Laut dem tschechischen Meinungsforschungsinstitut SANEP liegt die Partei ANO (Aktion unzufriedener Bürger) mit 26.3 Prozent bei den Wählern ganz vorne (Daten vom Oktober 2017; basierend auf Internetumfrage mit ca. 2000 Teilnehmern; Werte beziehen sich auf Wählerpotenzial). Auch die Aufhebung der Immunität von Spitzenkandidat und Parteigründer Andrej Babiš wegen möglichen EU-Subventionsbetrugs hat an den Präferenzen der tschechischen Wähler für ANO wenig geändert. Der Unternehmer Babiš (siehe auch: Die Unzufriedenen - Wahlen in Tschechien) hat ANO im Jahr 2011 gegründet. Die Partei, die mit dem Slogan „Ja, es wird besser!“ wirbt, bietet ein klar populistisches Programm mit neoliberalen Einflüssen. Ein „effizienter“ Staat in dem schneller und pragmatisch über Gesetze entschieden wird, ist eines von ANOs Hauptzielen. Parteigründer Babiš hat zwar angekündigt, in der Europäischen Union bleiben zu wollen, zeigt sich ansonsten aber europaskeptisch: Einen Beitritt Tschechiens zum Euro hat er ausgeschlossen, sein Tenor ist, dass Brüssel Entscheidungsgewalt an die Nationalstaaten zurückgeben müsse. Ganz klar bezieht ANO Position gegen das von der EU Kommission empfohlene Quotensystem für Flüchtlinge.
Erschreckend ist, dass laut derselben SANEP-Umfrage die Mehrheit der befragten Tschechen den Rechtsextremisten Tomio Okamura als „vertrauenswürdigsten Politiker“ bezeichnen (ca. 40 Prozent). Okamura, Sohn einer Tschechin und eines Japaners, gründete 2015 die Partei SPD (Partei der direkten Demokratie). Genau wie der tschechische Präsident Miloš Zeman hetzt Okamura öffentlich gegen Flüchtlinge, fordert die Tschechen etwa dazu auf, Schweine vor Moscheen zu treiben. Im Jahr 2014 machte er Schlagzeilen, weil er die Existenz des Konzentrationslagers Lety, in welchem unter der Besatzung der Nationalsozialisten Sinti und Roma interniert waren, verleugnete. Die SPD versammelt laut aktueller Prognose 14.8 Prozent der Wähler hinter sich und wäre damit drittstärkste Partei.
Mit wem ANO bei einem Wahlsieg koalieren würde, ist noch unklar. Möglich wäre eine Fortsetzung der Koalition aus ANO und Sozialdemokraten (ČSSD) mit den europafreundlichen Christdemokraten (KDU-ČSL). Die Sozialdemokraten sind aktuell noch stärkste Partei im Parlament, in den Umfragen fallen sie mit 18.1 Prozent jedoch hinter ANO zurück. Spitzenkandidat Lubomír Zaorálek hat eine Koalition mit ANO allerdings für den Fall ausgeschlossen, dass Babiš trotz einer möglichen Verurteilung wegen EU-Subventionsbetrugs in der Politik aktiv bliebe. Die Sozialdemokraten treten zwar für eine starke Europäische Union ein; innenpolitisch zeigte sich die ČSSD im aufgeheizten tschechischen Wahlkampf jedoch zunehmend populistisch: Der sozialdemokratische Innenminister Milan Chovanec machte Anfang des Jahres Schlagzeilen, als er tschechischen Bürgern das Recht zusprechen wollte, im Fall einer terroristischen Bedrohung Waffen einzusetzen.
Ins tschechische Parlament einziehen wird aller Wahrscheinlichkeit auch die kommunistischen Partei KSČM. Die Nachfolgepartei der Kommunisten, die in der Tschechoslowakei bis 1989 an der Macht waren, kommt aktuell auf 14.1 Prozent der Wählerstimmen. Wie ANO zeigt sich auch die KSČM europaskeptisch und argumentiert, dass die EU Kommission sich nicht in nationalstaatliche Belange einmischen dürfe.
Auch die liberal-konservative Demokratische Bürgerpartei (ODS) dürfte es mit prognostizierten 14.6 Prozent ins Parlament schaffen. Die ODS ist traditionell europaskeptisch - Gründer und ehemaliger Premier/Präsident Václav Klaus hat die AfD im deutschen Wahlkampf unterstützt.
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