Weltfrauentag: Historische Frauen Europas im Portrait

European HerStory: Ada Rossi - Eine föderalistische und antifaschistische Mathematikerin

, von  Giulio Saputo, übersetzt von Christian Busch

Alle Fassungen dieses Artikels: [Deutsch] [italiano]

European HerStory: Ada Rossi - Eine föderalistische und antifaschistische Mathematikerin
Bis zu ihrem Tode im Jahr 1993 war sie politisch aktiv, eine passionierte Mathematikerin und hatte die Gabe ihre zwei Leidenschaften an unzählige Schüler*innen aller Generationen weiterzugeben Graphik zur Verfügung gestellt von Guilia Del Vecchio. Bearbeitung von Anja Meunier für treffpunkteuropa.de

Anlässlich des Internationalen Frauentags am 8. März porträtieren wir mit der European HerStory eine Frau, die nie an Aufgeben gedacht hat: Ada Rossi.

„Ich sage, keine Zweifel zu haben und immer mit gutem Gewissen voranzugehen, das ist das echte Ideal, um in der Demokratie, in der Freiheit und in der Gerechtigkeit zu wachsen. Ich sage allen, dass sie an ihrer Idee festhalten und nicht aufgeben sollen: unser altbewährtes „Nicht aufgeben!“, ein Motto und Pflicht für einige junge Menschen, die diese Worte sagten, sind gestorben, waren im Gefängnis oder wurden vertrieben. Das, was ich den jungen Menschen von heute sage ist, an den fundamentalen Prinzipien festzuhalten und sich weder vergleichen noch von seinen Ambitionen abbringen zu lassen.“

Ada Rossi in einem Interview von Sergio Vetta in Rom am 31. Oktober 1986

„Nicht aufgeben!“, das sind wahrscheinlich die besten Worte, um das Leben einer föderalistischen, antifaschistischen und aktivistischen Frau zusammenzufassen, die nie aufgehört hat, für eine bessere Welt zu kämpfen. Aufgewachsen in einer toleranten Familie, mit radikalen Einflüssen des Risorgimentos, einer italienischen Epoche, in der Bestrebungen für die Entstehung Italiens als Nationalstaat unternommen wurden, ist Ada immer mit den Schrecken des Krieges konfrontiert gewesen: schon 1912 ist ihr Vater an Typhus bei seiner Rückkehr aus Libyen gestorben, 1917 wurden sie durch den Anblick der Konflikte bei Kobarid (ital. „Caporetto“) im heutigen Slowenien erschüttert. Im Angesicht der Gewalttaten der sogenannten Schwarzhemden (ital. „squadriste“), einer paramilitärischen Miliz der Faschist*innen in Italien, kam sie sofort zu dem Entschluss eine Entscheidung zu fällen. Ada Rossi wurde eine aktivistische Politikerin im wahrsten Sinne des Wortes. Sie opferte sich persönlich auf und setzte sich Risiken aus, um ihren Worten Taten folgen zu lassen. Dieses Engagement führte dazu, dass sie ihr privates und öffentliches Leben nicht mehr trennen konnte, was sogar den Bereich ihres Liebeslebens mit einbezog. Sie heiratete einen Mann, der für 20 Jahre Gefängnisstrafe verurteilt wurde und opferte ihre Jugend, indem sie jahrelang in Einsamkeit lebte. Als Beweis ihrer Treue akzeptierte sie das Schicksal, keine Kinder haben zu können. Doch, wie es vielen Frauen ihrer Generation in ähnlichen Situationen erging, wurde sie, fast ohne es zu wissen, eine politische Größe, indem sie ihren Aktivismus als Selbstverständlichkeit auf Grundlage ethischer Vorstellungen auslebte und ihre Aufgabe der „gesellschaftlichen Fürsorge“, die traditionell Frauen ohne Kinder zugewiesen wurde, wahrnahm.

