krise. Die irischen Medien sind erneut gefüllt mit Ausschnitten und Kommentaren von Treffen des Europäischen Rates und Pressekonferenzen der Kommission. Es liegt in der Natur von Schadenskontrolle, dass diese immer planlos und in den seltensten Fällen gut orchestriert ist. Reaktionäre Politik ist nicht mitfühlend oder diplomatisch; Kollateralschäden sind wahrscheinlich und es gibt wenig Rücksichtnahme auf den*die unschuldige*n Passant*in. Kleine und verwundbare Mitgliedsstaaten wie Irland haben vielleicht gefürchtet, dass ihre Interessen für das allgemeine Wohlergehen der Union geopfert werden.

Solidarität mit Irland trägt Früchte

Das irische Experiment hat sich dieses Mal als überaus positiv herausgestellt: Seit der Entscheidung des Vereinigten Königreichs vor über drei Jahren, die europäische Familie zu verlassen, hat die EU eine bemerkenswerte Solidarität mit Irland bewiesen. Irlands Verwundbarkeiten im Falle eines No-Deal-Szenarios sind einzigartig. Dies liegt nicht nur an dem Potential eines ökonomischen Einbruchs, sondern auch an dem inakzeptablen Risiko, das die unsichtbare Grenze auf der irischen Insel bedroht.

In seiner Rede zur Lage der Nation 2018 versprach der Kommissionspräsident Jean-Claude Junker, dass die EU ihre „Loyalität und Solidarität“ mit Irland demonstrieren werde, während „alle Elemente des Karfreitagsabkommens“ verteidigt werden.

Das Vereinigte Königreich ist lange davon ausgegangen, dass die EU angesichts ihrer kompromisslosen Verpflichtung zu dem irischen Backstop kapitulieren und mit Blick auf die ökonomischen Konsequenzen eines No-Deal-Brexit zurück an den Verhandlungstisch gezwungen würde. Nichtsdestotrotz haben die resolute Entschlossenheit, die Unverletzlichkeit eines einheitlichen Marktes zu bewahren, zusammen mit der ungeteilten Loyalität, um Irland von den inhärenten Risiken angesichts eines No-Deal-Bexits zu schützen, versichert, dass die EU-27 vereint geblieben sind.

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