Liebe Europäer*innen,
In den vergangenen Monaten haben wir beobachten können, wie ein Ruck durch den Freistaat Bayern ging. Plötzlich waren da zehntausende Menschen auf den Straßen, demonstrierten gegen die geplante Neufassung des Polizeiaufgabengesetzes. Im Sommer standen 50.000 Menschen auf dem Münchener Odeonsplatz und wehrten sich unter dem Motto #ausgehetzt gegen die rassistischen und reaktionären Äußerungen von CSU-Funktionär*innen. Nach einem spannenden Landtagswahlkampf erreichten die Grünen besonders bei jungen Menschen hohe Wahlergebnisse. Und die Welle bricht nicht ab: Seit Dezember finden auch in Bayern jede Woche Fridays For Future-Demos statt.
Und dann kam noch im vergangenen Monat der Erfolg des Volksbegehrens „Artenvielfalt“ dazu, welches zwischen dem 31. Januar und dem 13. Februar 1.745.383 Menschen unterschrieben hatten. Das entspricht 18,4 Prozent der Wahlberechtigten und ist somit das erfolgreichste Volksbegehren in der Geschichte des Freistaats. Gefordert werden darin unter anderem mehr ökologische Landwirtschaft, landesweite Biotopverbünde, Uferrandstreifen bei Gewässern, mehr Blühland statt Gründland und ein Verbot des Gebrauchs von Pestiziden auf staatlichen Flächen. Noch knapp zwei Wochen Zeit bleibt, damit dieser Gesetzentwurf im Landtag eingebracht wird: Bei Ablehnung durch das Parlament würde über den Entwurf des Bündnisses und als Alternative ein Entwurf des Landtages per Referendum abgestimmt werden. Nötig ist das vorgeschlagene Gesetz mehr denn je. Fast 50 Prozent der Bienenarten in Deutschland sind ausgestorben oder bestandsbedroht, die Luft ist leer mit 75 Prozent weniger Fluginsekten und einige Teile Bayerns verzeichnen einen Schwund von Schmetterlingen um 70 bis 90 Prozent. Ähnlich sieht es in anderen Gegenden aus. Sollte es beschlossen werden - das neue bayerische Artenschutzgesetz könnte Vorbildcharakter für viele andere haben!
Klar ist aber auch: Umweltschutz und der Erhalt der Artenvielfalt enden nicht mit Maßnahmen in der Landwirtschaft, auch wenn diese mehr als nötig sind. Insekten, aber eigentlich das ganze Ökosystem, sind stark vom Klimawandel bedroht. Wenn die Temperaturen steigen und ganze Regionen - wie im letzten Sommer - unter Dürre leiden, weichen manche Arten in nördlichere Breiten aus. Viele verschwinden ganz. Die größte Aufgabe unserer Zeit ist deswegen der Klimawandel und dessen Konsequenzen: Wir wollen das Artensterben und die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen aufhalten.
Es ist unsere Zukunft, über die hier entschieden wird. Deswegen ist jetzt die Zeit zu handeln! Und zwar mit konkreten Maßnahmen statt bloßer Worthülsen in Verfassungstexten. Beispielsweise wird in Bayern die Energiewende seit Jahren durch die 10H-Regelung, welche Windkraftanlagen einen Abstand um das zehnfache ihrer Höhe zur nächsten Wohnbebauung vorschreibt, blockiert. Das muss enden, genauso wie die Kohleverstromung in den europäischen Kohlerevieren. Ebenso brauchen wir eine radikale Verkehrswende. Der fossil motorisierte Individualverkehr trägt einen erheblichen Teil zu den CO2-Emissionen bei. Er sollte durch klimaneutrale Fortbewegung sowie einen massiven Ausbau des ÖPNV und des Bahnverkehrs ersetzt werden. Alle diese Maßnahmen müssen auf vielen Ebenen ablaufen: Vor Ort in den Kommunen müssen Innenstädte autofrei werden, in Bayern muss 10H fallen und in Europa muss die Abkehr von fossilen Brennstoffträgern vorangetrieben werden. Nur wenn wir alle gemeinsam den Klimaschutz zur obersten umweltpolitischen Priorität machen, können wir die Klimakatastrophe noch stoppen. Deswegen sind die Europawahlen besonders in dieser Hinsicht auch so bedeutend.
Der Klimakatastrophe wollen wir mit sofortigen, konkreten Maßnahmen begegnen. Aber wir müssen uns auch immer wieder deutlich machen, warum sie überhaupt erst entstand. Der Kapitalismus ist eine Wirtschaftsweise, die auf der Ausbeutung des Planeten fußt. Auf Ausbeutung folgt Zerstörung: Somit ist der Kapitalismus eine tickende Zeitbombe und wird in letzter Konsequenz zu einem Artensterben und der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen von nicht abzusehendem Ausmaß führen. Es gibt keinen Planeten B – und wenn die Menschheit langfristig auf diesem Planeten A leben will, dann muss sie den Kapitalismus überwinden. Wir müssen diskutieren, welches Wirtschaftssystem danach kommen kann. Aber wenn wir diese Diskussion nie beginnen, dann bekämpfen wir nur Symptome. Für uns junge Menschen wird eine fundamentale Änderung des Wirtschaftssystems früher oder später überlebensnotwendig sein. Deswegen lasst uns jetzt beginnen - mit allem, was nötig ist, um die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen aufzuhalten. Wir hoffen darauf, diesen Kampf mit euch gemeinsam führen zu können!
Solidarische Grüße
Sebastian & Mirjam
Sebastian und Mirjam sind Teil des Vorstands der Grünen Jugend Bayern, einem der 16 Landesverbände der Grünen Jugend.
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