Galileo: die Grenzen Europas verschieben

, von  Thomas Buttin, übersetzt von Noëlle Cremer

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Galileo: die Grenzen Europas verschieben
Fotoquelle: Pixabay / Colin Behrens / CC0-Lizenz

Am 25. Juli dieses Jahres startete die Europäische Union erfolgreich vier Satelliten von Französisch-Guayana aus. Es handelte sich dabei um eine der letzten Etappen vor Abschluss des Galileo-Programms, der für das Jahr 2020 vorgesehen ist. Als Konkurrent des amerikanischen GPS liefert dieses System schon heute ca. 400 Millionen Nutzer*innen Leistungen im Bereich der Positions- und Zeitbestimmung. Sein Ziel ist es, Europa im technologischen und digitalen Bereich unabhängig von der amerikanischen Vormachtstellung zu machen.

Der Weltraum ist eine wichtige Herausforderung für die Europäische Union. Dieses Schlachtfeld benötigt ein beachtliches Budget und einen Ausgleich der nationalstaatlichen Ambitionen, die EU-Kommissarin Elzbieta Bienkowska hat die Herausforderung jedoch angenommen. Es geht darum, die Europäische Kommission von einem Organ, das mit der Finanzierung des Weltraumprogramms bedacht ist, zu einer politischen Autorität der globalen Weltraumstrategie umzubauen. Dieses Europa ist dabei, ein unumgänglicher Akteur auf internationaler Ebene zu werden: ein Genauigkeitsrekord von 20 Zentimetern und eine im Alltag unerlässliche Technologie für die Entwicklung eines vernetzten Transportsystems, für die Landwirtschaft oder auch für den Luftverkehr… Diese Herausforderungen sind über die wirtschaftlichen Aspekte hinaus stark politisch und geostrategisch geprägt.

Ein Instrument europäischer Souveränität

Knapp zehn Prozent der europäischen Wirtschaft hängt von der Verfügbarkeit von Navigationssignalen ab, der Markt von Navigationsdiensten dürfte im Jahr 2022 nicht weniger als 250 Milliarden Euro umfassen. Neben den wichtigen ökonomischen Seiten macht auch der militärische Nutzen Galileo zu einem Instrument der Souveränität für die Europäische Union und jeden einzelnen ihrer Mitgliedsstaaten. Auch wenn ein militärischer Zusammenschluss Europas kaum voranschreitet, herrscht bei Fragen des Weltraums Einigkeit: Frankreich hat dazu die Infrastruktur des Hauptzentrums für Sicherheit des Programms innerhalb des französischen Militärcamps Saint-Germain-en-Laye angeboten.

Die Weltraumpolitik von Ländern wie den USA oder China, die zuvor offen für freiwillige Kooperationen waren, ist nunmehr auf wirtschaftliche Konkurrenz ausgerichtet, die im Gegensatz zur Logik der gegenseitigen Unterstützung steht. Ein souveränes Europa könnte als Lösung für die geopolitischen und wettbewerbsfähigen Verschiebungen auf internationaler Ebene betrachtet werden. Die Souveränität, die im weiteren Sinne durch die Sicherheit der Europäer*innen entsteht, impliziert Versorgungssicherheit, die Beherrschung von Spitzentechnologien und -industrien, die Kontrolle ihrer Transfers, den Schutz von Seiten und Netzwerken vor Cyberattacken, ebenso wie eine europäische Kontrolle und schnelle Befehlsabläufe. Maroš Šefčovič, Vizepräsident der Kommission, erklärte: „Der Weltraum ist dabei, eine neue Grenze [für Europa] zu werden. Wir müssen darauf hinarbeiten, dass Europa die globale Führung und strategische Autonomie erreicht.“

Der Weltraum, eine wichtige Herausforderung für Europa

Europa muss in einem Schlüsselsektor, wie ihn der Weltraum darstellt, eine entscheidende Rolle spielen. Die Mitgliedsstaaten müssen die Möglichkeit haben, Satelliten starten und auf ihre Daten zugreifen und gleichzeitig an der Weltspitze mitspielen zu können. Tatsächlich würden die Bürger*innen Europas jeden Tag ca. 50 Satelliten nutzen, um die Wettervorhersage, die Nachrichten usw. abzurufen. Falls die Programme Galileo und Copernicus ein wahrhaftiger Erfolg sind, wird die Konkurrenz explodieren: Das europäische Weltraumbudget ist vier- bis sechsmal kleiner als das der NASA, was den US-Amerikanern mit Milliardeninvestoren wie Elon Musk (SpaceX) und Jeff Bezos (Blue Origin) einen Vorteil in Zivil- und Militärbereichen verschafft.

Das Helios-Programm, das aus Beobachtungssatelliten besteht, erlaubt es der Europäischen Union, auf autonome Mittel zur Überwachung und zum Management des Weltraumverkehrs zurückzugreifen. Dieses europäische Vorhaben macht es möglich, die immer stärker werdenden militärischen Bedürfnisse nach (welt-)räumlichen Informationen und Daten abzudecken. Ein Europa der gemeinsamen Verteidigungspolitik steckt zwar noch in den Kinderschuhen, im Weltraum jedoch existiert es schon mit einem gemeinsamen Weltraumkommando des Generalstabes. Die Europäische Union hat mit ihren Überseegebieten, ihrer Spitzentechnologie und dem gemeinsamen Willen ihrer Mitgliedsstaaten einen Vorteil. Es geht nun darum, festzustellen, was uns Europa ermöglichen kann, wenn Vereinbarungen und Kooperationen bestehen, aber auch darum, die Bemühungen zu intensivieren, um an der Weltspitze zu bleiben.

Elzbieta Bienkowska hat angekündigt: „Wir können stolz auf unsere erfolgreichen Weltraumaktivitäten sein. Europa ist eine wahre Weltraummacht geworden. Seit dem Beginn des Mandats hatte ich klare Ziele: die Infrastruktur zur rechten Zeit und innerhalb des Budgets zu entwickeln, die ersten Dienstleistungen zu liefern und einen schnellen Aufschwung zu sichern. Heute können wir sagen, dass wir es geschafft haben. Aber die Bemühungen und Investitionen müssen sich im Rahmen des neuen EU-Weltraumprogramms fortsetzen.“

Brit*innen sind vom Projekt ausgeschlossen

Der europäische Satellit ist ein zentraler Souveränitätssektor für die Europäische Union. Nur Unternehmen der Mitgliedsstaaten können an Ausschreibungen für das Galileo-Programm teilnehmen. Als die Brit*innen vor zwei Jahren für einen Austritt aus der Europäischen Union stimmten, hatte die Realität des Brexits noch nicht ihre gesamte Bandbreite offenbart. Britische Unternehmen werden nun von den Ausschreibungen der verschlüsselten Teile Galileos ausgeschlossen sein, ohne London dabei zu verstimmen. Wichtige Verträge, die die britische Industrie in diesem Projekt hatte abschließen können, werden jetzt abgelehnt. Die europäischen Autoritäten akzeptieren keinerlei Zugriffe einer dritten Partei auf die Informationen der strategischen Sicherheit der EU. Die britische Regierung versucht nun, in den Verhandlungen mit Brüssel in den Bereichen der Verteidigung und Industrie Druck auszuüben. Das Vereinigte Königreich droht, ein eigenes Konkurrenzsystem aufzubauen, sollte es von Galileo ausgeschlossen werden. Diese Idee erscheint jedoch wenig glaubhaft und kaum durchführbar, beachtet man die dabei anfallenden Kosten. Hier also eine weitere unvereinbarte Folge des Brexits, über die kaum gesprochen wird.

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