EU-Parlamentsprognose

Gewinne links und rechts, dazwischen Verluste

, von  übersetzt von Claudia Bothe

Gewinne links und rechts, dazwischen Verluste
Prognose für das EU Parlament für April 2023 / Quelle: Europe Elects

Die Wahlprognose von Europe Elects gibt einen Einblick darüber, wie Europäer*innen abstimmen würden, sollte jetzt eine EU-Wahl stattfinden. Wie sah die Wahlprognose für den Monat April 2023 aus?

Die Prognose der Sitzverteilung im Europäische Parlament wies im Monat April deutliche stärkere Veränderungen als sonst üblich auf. Auffällig waren Gewinne für Fraktionen am linken und rechten politischen Spektrum. Die drei Fraktionen der Mitte verzeichneten dagegen deutliche Verluste. Die liberale und zentristische Partei Renew Europe (RE) musste den größten Verlust hinnehmen und würde laut der Prognose nur 89 Sitze erhalten - neun Sitze weniger als zuvor. Die Progressive Allianz der Sozialisten und Demokraten (S&D) würde dagegen zwei Sitze verlieren und läge damit bei insgesamt 141 Sitzen. Die Mitte-Rechts-Fraktion Europäische Volkspartei (EVP) ist die einzige der drei Fraktionen, die einen Zugewinn verbuchen würde. Allerdings erhält sie nur einen Sitz mehr, also insgesamt 163. Zusammen wird die informelle Koalition der drei Fraktionen RE, S&D und EVP laut der Prognose im April nach 396 Sitze erhalten. Das wäre immer noch eine schwache absolute Mehrheit innerhalb der Gesamtzahl von 705 Sitzen, dennoch wären es zehn Sitze weniger als im Vormonat.

Am rechten politischen Spektrum gewinnen die nationalkonservativen Europäischen Konservativen und Reformisten (EKR) zwei Sitze hinzu und erreichen insgesamt 85 Sitze. Damit würden sie den Abstand zu Renew Europe verringern, während die rechtsgerichtete Fraktion Identität und Demokratie (ID) auf 64 Sitze kommen würde und damit einen Sitz hinzugewinnt.

Größere Zuwächse verzeichneten die beiden Fraktionen auf der linken Seite des politischen Spektrums: Die Grünen/Europäische Freie Allianz (Grüne/EFA) würde drei Sitze hinzugewinnen und käme damit wieder auf 49 Sitze, während die Linksfraktion im Europäischen Parlament - GUE/NGL (LINKE) in der Aprilprognose den größten Zuwachs verzeichnete und nun insgesamt 51 Sitze hätte (+4). Von den verbleibenden Sitzen entfallen 52 auf fraktionslose Mitglieder des Europäischen Parlaments.

Auch wenn sich diese Änderungen nicht auf die Rangfolge der Fraktionen auswirken, wären die Abstände abgesehen von den ersten beiden Plätze wesentlich kleiner und sind teilweise bei einem Konfidenzintervall von 95% statistisch nicht mehr signifikant. EVP und S&D liegen immer noch klar auf den Plätzen eins und zwei, dahinter kämen RE und EKR nun so dicht beieinander, dass beide auf Platz drei oder vier landen könnten. Während die ID als fünftstärkste Gruppe im Parlament prognostiziert wird, sind die Ergebnisse für die Plätze sechs bis acht zu knapp, um sie klar zu benennen: Fraktionslose, LINKE und Grüne/EFA könnten alle jeweils auf einem dieser Plätze landen. Die (noch) nicht einer politischen Gruppe angehörigen Parteien sind laut der Projektion eindeutig die kleinste Gruppe.

Mehrer Faktoren erklären diese Entwicklung: Erstens, der Wechsel der finnischen Partei Perussuomalaiset von der ID zur parlamentarischen Gruppe EKR. Zweitens, hatten die Umfragen in Frankreich einen starken Einfluss auf die Veränderung der Progsone. So verliert die Partei von Emmanuel Macron Renaissance (RE) fünf Sitze, während die rechte Partei von Marine Le Pen Rassemblement National (ID) die gleiche Anzahl an Sitzen hinzugewinnt. Darüber hinaus haben hat die Grüne/EFA im Vergleich zum Vormonat zwei Sitze hinzugewonnen. Drittens, kam es in den Niederlanden zu mehrere politischen Veränderungen: Die regierende Volkspartei für Freiheit und Demokratie (RE) verliert zwei Sitze, während der Gewinner der letzten Regionalwahlen Bauern-Bürger-Bewegung (noch keiner politischen Gruppe angeschlossen) vier Sitze hinzugewinnt.

