Die Debatte zwischen den Generationen wird immer aufgeheizter. Für viele Babyboomer ist eine Regulierung der Arbeitszeiten, Work-Life-Balance, ein Sabbatical Year und die Möglichkeit auf hybrides Arbeiten ein Zeichen dafür, dass die neue Generation von Arbeiter*innen verweichlicht sei. Keine Ahnung vom Arbeitsleben und schon so hohe Ansprüche lautet der Vorwurf. Oder ist es vielmehr die Weitsicht der Gen Z, die erkannt hat, dass sich die Arbeitswelt mit den nachfolgenden Generationen verändern muss?
Aus Sicht eines Millennials gewinnt man den Eindruck, dass die Babyboomer die Probleme von heute kleinreden. Sie konnten es sich leisten, wenn der Mann arbeiten ging und die Frau den Haushalt stemmte. Zumal Frauen erst 1977 in Deutschland ohne Erlaubnis ihrer Männer einer Beschäftigung nachgehen durften. Früher waren die Arbeitsbedingungen zweifelsohne härter und der Druck, sich zu beweisen und für die Arbeit aufzuopfern, höher als er es heutzutage der Fall ist. So ist es doch gut, dass sich die Gen Z querstellt und den Arbeitsplatz verlässt, sobald es nicht passt. Wir müssen nicht dasselbe über uns ergehen lassen, wie unsere Eltern oder Großeltern. Es hat nichts damit zu tun, was die Gen Z aushält, sondern was sie bereit ist zu akzeptieren. Wenn die Geschäftsführung an Personal spart und die Arbeit von drei Mitarbeiter*innen nun von einer Person erledigt werden soll, braucht man sich nicht wundern, dass die Beschäftigten nicht lange bleiben. Langfristig kann das bedeuten, dass Unternehmen immer mehr in ihre Bewerbungsverfahren investieren müssen.
Niemand will mehr arbeiten
Die Wahrheit ist: niemand will arbeiten, wenn es nicht Spaß macht. Niemand möchte jeden Tag zu einem toxischen Arbeitsplatz fahren, einer Arbeit nachgehen, die weder Freude bereitet noch die Erfüllung gibt, die man benötigt, um sie gut verrichten zu können. Wenn wir schon arbeiten müssen, dann wenigstens etwas, womit wir uns identifizieren, wir unsere Rechnungen zahlen können, wir Wertschätzung erhalten und wir etwas lernen. Es ist in Ordnung, sich nicht für die Arbeit aufzuopfern und nur das Nötigste zu tun. Es ist ebenso nicht verwerflich, aus welchem Grund auch immer, den Arbeitsplatz zu wechseln. Wenn Arbeitgeber*innen mit Wertschätzung und einer gesunden Arbeitsethik entgegenkommen, sind auch die Mitarbeiter*innen glücklicher und produktiver.
Sieht die Gen Z dagegen keine Verbesserungen an ihrem Arbeitsplatz, schauen sie sich nach einer anderen Stelle um: sei es eine bessere Bezahlung, mehr Benefits – wie Kinderbetreuung, Fahrtkostenzuschuss, Nähe zum Wohnort oder die Möglichkeit auf Homeoffice. Wieso auch jahrelang an einem Arbeitsplatz bleiben, der weder Fortbildungen anbietet noch regelmäßig den Lohn anpasst oder die Mitarbeiter*innen für ihre Arbeit in Form von Benefits belohnen möchte?
Gerade die Forderung der Vier-Tage-Woche ist ein Weckruf an jene Gesellschaftsklasse, die nicht begreift, dass es mittlerweile mehr als eine arbeitende Person in einer Beziehung (oder einem Haushalt) benötigt, um sich den Lebensunterhalt leisten zu können. Nebenbei müssen auch der Haushalt gemacht und gegebenenfalls noch Kinder versorgt werden. Mit der derzeitigen Inflation ist für viele auch ein Singlehaushalt kaum zu stemmen. Wenn die Kosten höher, aber das Gehalt gleichbleibt, während zusätzlich das Arbeitspensum steigt, wie kann man da noch von einer gesunden Lebensqualität reden?
Die Arbeitswelt hat sich schon immer verändert
Rückblickend waren auch für unsere Urgroßeltern die Ideen zur Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherung revolutionierend. Da macht es doch Sinn, dass sich das Arbeitsleben mit jeder Generation verändert und die Arbeitswelt nicht nur einfacher, sondern auch sicherer wird. Waren unsere Vorfahr*innen auch faul, weil sie bei Krankheit endlich zuhause bleiben konnten und nicht befürchten mussten, dass ihr Gehalt deutlich gekürzt wird? Nennen wir sie verwöhnt, weil sie endlich eine Rente erhalten konnten oder weil sie ein Grundgehalt bekamen, wenn sie arbeitslos geworden sind?
Mit dem derzeitigen Wandel der Arbeitswelt kann man nicht mehr davon ausgehen, dass prozentual genauso viele Arbeitnehmer*innen der Gen Z langjährig an einem Arbeitsplatz bleiben, wie wir es von den Babyboomern kennen. Ein Branchenwechsel ist heutzutage mehr als nur normal. Die Menschen dürfen ihre Meinung ändern und mit Mitte 30 einen komplett anderen Karriereweg einschlagen.
Die revolutionierenden Forderungen der Gen Z sind also kein Zeichen von mangelnder Arbeitsdisziplin, sondern ein wichtiger Impuls für Veränderungen. Der Arbeitsmarkt bietet so viele Perspektiven wie niemals zuvor. Wenn ein remotes Arbeiten von den Bahamas möglich ist und das Arbeitspensum trotzdem erreicht wird, wieso wird genau das von den Babyboomern so verpönt?
Viele vergessen, dass der Wandel und die Forderungen nach besseren und flexibleren Arbeitsbedingungen allen zugutekommen. Das Angebot von Homeoffice muss man nicht annehmen. Es gibt genügend Arbeitnehmer*innen, die ihre Arbeit nicht in ihren eigenen vier Wänden erledigen möchten. Die Gen Z will mehr Lebensqualität, mehr Flexibilität und sie will Arbeit und Privates trennen. Daran ist nichts Verwerfliches. Die Millennials hatten diese Gedanken bereits im Hinterkopf, aber trauten sich nicht ihre Wünsche und Vorstellungen für den Arbeitsmarkt laut auszusprechen. Die Gen Z führt diese Gedanken nun aus.
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