European HerStory: Historische Frauen Europas im Portrait

Louise Weiss: Ein Leben, das dem Aufbau Europas galt

, von  übersetzt von Sara Stachelhaus, Virginie Cardoso

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Louise Weiss: Ein Leben, das dem Aufbau Europas galt
1971 gründete Louise Weiss das Institut für Friedenswissenschaften in Straßburg sowie ihre eigene Stiftung, welche Persönlichkeiten auszeichnet, die aktiv zur europäischen Einheit und zur Förderung der Friedenswissenschaften beigetragen haben, Graphik zur Verfügung gestellt von Guilia Del Vecchio. Bearbeitung von Anja Meunier für treffpunkteuropa.de

Anlässlich des Internationalen Weltfrauentags am 8. März porträtieren wir in unserer European HerStory Reihe weiblicher Akteurinnen und Persönlichkeiten, die für das heutige Europa von herausragender Bedeutung waren. Heute: Louise Weiss.

Ist es euch schon einmal aufgefallen? In der Schule, in Büchern, in Zeitungen oder in Debatten hören und verwenden wir fast immer den berühmten Begriff „(Gründer-)Väter Europas“ - ein Begriff, der sich auf die männlichen Persönlichkeiten bezieht, die unser Land und dessen Beziehungen mit Drittstaaten geprägt haben. Angesichts dieses wiederkehrenden Begriffs stellt sich die berechtigte Frage: Hat es in der zeitgenössischen europäischen Geschichte nie eine Mutter Europas gegeben?

Im Herzen des Europäischen Parlaments in Straßburg befindet sich ein großer, leuchtender Innenhof, der nach Louise Weiss benannt ist. An diesem zentralen und symbolträchtigen Ort hat das Parlament beschlossen, nicht Robert Schuman oder Jacques Delors, sondern einer der berühmtesten Frauengestalten in der Geschichte der europäischen Integration eine besondere Ehre zu erweisen. Als Krankenschwester während des Ersten Weltkriegs, dann als Journalistin und schließlich als Mitglied des Europäischen Parlaments von 1979 bis 1983 widmete Louise Weiss ihr ganzes Leben der Förderung des Friedens, der Zusammenarbeit zwischen den Ländern und der Rechte der Frauen in Europa. In ihrem Buch „Mémoires d’une Européenne“ (Erinnerungen einer Europäerin) erzählt sie von ihrem Engagement für ein geeinteres Europa und ein Europa, das die Gleichberechtigung der Geschlechter stärker respektiert - zwei Anliegen, die ihr Leben prägten und sie zu einer Mutter Europas machten.

Wer ist die engagierte Frau, die oft vergessen hinter den Figuren der europäischen Väter verschwindet?

Schon sehr früh entdeckte Louise Weiss ihr Interesse für internationale Beziehungen. Nach dem Ersten Weltkrieg gründete sie die französische und internationale politische Zeitschrift „L’Europe nouvelle“ (Das neue Europa), in der sie ihren Wunsch nach Pazifismus und die Möglichkeiten der Versöhnung zwischen den europäischen Ländern (insbesondere zwischen Frankreich und Deutschland) diskutierte, um einen neuen Krieg zu vermeiden. Damals waren dies die ersten Überlegungen zur Schaffung einer europäischen Union. Außerdem war Louise Weiss Feministin und gründete daher einige Jahre später ihre eigene Bewegung „La Femme nouvelle“ (Die neue Frau), mit der sie sich für das Frauenwahlrecht in Frankreich einsetzte.

Die Wahl dieser Namen zeigt, dass die junge Elsässerin trotz der Handlungsunfähigkeit des Völkerbundes und des damals drohenden Zweiten Weltkrieges fest an die Wiedergeburt Europas und des Feminismus glaubte: Für sie würde Europa eines Tages aus ihrer Asche auferstehen und das friedliche Zusammenleben die Zukunft des Kontinents bestimmen. Ihr politisches Engagement nahm eine neue Wendung, als sie während des Zweiten Weltkriegs zur Widerstandskämpferin wurde. Bewegt von dem Wunsch, die Schrecken des Krieges nie wieder zu erleben, beschloss sie, bis zum Ende für den Frieden zu kämpfen. Als Journalistin nahm sie zwischen 1945 und 1946 an den Nürnberger Prozessen teil.

Ihr Engagement für den Aufbau Europas ließ mit dem Ende des Krieges nicht nach, im Gegenteil. 1971 gründete sie das Institut für Friedenswissenschaften in Straßburg sowie ihre eigene Stiftung, welche Persönlichkeiten auszeichnet, die aktiv zur europäischen Einheit und zur Förderung der Friedenswissenschaften beigetragen haben (u.a. Simone Weil und Helmut Schmidt).

Den Höhepunkt ihres Ruhmes erreichte Louise Weiss im Jahr 1979, als sie im Alter von 86 Jahren zum Mitglied des Europäischen Parlaments in Straßburg ernannt wurde. Als Alterspräsidentin hielt sie eine Eröffnungsrede bei der ersten Sitzung des Parlaments. Eine der wichtigsten Frauengestalten des Aufbaus Europas erhielt damit die endgültige Anerkennung ihrer politischen Arbeit und ebnete den Weg für andere Frauen, um ihr würdige Nachfolgerinnen zu werden.

Es ist daher kein Zufall, dass das Europäische Parlament den Namen Louise Weiss zu Ehren seines Hauptgebäudes wählte: Die Institution sah in ihr eine Allegorie der europäischen und feministischen Werte, die auch heute noch von größter Bedeutung für Europa sind. Oder liegt es daran, dass die Aktivistin der elsässischen Stadt, in der das Parlament seinen Sitz hat, besonders zugetan war? Zumindest scheint das dieser berühmte Satz von Louise Weiss zu bedeuten: „In Straßburg ist der europäische Geist am offensten und reinsten“.

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