Asylpolitik als Gemeinschaftsaufgabe
„Die Jungen Europäischen Föderalisten Deutschland widersprechen entschieden der Erlaubnis zur Aussetzung des Schengen-Abkommens im Falle erhöhten Flüchtlingsaufkommens statt eines solidarischen europäischen Ansatzes.“ (Beschluss des 60. JEF-Bundeskongresses)
In einem Beschluss des 60. Bundeskongresses sprachen sich die knapp 120 Delegierten der JEF Deutschland mit großer Mehrheit gegen die derzeitige Praxis in Europa und für die Vergemeinschaftung des Asylrechts aus. Dieses solle nicht nur die Standards der Anerkennung von Flüchtlingen vereinheitlichen, sondern auch die anerkannten Flüchtlinge nach einem fairen Verteilungsschlüssel auf die Mitgliedsstaaten der EU aufteilen. Die bislang geltende „Dublin-II-Verordnung“, wonach ein Flüchtling in dem Land seinen Asylantrag stellen müsse, in dem er erstmals die EU betreten hat, müsse abgeschafft werden. Ebenso die sogenannte EURODAC-Verordnung, die de facto die Flüchtlinge unter Generalverdacht stellt Kriminelle zu sein.
Entschieden kritisierten die Delegierten zudem die Möglichkeit der Aussetzung des Schengener Abkommens im Falle eines erhöhten Flüchtlingsaufkommens. Damit stellten die EU-Innenminister eine der größten Errungenschaften und ältesten Forderungen der föderalistischen Verbände – ein Europa ohne Grenzen – zur Disposition.
Für eine positive Perspektive auf die Flüchtlinge
„When we debate immigration and the movement of people around the world are we still confident that liberalism and humanism are the currency of the West?” (Chris Patten: „What next?“)
Nicht zuletzt am Umgang mit den Flüchtlingen entscheide sich der Charakter der EU als Wertegemeinschaft – auch dies formulierten die Delegierten in aller Deutlichkeit. Die Wahrnehmung von Flüchtlingen als Sicherheitsproblem und als potentielle Kriminelle ließe sich nur schwer mit den Grundsätzen des europäischen Wertekanons verbinden.
Das Beispiel der Flüchtlinge vom Balkan in den 1990er Jahren hat gezeigt, dass viele Flüchtlinge die Chancen, die ihnen angeboten werden, nur allzu gerne nutzen und nicht nach Europa kommen, um sich hier im Sozialstaat auszuruhen. Viele der damals Vertriebenen sind heute – nachdem vor allem die jungen die Möglichkeit hatten, sich Schul- und z.T. auch akademische Bildung anzueignen – wieder zurück in ihren Heimatländern und helfen am politischen und gesellschaftlichen Wiederaufbau. Nicht zu unterschätzen ist ihr Wert als „Brückenbauer“ zwischen Europa und ihren Heimatländern. Wer einmal beispielsweise in Sarajevo mit ehemaligen Kriegsflüchtlingen gesprochen hat, kann sich über ihre vorwiegend positive Einstellung gegenüber Deutschland und Europa, den vielen vermeintlich „deutschen Tugenden“, die sie mit in ihr Heimatland genommen haben und den Ehrgeiz, den sie in den Wiederaufbau ihres Landes stecken, nur freuen.
Und auch das Beispiel der Asylbewerber von Schwäbisch Gmünd zeigt, dass die Flüchtlinge nicht in unsere Sozialsysteme einwandern wollen, sondern – wie auch schon auf der Flucht – ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen wollen. Die Asylsuchenden in Schwäbisch Gmünd waren bereit selbst bei brennender Hitze für nur einen Euro die Stunde, zu arbeiten, sich einzubringen und jede Chance zu nutzen, die sich ihnen bietet, um sich ein besseres Leben zu erarbeiten. Auch nach dem Abbruch des Projekts seitens der Bahn und der Stadt Schwäbisch Gmünd blieben viele der Asylsuchenden am Bahnhof und boten weiterhin den Reisenden unentgeltlich ihre Hilfe beim Transport ihres Gepäcks an.
Es ist also nicht die Aussicht, in unseren Job-Centern Hartz IV beantragen zu können, sondern das alte liberale Versprechen, sich und seinen Liebsten in Freiheit durch seiner eigenen Hände Arbeit eine Zukunft aufbauen zu können, die die Menschen die lebensgefährlichen Reisen nach Europa auf sich nehmen lässt.
Ein globales Problem braucht mindestens eine europäische Lösung
„The McNicholases, the Posalskis, the Smiths, Zerillis, too, the Blacks, the Irish, Italians, the Germans and the Jews, [...] They died to get here a hundred years ago They’re still dying now, The hands that built the country we’re always trying to keep out” (Bruce Springsteen, “American Land”)
Erzwungene Migration ist ein globales Phänomen. Die Flüchtlinge, welche Europa erreichen, stellen dabei nur die Spitze des Eisbergs dar. Die meiste Migration findet innerstaatlich statt, gefolgt von der innerafrikanischen Migration. Daher scheinen die Pläne der EU-Innenminister, die vielen Fluchtgründe in den unzähligen Herkunftsländern anhzugehen und gegen die unzähligen Schlepperbanden vorzugehen, wesentlich ambitionierter – man möchte fast sagen zu ambitioniert, als dass es ernst gemeint sein könnte – als sich im Kreis von 28 Innenministern auf ein neues europäisches Asylrecht zu einigen.
Auch sollten wir Europäer heute nicht vergessen, dass Europa im 19. Jahrhundert selbst ein großer Auswanderungskontinent gewesen ist. Zwischen 1820 und 1920 verließen Millionen von Deutschen ihr Land um in die USA auszuwandern – und zwar sowohl aus wirtschaftlichen (Hunger und Armut) wie aus politischen Gründen (insbesondere nach der gescheiterten 1848er Revolution). Mittlerweile kommen wir kaum um die Einsicht herum, dass Europa ein Einwanderungskontinent ist!
Der Wunsch der jungen Generationen Afrikas und des Nahen Ostens, ihrer desolaten wirtschaftlichen und politisch unfreien Lage zu entfliehen und die Hoffnung, sich in Europa eine eigene Zukunft aufbauen zu können, wird wohl eher zu- als abnehmen. Die Antwort Europas muss die gemeinsame Verantwortung für unsere Außengrenzen und damit verbunden die gemeinsame Verantwortung für die Zulassung von Asylsuchenden sein. Europa sollte sich dabei auf die sich selbst gesetzten Ideale der Menschlichkeit und Menschenwürde besinnen. Wir sollten auch bedenken, dass Wille, Ehrgeiz und die Hoffnung der Migranten auf eine bessere Zukunft Qualifikationen sind, von denen unser Kontinent – auch und gerade wirtschaftlich – profitieren kann. Nicht zuletzt sind gerade in unserer Zeit Brückenbauer zwischen Staaten, zwischen Kulturen und zwischen Religionen unentbehrlicher denn je und werden einen Beitrag zu einer friedlich Entwicklung liefern.
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