Die Krise und ihre Folgen
Nach Ausbruch und auf dem Höhepunkt der Eurokrise wurde das fiskalpolitische Hauptaugenmerk auf Austerität gelegt. Die Erfolgsbilanz dieser Sparpolitik kann bestenfalls als durchwachsenen bezeichnet werden. Zwar gelang es in Ländern wie Portugal, Irland oder Spanien die jährlichen Defizite zu verringern, da auch das Wirtschaftswachstum nach langen Jahren der Rezession wieder in diese Länder zurückgekehrte. Wie groß der Anteil der erwähnten Politik am Aufschwung ist, lässt sich aber schwer einschätzen. Die Rückkehr des Aufschwungs kann auch als Folge des normalen Konjunkturzyklus oder der Zinspolitik der Europäischen Zentralbank gesehen werden. Die Diskusion, wie erfolgreich oder nicht erfolgreich die Austeritätspolitik letzendlich war, ist jedoch fruchtlos, weil sie etwas Wesentliches ausblendet - die Lebenswirklichkeit der Menschen, die die Politik der Ausgabenkürzung und Abgabenerhöhung unbestreitbar verschlechtert hat.
Investitionsagenda - Juncker will neue Akzente setzen
Bereits während seiner Zeit als Vorsitzender der Eurogruppe setzte sich Jean-Claude Juncker für zivilisierte Kommunikation und Interessensausgleich zwischen den Euroländern ein. Dabei betonte er stets, wie wichtig Haushaltsdisziplin und Struktureformen sind. Gleichzeitig bemängelte er jedoch, dass Investitionen in die Krisenstaaten nicht in der Lösungsstrategie der Geldgeber enthalten waren. Die Devise war nicht selten: Viel Peitsche, aber wenig Zuckerbrot. Nun als Kommissionspräsident versucht Juncker diesem Ungleichgewicht entgegenzuwirken. Mit dem neu geschaffenen Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI), der diesen Herbst an den Start gehen soll, will die Kommission in Zusammenarbeit mit der Europäischen Investitionsbank zukunftsorientierte Investitionen anstoßen. In der Theorie sollen mindestens 315 Milliarden Euro mobilisiert werden, wobei Aufgrund der prekären Haushaltslagen in Europa lediglich ein geringer Teil davon aus öffentlichen Geldern stammen soll. Der größte Teil des Kapitals soll von privaten Investoren bereitgestellt werden, die als Anreiz von hohen Risiken befreit werden sollen - im Gegensatz zu den öffentlichen Geldgebern.
Einer der Kritikpunkte an dem neuen Investitionsfonds betrifft eben jene Quasi-Renditegarantie für private Investoren, auf Kosten der Steuerzahler, die letztlich das Hauptrisiko tragen. Tatsächlich visiert diese Strategie aber sehr geschickt ein wesentliches Problem in Europa an. Noch nie in der Geschichte Europas waren die Privatvermögen größer, die öffentliche Verschuldung höher und die Privatinvestitionen auf einem niedrigeren Niveau. Diese Gesamtsituation repräsentiert ein bedrohliches Ungleichgewicht, weil sie sowohl die Handlungsfähigkeit der Staaten einschränkt als auch das realwirtschaftliche Wachstum schwächt. Der größte Teil der Privatvermögen fließt in volatile Finanzmärkte auf der Jagd nach Rendite, statt in Jobs in der Realwirtschaft, wo das Geld dringend benötigt wird. Der Fonds versucht nun genau dort anzusetzten, um Anreize für Investoren zu schaffen wieder mehr in echte Werte zu investieren.
Griechische Extrawürste
Aber nicht nur mit seinem Investitionsfonds, auch bei der regionalen Förderung will Juncker neue unkonventionelle Wege gehen. Als Teil der Verhandlungsstrategie, um Griechenland im Euro zu halten, versprach Juncker Alexis Tsipras mehr europäische Investitionen in dem Krisenland. Nun versucht er sein Versprechen einzuhalten, zum Unmut mancher Politiker, die ihm vorwerfen, wieder einmal seine Kompetenzen zu überschreiten. Richtlinien für die Vergabe von Fördergeldern verlangen eigentlich eine angemessene Eigenbeteiligung des Mitgliedstaates bei der Finanzierung der Förderprojekte. Juncker will diese Regelung für Griechenland aussetzen, auch rückwirkend für die Jahre 2007 bis 2013. Somit soll Griechenland in Anbetracht der schwierigen Kassenlage trotzdem ermöglicht werden, von der europäischen Förderung zu profitieren.
Ganz Europa braucht Investitionen
Aber nicht nur in Krisenändern muss investiert werden. Deutschlands Exportüberschüsse, die oft als Erfolg bezeichnet werden, können genauso gut als Importdefizite angesehen werden. Nicht wenige Ökonomen sind der Meinung, dass mehr Investitionen in Deutschland dieses entstandene Aussenhandelsungleichgewicht zum Teil abschwächen könnten. Es sind nicht nur die Länder des Südens, die Investitionen bitter nötig haben. Auch im Zentrum Europas mangelt es nicht selten an Finanzmitteln, um die Infrastruktur zu erhalten, oder innovative Forschung zu fördern. Außerdem können die Krisenregionen Europas nicht einfach das deutsche Exportüberschussmodell kopieren. Wenn jeder exportieren, aber niemand importieren will, kann dies nicht zu wirtschaftlichem Erfolg führen.
Wie bereits zuvor erwähnt ist der Wirtschaftszyklus geprägt durch ein Auf und Ab, wobei besonders starke und lange Rezessionen in der Vergangenheit oft Folge von Finanzmarktkrisen waren. Stärkere Aufschwünge folgten nicht selten auf eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmen durch Strukturreformen oder eine Verbesserung der Infrastruktur. Auch Innovationen durch neue Industrien oder Technologien befeuern das Wachstum. Innovation und Infrastruktur sind direkt abhängig von Investitionen. Investitionen sind kein Luxus, sondern essentiell für den Erhalt des Wohlstands in einer sich stets verändernden Welt. Sie sind ein Garant für zukünftiges Wachstum und damit für solide Staatshaushalte.
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