EYS 2023: Skills im Herzen der Europäischen Union

, von  Jimmy Franz, Melinda Nagy, Monika Hoang The

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EYS 2023: Skills im Herzen der Europäischen Union
Programmiercode Foto: Branko Stancevic / unsplash.com / Lizenz: Unsplash

Lebenslanges Lernen, Umschulung und Weiterbildung sind wichtige Bausteine, wenn es um den Arbeitsmarkt und seine Arbeitsplätze in unserer sich schnell verändernden Wirtschaft geht. Das Europäische Jahr der Kompetenzen (EYS) wurde eingeführt, um Menschen und Unternehmen in die Lage zu versetzen, ihre Fähigkeit zur Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und sie bei der Bewältigung des grünen und digitalen Wandels zu unterstützen. Aber warum ist es so wichtig? Was waren die Hauptziele und was wurde bisher erreicht?

Seit 1983 werden Europäische Jahre ausgerufen, um das Bewusstsein für ein bestimmtes Thema zu schärfen und eine Debatte darüber anzuregen. Dies geschieht durch verschiedene Veranstaltungen und Aktivitäten, die von den EU-Mitgliedstaaten organisiert werden. Diese Initiativen fördern die Unterstützung verschiedener Projekte und zeigen die Lücken und den Verbesserungsbedarf in den bestehenden Regelungen auf, die von den politischen Entscheidungsträgern angegangen werden sollten. Zum Auftakt des Projekts schlägt die Europäische Kommission ein bestimmtes Thema vor, das dann vom Europäischen Parlament und den Regierungen der EU-Mitgliedstaaten angenommen werden muss. Am 10. Mai 2023 haben die oben genannten Institutionen beschlossen, das Jahr 2023 zum Europäischen Jahr der Kompetenzen auszurufen.

Aber warum Kompetenzen?

Zunächst einmal wurden der Arbeitsmarkt und die Wirtschaft in den letzten Jahren durch Faktoren wie die COVID-19-Pandemie oder die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine erschüttert. Als Reaktion auf diese schwierigen Umstände muss die EU die Widerstandsfähigkeit des Marktes stärken.

Darüber hinaus muss der Arbeitsmarkt mit der Agenda 2019-2024 für den Aufbau eines klimaneutralen, grünen, fairen und sozialen Europas Schritt halten, da durch den Wandel neue Kompetenzanforderungen entstanden sind. Der „Digital Economy and Society Index“, der das Ergebnis einer von der Kommission durchgeführten Untersuchung des digitalen Fortschritts ist, hat gezeigt, dass in Zukunft 90 Prozent der Arbeitsplätze digitale Fähigkeiten erfordern werden. Gegenwärtig fehlt es mehr als 1/3 der Beschäftigten in Europa an digitalen Grundkenntnissen. In dem Bericht heißt es außerdem, dass 77 Prozent der Unternehmen Schwierigkeiten haben, Arbeitnehmer mit den erforderlichen Fähigkeiten zu finden. Der Studie zufolge gibt es auch ein geschlechtsspezifisches Qualifikationsgefälle: nur 1 von 5 IKT-Spezialisten und Hochschulabsolventen sind Frauen.

Schließlich ist es auch höchste Zeit, die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zu fördern, die immerhin 99 Prozent aller Unternehmen in der EU ausmachen. In diesen Unternehmen gibt es aufgrund eines Mangels an umfassender Qualifikation rund 83 Millionen Mitarbeiter*innen und Angestellte, die nur begrenzten oder gar keinen Zugang zu persönlichen und wirtschaftlichen Wachstumschancen haben. Das von der EU ausgerufene Jahr der Kompetenzen ist ein Schritt zur Lösung dieser Probleme und zielt darauf ab, die Beschäftigung anzukurbeln und gleichzeitig den Fachkräftemangel zu reduzieren.

Und wie sieht das dann in der Praxis aus?

