Lett’s go!

, von  Jakob Toebelmann

Lett's go!
Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, mit dem lettischen Finanzminister Andris Vilks im Juli 2013. Foto © European Parliament 2013.

Am 1. Januar 2014 tritt Lettland als 18. Land dem Euro-Raum bei – das Ergebnis einer stabilen Wirtschaftspolitik und des Willens der politischen Führung. Doch in Teilen der Bevölkerung herrschen Misstrauen und Ablehnung.

Der Euro bekommt Zuwachs! Nachdem zuletzt im Jahr 2011 Estland dem gemeinsamen Währungsraum beigetreten ist, folgt nun der baltische Nachbar Lettland. Und die Vorzeichen sind gut: Der kleine Staat, in dem nur etwas mehr als 2 Millionen Menschen leben, erfüllt die EU-Konvergenzkriterien mit wehenden Fahnen. Zuletzt konnte man eine Staatsverschuldung von 40 Prozent der Wirtschaftsleistung und ein Defizit von 1,2 Prozent des BIP vorweisen – und befindet sich damit sicher innerhalb der Vorgaben. Lettlands Wirtschaftswachstum ist momentan sogar europäische Spitze. Zu verdanken sind diese Werte allerdings harten wirtschaftspolitischen Reformen und einem schmerzhaft strengen Sparkurs. Beides war nötig geworden, nachdem die Wirtschafts- und Finanzkrise Lettland besonders stark getroffen hatte.

Überhaupt, es ist ein ewiges Auf und Ab: Als die Sowjetunion, der Lettland offiziell bis zum Schluss angehörte, im Jahr 1991 zerfiel, drohte der wirtschaftliche Niedergang. Nach seiner Unabhängigkeit sah sich Lettland großen wirtschaftspolitischen Problemen gegenüber. Doch die Umwandlung des kommunistischen Wirtschaftssystems zu einer Marktwirtschaft nach westlichem Vorbild gelang, und so erlebte das Land noch in den 1990er Jahren einen Aufschwung, der damit belohnt wurde, dass die Europäische Union Lettland nur sieben Jahre nach seiner Unabhängigkeit als Beitrittskandidaten präsentierte. Dem EU-Beitritt 2004 und einer wirtschaftlichen Blütezeit folgte dann der tiefe Sturz. Doch nun ist Lettland wieder da und wird der 18. Staat, in dem mit dem Euro bezahlt werden wird – für den liberal-konservativen Premierminister Valdis Dombrovskis ein persönlicher Erfolg: Der Euro soll Lettland endgültig als westliches Land etablieren und aus der Grauzone zwischen Europa und Russland hervorholen. An die Reformen, die vor allem den öffentlichen Dienst und die Rentner belasteten, hatte er sein politisches Schicksal geknüpft. Die Märkte beruhigen war sein ständiges Mantra.

Eine Mehrheit lehnt den Euro ab

Freuen sich die Letten auf den Euro? Die Umfragen fallen unterschiedlich aus, doch jedes Mal ergibt das Stimmungsbild: Die Bevölkerung lehnt den Währungswechsel mehrheitlich ab. Laut einer Umfrage aus diesem Sommer befürwortet nur rund jeder fünfte Lette die Einführung des Euro. Das hat Gründe. Wie in anderen Ländern des ehemaligen Ostblocks tun sich auch in Lettland viele Menschen noch immer schwer damit, ihre hart erkämpfte Unabhängigkeit für die europäische Sache scheinbar wieder aufzugeben. Die lettische Identität, die so lang unterdrückt worden war, ist ihnen wichtig, und so ist auch die nationale Währung, der Lats, gleichsam ein Symbol des freien Lettlands. Den Lats nach zwanzig Jahren wieder aufzugeben bedeutet für manche Geschichtsvergessenheit. Zudem fürchten sich viele davor, dass sich mit dem Euro die Preise erhöhen werden und die Wirtschaft wieder in Schieflage gerät. Lettland soll nicht das nächste Spanien oder Griechenland werden.

Ein weiteres Problem für die Akzeptanz des Euro stellt die russische Bevölkerungsminderheit dar, der mehr als jeder vierte Lette angehört. Angesichts der Erfahrungen der Sowjetherrschaft scheint es verständlich, dass die Russen hier gemeinhin kein sonderlich hohes Ansehen genießen. Dass sich daran etwas ändert und die russische Minderheit ein tatsächlicher Teil der Gesellschaft wird, verhindert allerdings auch eine unkluge Minderheitenpolitik: Viele Russen, die in Lettland leben, haben kein Anrecht auf die lettische Staatsbürgerschaft; besondere Pässe gewähren ihnen zwar ein uneingeschränktes Aufenthalts- und Arbeitsrecht, nicht aber das Wahlrecht! So stehen viele russischsprachigen Letten Moskau noch immer näher als Riga oder gar Brüssel. Bei der Volksabstimmung 2003 über den Beitritt Lettlands in die EU stimmte ein sehr großer Teil der wahlberechtigten russischen Minderheit mit Nein, und der Einführung des Euro sieht sie besonders skeptisch entgegen.

Die Euro-Einführung hat politische Folgen

Diese Vorbehalte in der Bevölkerung haben zuletzt auch politische Folgen gehabt: Bei der landesweiten Kommunalwahl im Juni siegten europaskeptische Parteien mit Abstand, allen voran das russlandfreundliche Bündnis Saskaņas Centrs („Zentrum der Harmonie“), das in der Hauptstadt Riga einen Erdrutschsieg feierte. Seit vier Jahren stellt es dort mit seinem Vorsitzenden Nils Ušakovs den Bürgermeister – der politische Newcomer und ethnische Russe war da gerade einmal 33 Jahre alt. Trotzdem kannte ihn schon jeder als Moderator im Staatsfernsehen. Nun ist er so etwas wie die schillernde Figur der lettischen Politikszene und weiß sich auch medienwirksam zu präsentieren, ob als Gast in TV-Kochsendungen oder als Teilnehmer beim Rigaer Marathon. Politisch, so sagt er, will er sich vor allem dafür einsetzen, die Gräben zwischen Letten und lettischen Russen zu schließen. Hierbei spielt für ihn und sein Parteienbündnis jedoch weiterhin eine Annäherung an Moskau eine tragende Rolle, Europa hat das Nachsehen. So hatte das „Zentrum der Harmonie“ im lettischen Parlament lange Reformen blockiert, die für die Euro-Einführung nötig waren.

Trotzdem wird der Euro im Januar Realität, und die Letten werden lernen müssen, sich dieser Realität anzupassen. Wenn man nicht gerade Großbritannien oder Schweden heißt, muss man als EU-Mitglied nunmal den Euro einführen, sobald man dazu in der Lage ist. Darüber war Lettland bei der Volksabstimmung über den EU-Beitritt informiert. Daher kommen Rufe, die nun eine erneute Abstimmung über einen Beitritt zum Euro-Raum fordern, zu spät. Nachbar Estland hat eindrucksvoll gezeigt, dass ein nahezu reibungsloser Wechsel zum Euro möglich ist, und Lettland ist in jedem Fall in der Lage, diesen Erfolg zu wiederholen. Lettland ist fit für den Euro. Lett’s go!

Dieser Artikel erschien im neuen gedruckten Treffpunkt Europa, dem Mitgliedermagazin der JEF-Deutschland. Die aktuelle Ausgabe widmet sich dem Thema: Euroskeptiker: Feinde der Föderalisten? und ist auf der JEF-Webseite kostenlos erhältlich.

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