Europas Zukunft zu Gast in Rom

, von  Jonas Botta , Nicolas Jim Nadolny

Europas Zukunft zu Gast in Rom
Die Kolumne „Wir in Europa“ erscheint jeden Sonntag auf treffpunkteuropa.de. Autoren berichten im Wechsel über ihre persönlichen Erlebnisse mit der EU, was es bedeutet, Europäer zu sein und welche Ängste und Hoffnungen sie mit der Gemeinschaft verbinden. Foto: © European Commission / 2004

Die schwierige Situation der europäischen Jugend und deren Perspektivlosigkeit macht zurzeit überall Schlagzeilen. Doch eine Stimme aus unserer Generation vernimmt man in dieser Debatte nicht. Auf der European Public Policy Conference der Hertie School of Governance sollte dies anders sein.

„Wo führt er hin, der Weg der europäischen Jugend?“ Um Antworten auf ebendiese Frage zu finden trafen sich Mitte April 70 junge Studierende aus verschiedensten Ländern innerhalb und außerhalb der EU in Rom. Mit dabei waren auch wir beide. Wie wir die Konferenz wahrgenommen und was wir von ihr mitgenommen haben, erfahrt ihr im Folgenden:

Probleme gemeinsam lösen

Nach unserer Ankunft im sonnigen Rom und dem ein oder anderen Café trafen wir in den Universitätsgebäuden der Libera Università Internazionale degli Studi Sociali (LUISS) ein, in welchen die Konferenz stattfand. Eingeleitet wurde sie von George Papandreou, dem ehemaligen griechischen Ministerpräsidenten und derzeitigen Vorsitzenden der Sozialistischen Internationalen welcher bei seiner Auftaktrede die Notwendigkeit einer gemeinsamen europäischen Politik jenseits von nationalstaatlichen Interessen für ein gerechteres und demokratischeres Europa betonte.

Nur so könne man den Herausforderungen künftiger Generationen begegnen. Im Zuge dessen stellte er zentrale Problemfelder heraus, die nur gemeinsam auf europäischer Ebene angegangen werden könnten. So könnten dem voranschreitenden Klimawandel ein einzelner Nationalstaat nichts entgegensetzen. Auch die Wirtschafts- und Finanzkrise sei lediglich durch eine europaweite Finanztransaktionssteuer sowie mittels gemeinsamer Staatsanleihen mehrerer EU-Mitgliedsstaaten, (sog „Eurobonds“) zu bekämpfen. Insbesondere für junge Menschen müsse Europa wieder attraktiver werden, schließlich gehe ansonsten eine ganze Generation „verloren“.

Ein Mehr an sozialer Gerechtigkeit müsse stets im Mittelpunkt stehen. Eine Stärkung der europäischen Demokratie, zum Beispiel durch eine Direktwahl des Kommissionspräsidenten; Referenden auf europäischer Ebene und eine offene Migrationspolitik gepaart mit einer echten europäischen Staatsbürgerschaft – das sind Papandreous Vorstellungen von einem zukünftigen, stabileren Europa. Im Publikum wurde den Vorschlägen Papandreous viel Zustimmung entgegengebracht. Trotz der, der teilweise weiten Anreise aus Tokio oder London geschuldeten, Müdigkeit einiger Teilnehmer konnte Papandreou wie kein anderer Redner die Zuhörer fesseln.

Sparpolitik verhindert strukturelle Reformen

Der schillernden Zukunft setzte António Martins da Cruz, unter José Manuel Durão Barroso Außenminister in Portugal, in seiner Rede vor den jungen Leuten die düstere Gegenwart entgegen.

Während Europa einst im diktatorisch regierten Spanien für Hoffnung und Zukunft stand, hätten sich heute die Menschen in seinem Heimatland aufgrund der prekären Arbeitssituation von diesem Bild größtenteils abgewandt: 42 Prozent der portugiesischen Jugendlichen haben keinen Job, die Gesamtarbeitslosigkeit liegt bei 18 Prozent. Durch die hohen Sparauflagen gäbe es jedoch keine Möglichkeit, aus eigener Kraft neue Berufs- und Ausbildungszweige zu fördern. Vielmehr würden diverse öffentliche Einrichtungen wie Krankenhäuser und Schulen systematisch geschlossen. Die Sparpolitik verhindere strukturelle Reformen, die langfristig für einen nachhaltigen Arbeitsmarkt unabdingbar seien.

Keine fortschrittliche Europapolitik in Deutschland

Die Kür von Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten erklärte Martins da Cruz zu einer Farce, sei es doch de facto die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, die entscheide, wie es mit Europa weitergehe. Die Rolle Deutschlands wurde auch in den folgenden Tagen der Konferenz immer wieder diskutiert. Der gemeinsame Tenor der Podiumsgäste und der anwesenden Teilnehmer: Der Regierung Merkel mangele es an einer fortschrittlichen Europapolitik.

Auf dem Podium diskutierten anschließend unter anderem der NSU-Nebenklägeranwalt Mehmet Daimagüler und der Vorsitzende der Jungen Europäischen Föderalisten Daniel Matteo über die Repräsentation der Interessen von Jugendlichen in der Politik. Junge Menschen seien in der Pflicht sich für Europa zu engagieren, da die Vorteile der Europäischen Union viel zu häufig als selbstverständlich hingenommen werden, sagte Daimagüler. Fest stand für ihn aber auch, dass es der traditionellen Politik an Attraktivität für junge Leute fehlt. Insbesondere die Einbindung sozialer Medien in den Prozess politischer Meinungsbildung stecke noch in den Kinderschuhen. Matteo zeigte den Erfolg unserer Jugendorganisation auf, die durch Überparteilichkeit und gemeinsamen europäischen Werten, gerade in Zeiten der ökonomischen und politischen Krise, an Zuwachs gewinne.

Insgesamt war die Konferenz eine gute Gelegenheit für einen Austausch über unsere Zukunft mit anderen jungen Menschen, mit denen wir uns künftig gemeinsam neuen europäischen Herausforderungen stellen müssen. Zwar gelang es auch dieser Konferenz nicht, überraschende Lösungen für die derzeitigen Probleme zu bieten, aber sie ermöglichte uns neue Perspektiven und Denkansätze. Noch wichtiger als ein breiter akademischer Diskurs unter jungen Menschen wäre es jedoch diejenigen zusammen zu bringen, die von der Gesellschaft schon längst als abgehängt angesehen werden.

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