In ganz Europa wurden innovative Programme ins Leben gerufen, um das Bewusstsein für die Bedeutung von Bildung zu schärfen und konkrete Lernmöglichkeiten zu schaffen. Um diese Herausforderungen zu bewältigen, hat sich das EYS auf vier Hauptziele konzentriert:

  1. Förderung von Investitionen in Ausbildung und Weiterbildung: Die Verbesserung der beruflichen Anpassungsfähigkeit und des lebenslangen Lernens sind von entscheidender Bedeutung, damit die Menschen in ihren derzeitigen Positionen bleiben oder neue Möglichkeiten finden können.
  2. Sicherstellung, dass die Qualifikationen den Anforderungen der Arbeitgeber*innen entsprechen: Strategies were developed in close cooperation with social partners and companies to align the workforce’s competencies with market needs, particularly regarding the green and digital transitions.
  3. Angleichung der Wünsche und Fähigkeiten an die Marktchancen: Ziel war es auch, sicherzustellen, dass die Fähigkeiten und der Berufswunsch der Menschen mit dem tatsächlichen Arbeitsplatzangebot übereinstimmen, um so eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung zu fördern.
  4. Anziehung von Talenten von außerhalb der EU: Es wurden gezielte Maßnahmen ergriffen, um den europäischen Arbeitsmarkt für internationale Talente attraktiver zu machen und den Fachkräftemangel wirksam zu bekämpfen.

EU-weit werden Initiativen ergriffen, die den Einzelnen dabei unterstützen, die notwendigen Fähigkeiten zu erwerben, um eine qualifizierte Arbeitskraft zu werden. Diese Initiativen richten sich nicht nur an die Arbeitskräfte, sondern auch an die Basis der Wirtschaft, die KMU. Sie werden mit innovativen europäischen Lösungen und Strategien zur Bewältigung des Fachkräftemangels vertraut gemacht, mit dem viele Unternehmen in der EU konfrontiert sind. Diese Bemühungen stehen im Einklang mit dem für 2030 gesetzten gesellschaftlichen Ziel, dass mindestens 60 Prozent aller Erwachsenen jährlich an einer Weiterbildung teilnehmen sollen. Dieses Ziel unterstreicht das Engagement für lebenslanges Lernen und die Weiterbildung von qualifizierten Arbeitskräften, die in der Lage sind, sich an die sich wandelnden Anforderungen des globalen Marktes anzupassen.

Eine Eurobarometer-Umfrage aus dem September 2023 zeigt aufschlussreiche Fakten: Der Bedarf an Qualifikationen ist demnach in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich. Fast die Hälfte der Befragten (45 Prozent) gab an, dass der Mangel an digitalen Kompetenzen ihre Bemühungen um die Einführung oder Nutzung digitaler Technologien behindert. Vier von zehn (39 Prozent) sehen Schwierigkeiten bei der Ökologisierung ihrer Geschäftsaktivitäten.

Aktivitäten und Veranstaltungen

Das ganze Aktionsjahr über wurde eine breite Vielfalt an Veranstaltungen und Initiativen angeboten, die von Künstlicher Intelligenz über internationale Zusammenarbeit bis hin zur Entwicklung neuer Kompetenzen reichten. Das Jahr wurde mit einem Festival eröffnet, das kompetenzbezogene Aktivitäten in ganz Europa miteinander verband. Die “Skills Fair” in Turin, Italien, ist eine interaktive Messe, auf der Einzelpersonen ihre Fähigkeiten präsentierten und mit potenziellen Arbeitgebern in Kontakt traten. Eine interaktive Karte zeigt außerdem thematische Veranstaltungen, die im Rahmen des Themenjahres stattfinden oder einfach dazu passen – wie die EU-Code-Woche.

Eine Schlüsselkomponente der Initiative war der „Pakt für Kompetenzen“, der darauf abzielte, öffentliche und private Organisationen zusammenzubringen, um konkrete Verpflichtungen für die Weiterqualifizierung und Umschulung von Erwachsenen einzugehen, die Grundlage für lebenslanges Lernen zu schaffen und die Ziele des Digitalen Kompasses für 2030 zu unterstützen.

Die EU Code Week bot Teilnehmer*innen die Möglichkeit, das Programmieren zu erlernen. Diese und ähnliche Veranstaltungen zielten nicht nur darauf ab, neue Fähigkeiten zu vermitteln, sondern auch das Bewusstsein für die Bedeutung von Digitalisierung und Nachhaltigkeit zu schärfen. Thematische Veranstaltungen fanden bis Ende April 2024 statt. In den Jahren, in denen es ein Europäisches Jahr gibt, kündigt die Kommissionspräsident*in es in seiner Rede zur Lage der Union an. In diesem Jahr wurde jedoch aufgrund der EU-Wahlen bisher kein weiteres Jahr angekündigt.

Was geschieht nach dem EYS?

