Dieser Beitrag ist im Original am 25. August 2018 erschienen. Folgend auf den 9. November in seiner Funktion als Jubiläum und Gedenktag bringen wir den Beitrag heute erneut.
Er werde die Konferenz in Tallinn nicht besuchen, kündigte der griechische Finanzminister Kotonis an. „Wir haben niemals geglaubt, dass der Kommunismus eine kriminelle Ideologie ist wie der Nationalsozialismus“, wird der Politiker der linken Partei Syryza vom griechischen Newsportal Amna zitiert.
Die linke Parteienfamilie European United Left/Nordic Green Left (GUE/NGL), der die Syryza angehört lehnte in einem Schreiben von Dienstag ebenfalls die Ausrichtung des neuen Gedenktages ab. Sie wies der estnischen Regierung eine Politisierung ihrer Ratspräsidentschaft vor und verwies auf die möglichen politischen Konsequenzen: „Zu einer Zeit, wenn die extreme Rechte und Neo-Nazis die politischen Verfehlungen der EU ausnutzen ist eine Gleichsetzung von Nazismus und Kommunismus falsch.“
Never forget. Today is the European Day of Remembrance for Victims of Stalinism and Nazism. Share to remember https://t.co/BQREfN9hNT pic.twitter.com/tcTKd0m1uG
— European Parliament (@Europarl_EN) 23. August 2017
Als „Black-Ribbon-Day“ wird der 23. August auch in englischsprachigen Ländern begangen.
Seit dem Jubiläumsjahr 2009 wird der gemeinsame Gedenktag von den europäischen Institutionen offiziell begangen. Von den Mitgliedsländern begehen die mittelosteuropäischen Mitgliedstaaten sowie Schweden den Gedenktag. Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermans nutzte den Tag um mit einem emotionalen Video mit Soldatenfriedhöfen im Hintergrund sein Verständnis von Patriotismus zu erklären. Der Twitter-Kanal des europäischen Parlaments wies auf das Symbol des „schwarzen Bandes“ hin, das an die Opfer des Totalitarismus erinnere. Beiträge wie diese zeigen, welche Bedeutung einer gemeinsamen Erzählung über die Vergangenheit für den europäischen Zusammenhalt beigemessen wird.
Die Debatte um den 23. August als gesamteuropäischen Gedenktag wird schon seit gut zehn Jahren geführt. Die Initiative ging dabei von einer Gruppe von Politikern, Historikern und ehemaligen Dissidenten aus, die im Frühjahr 2008 die sogenannte Prager Erklärung unterzeichneten. Unter den Erstunterzeichnern finden sich der erste Präsident der freien Tschechoslowakei, bzw. später der tschechischen Republik, Vaclav Havel, Vytautas Landsbergis, EU-Parlamentarier und ehemaliger Präsident Litauens, der schwedische Parlamentarier Göran Lindblad und der spätere Bundespräsident Joachim Gauck.
Am 2. April 2009, noch rechtzeitig vor dem Jubiläum des Molotow-Ribbentrop-Pakts verabschiedete das Europäische Parlament eine Resolution zum „europäischen Gewissen und Totalitarismus“. Die Parlamentarier fordern darin eine Anerkennung der Opfer totalitärer Regime, eine Stärkung der historischen Bildung und eben die Ausrichtung des gemeinsamen Gedenktages am 23. August. Die Resolution gibt sich teilweise durchaus selbstkritisch und betont, dass von Fehlinterpretationen der Geschichte die Gefahr ausgeht eine Politik des Ausschlusses, Hass und Rassismus zu befördern. Die „Einzigartikeit des Holocaust“ müsse anerkannt werden, heißt es in einem Nachsatz zu den Millionen Opfern, die „totalitäre und autoritäre Regime im 20. Jahrhundert“ gefordert hätten.
Ob diese Differenzierungen gemacht werden, wenn der 23. August als ein allgemeiner Gedenktag für die Opfer von Totalitarismus begangen wird, fragen sich die Skeptiker. Die Kritiker befürchten mit der Einführung des Gedenktages eine Gleichsetzung der Verbrechen unter nationalsozialistischer und sowjetischer Herrschaft. Der israelische Historiker Yehuda Bauer wies die Pläne für einen Gedenktag am 23. August entschieden zurück. Es gäbe allen Grund, der Opfer der sowjetischen Herrschaft zu gedenken und dafür spezielle Feiertage und Monumente einzurichten. Aber die beiden Regime auf das gleiche Niveau zu heben und der unterschiedlichen Verbrechen am gleichen Tag zu gedenken sei „absolut inakzeptabel“.
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