US-Strafzölle

Europa muss jetzt Stärke zeigen

, von  Felix Lehmann

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Europa muss jetzt Stärke zeigen
Hafen in Hamburg: Nicht nur Großunternehmen, sondern vor allem kleine und mittelständische Betriebe leiden bereits unter US-Sanktionen gegen Russland Foto: guentherlig / Pixabay / CC0 1.0

Die US-Strafzölle gegen Russland haben weitreichende Folgen für die europäische Wirtschaft. Die EU braucht deshalb eine kohärente Strategie im Außenhandel mit den USA.

Der Handelsstreit zwischen den USA und der Europäischen Union geht in die nächste Runde. US-Präsident Trump gab am 1. Mai bekannt, dass die EU weiterhin von den geplanten Strafzöllen auf Aluminium- und Stahlimporte ausgeschlossen werde, zumindest bis zum Ablauf der neuen Frist am 1. Juni. Normalerweise könnte dies als Teilerfolg der EU-Kommission gewertet werden. Doch zu einer Zeit, in der die transatlantischen Beziehungen so frostig wie schon lange nicht mehr sind, hält sich die Freude darüber in Brüssel in Grenzen. Die EU muss diese Umstände zum Anlass nehmen, den USA geschlossen und stark gegenüber zu treten.

Denn auch wenn die EU etwas Aufschub bekommen hat, so hat sich Brüssel am kompromisslosen Kurs Trumps die Zähne ausgebissen. Die zunehmende Frustration über die Unnachgiebigkeit der US-Regierung wurde am 6. April noch verstärkt, als Trump Sanktionen gegen mehrere russische Wirtschaftsmagnaten und Firmen erließ. Wie bereits die Strafzölle zuvor, so schien es, wurden diese unilateralen Handelsmaßnahmen ohne einen Gedanken an ihre Auswirkungen auf Amerikas Verbündete auferlegt – mit potentiell fatalen Folgen für die europäische Wirtschaft.

US-Zölle gegen Russland: ein wachsendes Problem für Europa

Waren die bisherigen Zölle schon ein Grund zur Sorge, so sind die neuesten Sanktionen ein weiterer Schlag in Europas Gesicht. Selbst von Vertretern der US-Aluminiumbranche werden sie als„industrieweit und global schädlich“ angesehen. In der Tat war die Gefahr für die europäische Wirtschaft selten so akut. Die US-Sanktionen gegen russische Firmen treffen die EU besonders hart, weil Washington nicht nur amerikanischen Bürgern, sondern auch Nichtamerikanern Strafen androht, wenn sie wissentlich Geldgeschäfte der sanktionierten russischen Firmen und Personen ermöglichen. Durch diese Extraterritorialität wird Europa nicht nur die eigene Souveränität über Handelsentscheidungen verwehrt, sondern auch Zugriff auf für die Wirtschaft dringend notwendige Materialien.

Vor allem in Bezug auf Aluminium wird dies zum Problem. Europa erhält 38 Prozent seiner Rohaluminiumimporte aus Russland. Der Hauptteil davon stammt von Rusal, dem weltweit zweitgrößten Aluminiumproduzenten, der durch die US-Maßnahmen effektiv vom europäischen Markt ausgeschlossen wurde. Nun befürchten Wirtschaftsvertreter Versorgungsengpässe. In einem Positionspapier der Wirtschaftsvereinigung Metalle heißt es, die Sanktionen hätten „erheblichen Einfluss auf die Handelsströme", mit negativen Auswirkungen „in der gesamten Lieferkette“. Führende Industriezweige, insbesondere Maschinen- und Autobau, würden lahmgelegt.

