„Ich spreche afrikanisch, wenn du europäisch sprichst“

Warum die EU den Begriff Afrikanische Union tatsächlich benutzen sollte

, von  Leonie Theiding

„Ich spreche afrikanisch, wenn du europäisch sprichst“
Diversität ist schwer darzustellen. Leonie Theiding und Annika Witt versuchen es in einer Collage. Foto: zur Verfügung gestellt von Leonie Theiding und Annika Witt

In Ihrer Presseerklärung bezüglich der Partnerschaft zwischen der Afrikanischen Union und der Europäischen Union vom 09.03.2020 berichtet die EU, dass auf eine stärkere Partnerschaft mit „Afrika“ gesetzt wird. Afrika, der Kontinent mit den 55 Staaten, 2000 Sprachen und unzähligen Kulturen? Was sie unter dem Begriff „Afrika“ verallgemeinert, ist ein politischer Staatenbund, die Afrikanische Union. Ein Meinungsbeitrag.

Von der Psychotherapeutin Dr. Doris Wolf kann die EU in Sachen Partnerschaft einiges lernen. Dr. Wolf stellt im Online Psychologie-Lexikon ihre Strategien zu einer nachhaltigen Partnerschaft vor; Punkt Nummer Eins: „Akzeptieren und achten Sie Ihren Partner“. Bereits an diesem ersten, wichtigen Punkt scheitert die EU. Denn statt von der Afrikanischen Union – ein Staatenbund, der seit 2007 für die gemeinsamen Interessen von 55 afrikanischen Staaten einsteht – wird in ihrer Pressemitteilung von „Afrika“ gesprochen. Aber was bedeutet das eigentlich, „Afrika“?

Der Begriff „Afrika“ vs. 55 mal Diversität

Die Diversität der afrikanischen Staaten wird nicht geachtet, nicht wahrlich anerkannt, wenn in der deutschsprachigen Pressemitteilung der EU von einer „EU-Afrika-Strategie“ gesprochen wird.

Diese Kritik sollte nicht so verstanden werden, als würde die Europäische Union nicht versuchen, vieles umzusetzen, was die Afrikanische Union stärken könnte. Zum Beispiel die digitale Wende, die mithilfe der EU auf dem afrikanischen Kontinent beschleunigt und dabei Forschung und Innovation stärken soll. Nur im Gegensatz zu dem Sprichwort „Taten sagen mehr als Worte“, müssen in der demokratisch legimitierten Politik Vorhaben zuallererst gerechtfertigt werden und gerade deswegen zählt auch die exakte Formulierung des Vorhabens.

Das mag kleinlich klingen - jedoch wird schnell übersehen, wie entscheidend die Wortwahl sein kann und, dass sie, wenn auch unbewusst, durchaus manipulierend wirken kann. Eine Studie des Münchener Medienforschers Florian Arendt zeigt beispielsweise, dass unterschiedliche Synonyme eines Begriffs auf Lesende verschiedene Auswirkungen haben können. Also kann davon ausgegangen werden, dass mit dem Begriff „Afrika“ etwas Anderes vermittelt wird, als wenn von der Afrikanischen Union gesprochen wird.



Foto: zur Verfügung gestellt von Leonie Theiding und Annika Witt


Diversität: Wo sind die 55 Bilder in unseren Köpfen?

„Jedes Nachdenken über Afrika fängt bei den Bildern im Kopf an.“, sagte auch der ehemalige Bundespräsident a. D. Horst Köhler in einer seiner Reden am 18. März 2014. Die Macht solcher Bilder darf nicht unterschätzt werden. Insbesondere all die Bilder, die „Afrika“ als einen homogenen Kontinent zeigen, als einen Kontinent, der von Armut und Katastrophen bestimmt zu sein scheint. Diese Bilder, die sich über die Massenmedien in unsere Köpfe schleichen, gilt es zu ersetzen. Während wir von dem Leid auf dem afrikanischen Kontinent erfahren, werden uns kaum Bilder der diversen Kulturen und Sprachen gezeigt, die in den unterschiedlichen afrikanischen Regionen leben und blühen. Das ist ein großer Mangel, wie der Journalist Henning Mankell in der Zeit schreibt : „Wenn wir uns am Bild der Massenmedien orientieren, lernen wir heute alles darüber, wie Afrikaner sterben, aber nichts darüber, wie sie leben.“

Die Doppelmoral der Europäischen Union

Die Europäische Union sollte daher versuchen wollen, diesen falschen Bildern, die in unseren Köpfen herumschwirren, den Kampf anzusagen. Dies könnte und sollte mit aussagekräftigen Begriffen beginnen und in Form einer tatsächlichen Partnerschaft - und zwar auf Augenhöhe - fortgesetzt werden. Es kann nicht oft genug in Erinnerung gerufen werden, dass dies insbesondere in Hinblick auf die koloniale Vergangenheit zahlreicher europäischer Staaten im Interesse der EU sein sollte. Aber auch, weil die EU von sich selbst als EU und nicht als „Europa“ spricht, sich nicht als Kontinent per se darstellt, sondern als politisch handlungsfähigen Staatenkomplex . Damit dass die EU die politische Handlungsfähigkeit der Afrikanischen Union in ihren Begrifflichkeiten nicht anerkennt, knüpft sie an die koloniale Vergangenheit an. Während sich die EU als handlungsfähige Akteurin darstellt, reduziert sie ihren Nachbarkontinent mit dem Begriff „Afrika“ auf ein geopolitisches Spielfeld. Diese an die Kolonialzeit erinnernde Haltung hat in unserer globalisierten Welt keinen Platz.

Nach dem Motto "Was du nicht willst, was man dir tut, das füg auch keinem anderen zu“ sollte die EU die Handlungsfähigkeit der Afrikanischen Union anerkennen und sie auch klar als Staatenbund benennen. Denn „Ein Afrika gibt es nicht“, wie der Titel eines BPB Artikels ganz richtig aussagt: 55 grundverschiedene Staaten, die in sieben verschiedenen Klimazonen liegen und in denen um die 2000 Sprachen in Gebrauch sind, kann man nicht mit dem Begriff „Afrika" zusammenfassen.

Die ONE-Jugendbotschafterin Adwoa Tima Awuah trifft es dabei auf den Punkt: „Ich spreche Afrikanisch, wenn du Europäisch sprichst“. Die EU sollte die Diversität und Handlungsfähigkeit ihres politischen Partners achten, akzeptieren und konkret benennen, um wirklich von einer „Partnerschaft auf Augenhöhe“ sprechen zu können.

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