Jahrestag der Befreiung von Ausschwitz

Gedenktag der Völkermorde und Tag der Prävention

, von  Caroline Laforgue, Stefan Preiss, Übersetzt von Sebastian Emde

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Gedenktag der Völkermorde und Tag der Prävention

Der 27. Januar, der Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau, wird jedes Jahr als „Internationaler Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust“ begangen. Bei dieser Gelegenheit wird die Bedeutung von Werten wie Frieden, Toleranz und Gleichheit hervorgehoben, indem an die dunkle Seite der Geschichte des 20. Jahrhunderts erinnert wird: an die Geschichte eines Jahrhunderts der Völkermorde.

Ermöglicht durch den wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt in Verbindung mit der intellektuellen Vorherrschaft von Rassentheorien und Nationalismus ist die systematische Auslöschung „einer ethnischen, nationalen, rassischen oder religiösen Gruppe“ (so die Vereinten Nationen) ein Merkmal des letzten Jahrhunderts. Der polnische Jurist Raphael Lemkin verwendet den Begriff Völkermord erstmals 1943, um Verbrechen zu definieren, die in den Konzentrationslagern der Nazis auf polnischem Gebiet begangen wurden. Im Jahr 1948 verabschiedeten dann die Vereinten Nationen die „Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes“, die den Völkermord definiert und verurteilt.

Folgende Völkermorde sind offiziell als solche anerkannt:

Die Ausrottung der Herero und Namas

Der erste Genozid des 20. Jahrhunderts ist auch der unbekannteste: die Ausrottung der Herero und Namas durch deutsche Soldaten in der deutschen Kolonie Südwestafrika, dem heutigen Namibia, zwischen 1904 und 1908. Als Reaktion auf Aufstände dieser Völker gegen den Kolonialismus wurden 60.000 Menschen in die Wüste getrieben, wo sie verhungerten. Die Überlebenden endeten oft in Konzentrationslagern. Deutschland hat diesen Völkermord anerkannt, aber es gibt weiterhin politische Differenzen in Bezug auf die Zahlung von Reparationen.

Völkermord an den Armeniern

Während des Ersten Weltkriegs fand der Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich statt. Die Armenier hatten im gesamten Orient jahrhundertelang als Minderheit gelebt, aber mit dem Aufkommen des Nationalismus unter der türkischen und muslimischen Mehrheitsbevölkerung und einer feindseligen Haltung gegenüber christlichen Minderheiten kam es gegen Ende des 19. Jahrhunderts vermehrt zu Pogromen. Während des Krieges wurden die Armenier verdächtigt, für Russland zu spionieren. 1915 begann die Regierung der Jungtürken mit der systematischen Deportation der Armenier: Die meisten der Opfer starben auf Todesmärschen oder wurden in der Wüste ausgesetzt. Die Gesamtzahl der Opfer wird auf 800.000 Menschen geschätzt. Die internationale Anerkennung dieses Völkermordes erreichten die Armenier dank der Arbeit ihrer Diaspora, die in der Welt stark vertreten ist. Die Türkei hingegen erkennt diesen Völkermord nicht an und spricht von angemessenen Maßnahmen in Kriegszeiten. Für den 1920 gegründeten armenischen Staat, der 1991 seine Unabhängigkeit wiedererlangt hat, ist die Erinnerung an den Völkermord sehr bedeutend, besonders im derzeitigen Konflikt mit dem benachbarten Aserbaidschan, das eng mit der Türkei verbündet ist.

Assyrische Völkermord

Im Zusammenhang mit diesen Ereignissen steht auch der assyrische Völkermord, der im gleichen Zeitraum stattfand und etwa 250.000 Christen verschiedener Konfessionen in Syrien und Anatolien das Leben kostete.

Shoa/Holocaust

Die Vernichtung der europäischen Juden durch Nazi-Deutschland und seine Verbündeten, meist als Shoah oder Holocaust bezeichnet, kann schon fast als Paradigma der Gräueltaten des 20. Jahrhunderts gelten und nimmt aufgrund ihrer industriellen Effizienz und der technokratischen Präzision bei ihrer Organisation einen besonderen Platz unter den Genoziden ein. Nach langanhaltenden antisemitischen Maßnahmen seit der Machtergreifung des NS-Regimes in Deutschland im Jahr 1933 begann die systematische Vernichtung der jüdischen Bevölkerung 1941 mit dem Angriff auf die Sowjetunion und endete erst Anfang 1945 mit der Befreiung der Konzentrationslager durch die Alliierten.