Starke Auswirkungen auf kleine und mittelständische Unternehmen

Dies würde vor allem kleine und mittelständische Unternehmen treffen, den wirtschaftlichen Motor vieler EU-Mitgliedsstaaten, unter anderem Italien und Frankreich. Aber kein EU-Land ist so abhängig von kleinen und mittelständischen Unternehmen wie Deutschland. Tatsächlich läuft die deutsche Industrie bereits Sturm gegen Amerikas Politik: Unternehmen wie Siemens, Daimler und Volkswagen haben weitreichende Geschäftsbeziehungen nach Russland, die Firmen sehen ihre Investitionen in dem Land gefährdet und befürchten Ausfälle in Millionenhöhe. Trotzdem sind diese Großkonzerne eher in der Lage, die anfallenden Schäden zu absorbieren. Der Mittelstand dagegen verfügt kaum über dieselben Kapazitäten.

Nach Zahlen des Bundeswirtschaftsministeriums stellt der Mittelstand fast 60 Prozent aller Arbeitsplätze –ungefähr 16.4 Millionen Jobs – und erwirtschaftet rund 35 Prozent des deutschen Gesamtumsatzes. Da 99 Prozent aller deutschen Firmen kleine und mittelständische Unternehmen sind, wären Produktionsstopps oder Schließungen einiger Firmen katastrophal für die Bundesrepublik. Gegenden wie zum Beispiel Oberfranken wären akut betroffen. Die Region allein hat mehr als 100 Firmen mit engen Handelsbeziehungen nach Russland, welche auch eine entscheidende Rolle als Zulieferer für deutsche Autohersteller spielen. Der Industrie-und Handelskammer Coburg zufolge haben die Sanktionen in einigen Fällen die Geschäfte schon um zwei Drittel reduziert.

Aber aufgrund der Breite und unklaren Formulierungen der Sanktionen müssen kleine und mittelständische Unternehmen besondere Vorsicht walten lassen, um nicht auch Strafmaßnahmen von den USA fürchten zu müssen. Der dadurch entstehende Prüfungsaufwand ist laut Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft für mittelständische Unternehmen „kaum noch zu bewältigen“ und reduziert die Geschäftsmöglichkeiten immens. In letzter Konsequenz, so Vorstandschef der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (AHK), Matthias Schepp, werden deutsche Unternehmen dadurch praktisch “von dritter Seite in Geiselhaft genommen”. Kurzfristig werden dadurch Schaden von bis zu 377 Mio. Euro erwartet, mittelfristig sogar Verluste in Milliardenhöhe.

Europa braucht eine kohärente Außenhandelspolitik

Und dies hätte gravierende Konsequenzen für ganz Europa. Deshalb ist es im Interesse aller EU-Mitgliedsstaaten, am selben Strang zu ziehen und eine geschlossene Front gegenüber Trump und seiner Handelspolitik bilden. Emmanuel Macron und Angela Merkel haben bereits erfolglos versucht, Trump vom Konfrontationskurs abzubringen. Aber Druck von Frankreich und Deutschland allein ist nicht genug, um Trump zu beeinflussen. Ein US-Präsident, der durch unilaterale, extraterritoriale Handlungen unmissverständlich seine Geringschätzung für Europa zum Ausdruck gebracht hat, kann nur durch engagiertes Verhandeln mit geschlossenen Positionen entgegengetreten werden. Denn Trump hat in der Vergangenheit gezeigt, dass er von Zurschaustellung von Stärke leicht beeindruckt ist.

Allerdings ist es äußerst schwierig, innerhalb der EU eine gemeinsame Linie zu fahren, was die Position der EU erheblich schwächt. Doch ist es heute wichtiger denn je, sich zusammenzuraufen und Entschlossenheit zu zeigen. Das trotzige Credo der Europäischen Kommission, sich von den USA nicht erpressen zu lassen, ist ein wichtiges Symbol hinter dem sich die EU-Staaten versammeln sollten. In Anbetracht der Tatsache, dass die aggressive Handelspolitik der USA die Wirtschaft der gesamten EU ins Wanken bringen kann, ist Einheit das Gebot der EU der Stunde.

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