Es wurden zwar viele Maßnahmen ergriffen, um die Bedeutung von Kompetenzen für die Zukunft hervorzuheben, aber haben diese die gesteckten Ziele erreicht? Auf der einen Seite sollten die Mittel, die z. B. im Rahmen des Europäischen Sozialfonds, der Fazilität für Konjunkturbelebung und Stärkung der Resilienz, von Horizont Europa oder der Erasmus+-Programme in Kompetenzen investiert wurden, nicht vernachlässigt werden. Mit der Idee, neuen Schwung in die Erreichung der sozialen Ziele der EU2030 zu bringen, wonach jedes Jahr mindestens 60 Prozent der Erwachsenen eine Ausbildung absolvieren und mindestens 78 Prozent eine Beschäftigung haben sollen, sollte das beschlossene Jahr auch dazu beitragen, die Ziele des Digitalen Kompass 2030 zu erreichen, wonach mindestens 80 Prozent der Erwachsenen über digitale Grundkenntnisse verfügen und 20 Millionen IKT-Spezialist*innen in der EU beschäftigt sein sollen. Andererseits gibt es weder Beweise noch Daten dafür, dass es die europäischen Bürgerinnen und Bürger in Richtung der gewünschten Ziele gebracht hat. Es könnte eine Weile dauern, bis wir die Früchte dieser Initiativen ernten und die tatsächlichen Auswirkungen dieses Jahres sehen können.

Wir haben den Kommissar für Beschäftigung und soziale Rechte, Nicolas Schmit, zu den erzielten Entwicklungen befragt. Er betonte den bedeutenden Effekt des EYS: „Durch die Ausrufung des Europäischen Jahres konnten wir das Augenmerk auf Investitionen in Kompetenzen richten und eine europaweite Kampagne starten. Und das hat eindeutig eine nachhaltige Wirkung gehabt. Mehr Menschen und Unternehmen denken jetzt darüber nach, Weiterbildungsmaßnahmen anzubieten oder in Anspruch zu nehmen, was bedeutet, dass wir der Schließung von Lücken auf dem Arbeitsmarkt und der Förderung der beruflichen Laufbahn der Menschen einen Schritt näher gekommen sind. Qualifikationen sind nun ein fester Bestandteil der EU- und der nationalen Politik“. In seinen Ausführungen äußerte sich Schmit auch selbstkritisch zu den erzielten Fortschritten und zur Bedeutung der Aufrechterhaltung der Dynamik: „Dies kann nicht unterschätzt werden - es ist bereits ein großer Schritt nach vorn. Ich hoffe, dass wir in 20 Jahren zurückblicken und sagen können, dass das Jahr der Kompetenzen ein Wendepunkt in der EU war“.

Zum Abschluss des EYS fand am 30. April 2024 in Brüssel die Konferenz "The European Year of Skills - what comes next? statt. Auf der Veranstaltung tauschten die Teilnehmer*innen erfolgreiche Geschichten über Kompetenzen und bewährte Verfahren aus und diskutierten über das Ergebnis des Europäischen Jahres der Kompetenzen. Das Europäische Jahr der Kompetenzen wird als erfolgreich bewertet, da zahlreiche Initiativen ergriffen wurden, um das Bewusstsein für die Relevanz von Qualifikationen zu schärfen, mögliche Lösungen zur Verringerung der Nichterwerbsquote in Europa zu finden, mehr Talente von außerhalb der EU anzuziehen, Tarifverhandlungen auf nationaler Ebene zu fördern oder verschiedene Arbeitsformen zu unterstützen. Dennoch sollte nicht vergessen werden, dass die Bereiche Beschäftigung und Bildung immer noch stark unterfinanziert sind und Investitionen in Qualifikationen auf der europäischen Agenda einen höheren Stellenwert erhalten müssen. Das EYS endet nicht am Ende eines Monats und sollte es auch nicht tun. Qualifikationen sind Teil des Konzepts des lebenslangen Lernens und ein entscheidender Faktor für die Gewährleistung gleicher Chancen in der Gesellschaft. Sie sind unverzichtbar, um sicherzustellen, dass niemand zurückbleibt. Das kommende Jahr wird voraussichtlich ein neues Thema bringen, das in der europäischen Politik Priorität haben wird. Wird es auf dem aufbauen, was in den letzten Monaten erreicht wurde? Wir werden sehen.

This article is part of the project "Newsroom Europe" which trains young Europeans from three EU Member States (Belgium, Germany and Hungary) in critical and open-minded media reporting and on the functioning of European decision-making. The project is carried out jointly by the Europäische Akademie Berlin e.V., the Center for Independent Journalism, and the Friedrich Naumann Foundation, and is also co-financed by the European Union. Treffpunkteuropa.de is media partner of the project.

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