Also, wer war Ada Rossi?

Ada Rossi wurde am 10. September 1899 in Berganzola in der Region Parma geboren. Ihr Vater war ein Offizier mit republikanischer Besinnung und der Sohn eines Veteranen des Unabhängigkeitskrieges im Risorgimento. Ihre Mutter hat ihre Schule abgeschlossen und war die Tochter eines sozialistischen Mathematikers. Nach dem Magisterstudium machte Rossi ihren Abschluss an der mathematischen Fakultät der Universität in Pavia, wo sie selbständig einen antifaschistischen Weg einschlug, nachdem ihr Freund von den Schwarzhemden ermordet wurde. Sie unterrichtete am technischen Institut „Vittorio Emanuele II“ in Bergamo, wo sie 1928 Ernesto Rossi kennenlernte. Als Rossi zu zwanzig Jahren Haftstrafe verurteilt wurde, entschied sie sich mutig dazu, ihn zu heiraten und einen langen Weg des gemeinsamen politischen Aktivismus zu bestreiten. Nach der Hochzeit wurde er verhaftet und sie musste ihre Lehre beenden, trotzdem gelang es ihr junge Menschen in Bergamo privat und geheim in Mathematik (und unter anderem auch in Politik) zu unterrichten. Sie wurde daraufhin als terroristisch eingestuft und in der Region Avellino, in Melfi (wo sie auf das Ehepaar Colorni traf, die europäisch-föderalistische Ideen vertraten), später dann in Maratea inhaftiert. Wegweisend als Koordinatorin für die Aufrechterhaltung der Beziehungen zwischen den antifaschistischen Gruppierungen der GL (ital. „Bregate Giustizia e Libertà“), einer Partisanenorganisation während des Widerstandes gegen den italienischen und deutschen Nationalsozialismus, war sie beim Gründungstreffen der Europäischen Föderalist*innen engagiert und folgte den Fluchtversuchen Rossis in die Schweiz, beteiligte sich dann mit ihm am Entstehen der italienischen Aktionspartei (ital. „partito d´azione“) und an der Entstehung der Radikalen Partei (ital. „partito radicale“). Bis zu ihrem Tode im Jahr 1993 war sie politisch aktiv, eine passionierte Mathematikerin und hatte die Gabe ihre zwei Leidenschaften an unzählige Schüler*innen aller Generationen weiterzugeben. Sogar mit 90 Jahren unterrichte sie Kinder, Neffen und Nichten von Freunden*innen, wie sich Antonella Braga und Rodolfo Vittori in einem Interview erinnern: „Auch in ihren letzten Jahren hörte sie nicht auf, die Grenzen der Europäischen Integration, die nur langsam voranschreitet, zu kritisieren und aufzuzeigen. Vielmehr ging es ihr darum, die Idee eines föderalistischen und ganzheitlichen Europas zu vertreten. Oft liebte sie es zu wiederholen, dass die Italienische Republik aus dem Widerstand entstanden sei, trotz all ihren Grenzen (und auch mit ihrem „kirchlichen Charakter mit dem Herzen Jesu“, wie sie Ernesto Rossi ironischerweise bezeichnete). Für sie war es immer „unsere Republik“, die man verteidigen müsse, um sie immer demokratischer werden zu lassen. Bescheiden schlussfolgerte sie dann: „Man muss sie immer besser machen und dafür kämpfen, anstatt nach Hause zu gehen und Däumchen zu drehen, zumindest ist das meine Meinung“. Ihre einfachen, aber erleuchtenden und leidenschaftlichen Worte und ihr beispielloser Aktivismus werden nicht vergessen und haben ein Erbe an liebevollen Taten in vielen verschiedenen Farben für die hinterlassen, die das Glück hatten, sie kennenzulernen. Sie verdient es deshalb als eine Mutter unseres zukünftigen Europas und unseres Italiens bezeichnet zu werden.“

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