Während die Vernichtungslager wie Sobibor, Treblinka und vor allem Auschwitz mit ihren Gaskammern zu Symbolen der Grausamkeiten der Shoah wurden, sollte man nicht vergessen, dass fast zwei Drittel der Opfer von Militärkommandos erschossen wurden. Während der Shoah wurden insgesamt 6 Millionen Juden getötet und die jüdische Kultur Mitteleuropas wurde nahezu ausgelöscht. Eher unbeachtet von der breiten Öffentlichkeit hat ein hohes Maß an Medienberichterstattung in der unmittelbaren Nachkriegszeit die Schrecken der Shoah zu einem zentralen Bestandteil der deutschen, europäischen und weltweiten Erinnerung gemacht. Mit der Shoah verbunden sind auch der Völkermord an den Roma in Europa, genannt „Porajmos“ („das Verschlingen“), mit 200.000 Opfern sowie der Völkermord des kollaborativen und faschistischen Ustascha-Regimes in Kroatien, dem 200.000 Serben, Juden und Roma zum Opfer fielen.

Völkermord in Ruanda

Der Völkermord in Ruanda im Jahr 1994 wurde von der Regierung und Hutu-Milizen an der Tutsi-Minderheit verübt. Innerhalb von drei Monaten wurden 800.000 Tutsis (das entspricht 75% aller Menschen dieser ethnischen Minderheit im Land) sowie Hutus, die sich nicht an den Massakern beteiligen wollten, getötet. Die Tatsache, dass diese Massaker teilweise mit einfachen Messern begangen wurden, lässt das Bild einer afrikanischen Barbarei und Wildheit aufkommen. Der Konflikt zwischen Hutus und Tutsis ist jedoch keineswegs ein uralter Stammeskampf, sondern ein gesellschaftlicher Konflikt, der seinen Ursprung in einer Politik des „divide et impera“ der europäischen Kolonialmächte hat. Einige Jahre zuvor hatten die gleichen Probleme bereits zwei ebenfalls als Völkermorde bezeichnete Ereignisse im benachbarten Burundi verursacht, wo Tutsis 1965 und 1972 zwischen 100.000 und 300.000 Hutus töteten.

Das Massaker von Srebenica

Das Massaker von Srebrenica im Jahr 1995 ist der traurige Höhepunkt des blutigen Krieges zwischen Serben, Kroaten und Bosniaken während des Zerfallsprozesses des ehemaligen Jugoslawiens ab 1991. Serbische Milizen ermorden 8000 Bosnier, vor allem Männer muslimischen Glaubens, während die von den Vereinten Nationen entsandten Soldaten (Blauhelme), meist Niederländer, untätig bleiben.

Bangladesch, Libyen, und Ukraine

Zu den Völkermorden des 20. Jahrhunderts kann man auch die Massaker zählen, die von der pakistanischen Regierung und islamistischen Milizen in Ostpakistan, dem heutigen Bangladesch, an den Unabhängigkeitsbefürwortern und insbesondere an der religiösen Minderheit der Hindus in den Jahren 1971-1972 mit 3 Millionen Toten verübt wurden. Noch weniger bekannt ist der Völkermord an arabischen Stämmen in der libyschen Region Kyrenaika, den das faschistische Italien während seiner kolonialen Expansion beging und der zwischen 1927 und 1934 60.000 bis 70.000 Menschen das Leben kostete. Die Ukraine setzt sich dafür ein, dass auch der Holodomor in die Liste der offiziell anerkannten Völkermorde aufgenommen wird. Diese große Hungersnot in den Jahren 1932 und 1933, die durch Stalins Politik gegenüber den ukrainischen Bauern verursacht wurde, führte zum Tod von mindestens 2,5 Millionen Menschen und hatte traumatische Auswirkungen auf das Land.

Der Internationale Strafgerichtshof

Die Vereinten Nationen und viele NGOs haben beachtliche Anstrengungen unternommen, um Völkermorde zu bestrafen und zu verhindern, dass sich solche Verbrechen wiederholen. So wurde im Jahr 2003 der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag gegründet, um politische oder militärische Verantwortliche vor Gericht zu stellen, die an Völkermorden mitgewirkt haben. Doch Großmächte wie die USA, Russland, China und Indien haben das Statut des Gerichtshofs nicht ratifiziert. Auch die Europäische Union wurde mit diesem Wunsch gegründet, Völkermorde in Europa zukünftig zu verhindern: Der Historiker Tony Judt definiert die Erinnerung an die Shoah und das Verbot des Völkermords als konstituierendes Element einer gemeinsamen europäischen Identität. Ganz aktuelle Fälle wie der Völkermord der Dschihadistenmiliz Daesh („Islamischer Staat“) an den Yeziden, einer religiösen Minderheit im Nordirak, der im August 2014 5.000 Menschen das Leben kostete, oder auch die Behandlung der Uiguren in Westchina zeigen, dass das Schreckgespenst des Völkermords leider noch nicht aus unserer Welt verbannt ist.

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