Sowohl in Italien als auch in Irland sind die Prognosen für die Regierungsparteien schelchter ausgefallen: Fratelli d’Italia (ECR) verliert nach kosntanten Zugewinnen in den letzten Jahren zwei Sitze. Auch Fianna Fáil (RE) hält nun zwei Sitze weniger. Damit wird die Partei voraussichtlich nur noch einen Sitz im Europäischen Parlament halten. Darüber hinaus ereigneten sich viele kleinere Veränderungen in zahlreichen europäischen Ländern, wo Parteien einen Sitz verloren oder hinzugewonnen haben.

Die Projektion der Wählerentscheidung für April 2023 zeigt ähnliche Trends wie die Prognose der Sitzverteilung, es zeichnen sich aber auch einige Unterschiede ab. Die Progressive Allianz der Sozialdemokraten (S&D) und Renew Europe (RE) verlieren jeweils 0,8 Prozentpunkte und sinken somit auf 18,2% beziehungsweise 10,4%. Ein niedriges Ergebnis wird auch für die Europäische Volkspartei prognostiziert, die auf 21,4% zurückfällt (-0,2). Zusammen verfügen die drei Parteien immer noch über eine absolute Mehrheit, allerdings eine sehr knappe mit genau 50%.

Der größte Gewinner im April 2023 sind die rechten Parteien Identität und Demokratie (ID), die um 0,6 Prozentpunkte auf jetzt 9,6% wachsen. Auch die Europäischen Konservativen und Reformisten (EKR) konnten zulegen. Für sie werden 11,6 % (+0,2) prognostiziert. Auf der linken Seite verzeichnen die Grünen/Freie Europäische Allianz einen anderen Trend als in der prognostizierten Sitzverteilung und sind um 0,3 Prozentpunkte auf 7% gesunken. Dagegen hat die Linksfraktion im Europäischen Parlament, GUE/NGL, um 0,5 Prozentpunkte zugelegt und hält nun einen Anteil von 7,8%. Die Parteien, die keiner politischen Gruppe angehören, bleiben laut der Prognose unverändert und liegen bei 6%. Die Parteien, die sich (noch) keiner Fraktion angeschlossen haben, stehen dagegen bei 7,8 % (+0,7). Da diese Veränderungen jedoch vergleichsweise gering sind, sollte man die prognostizierten Werte mit Vorsicht betrachten.

Insgesamt verändert sich auch die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments im April, da mehrere neue Mitglieder hinzugekommen sind und einige Parteien ihre Zugehörigkeit zu poltitischen Gruppen im EU-Parlament gewechselt haben. Durch den oben genannten Wechsel der finnischen Partei Perussuomalaiset von der ID zur EKR werden zwei Sitze zwischen diesen beiden Fraktionen übertragen. Außerdem wechselten zwei Abgeordnete ihre Zugehörigkeiten: Alexis Georgoulis aus Griechenland wurde von der SYRIZA (LINKE) ausgeschlossen und sitzt nun als Fraktionsloser im Parlament. Die Italienerin Isabella Adinolfi von Movimento 5 Stelle (NI) wechselte dagegen zu Forza Italia (EVP).

Außerdem gibt es im Europäischen Parlament vier neue Mitglieder: Nach den Wahlen in Finnland ersetzt Pirkko Ruohonen-Lerner (PS, EKR) ihren Kollegen, der dafür in das nationale Parlament wechselte. Auch aus Italien gibt es drei neue Mitglieder: Mercedes Bresso (PD, S&D), Francesca Peppucci (FI, EVP) und Maria Veronica Rossi (Lega, ID) ersetzen andere Abgeordnete der gleichen Parteien, die nach den Regionalwahlen neue Funktionen erhalten.

Im Europäischen Rat ereigneten sich im April 2023 keine Änderungen. Kaja Kallas aus Estland bleibt als Vertreterin ihres Landes im Amt, da sie auch die neue Regierung als Premierministerin anführt. In Finnland und Bulgarien haben sich nach den nationalen Parlamentswahlen noch keine neuen Regierungen gebildet. Allerdings stehen in beiden Ländern die Chancen gut, dass neue Ministerpräsidenten mit unterschiedlichen politischen Zugehörigkeiten ins Amt kommen. Das könnte dazu führen, dass die EVP je einen Sitz von der S&D und den NI erhält. In den kommenden Monaten dürfte es mehr Klarheit darüber geben.

Dieser Artikel wurde von Mingo Garscha geschrieben und erschien ursprünglich am 30. April 2023 bei Eruope Elects

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