Macron: „Durch Europa muss ein Ruck gehen“

, von  Alexander Steinfeldt

Macron: „Durch Europa muss ein Ruck gehen“
Emmanuel Macron will Präsident eines europäischen Frankreichs werden. © European Union, 2016

In Berlin stellte der französische Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron seinen Plan vor, wie er Europa zu einer souveränen und starken Union machen will. Dabei nahm er besonders Frankreich und Deutschland als treibende Kräfte der Integration in die Pflicht. Doch die anderen EU-Mitglieder scheint er vergessen zu haben.

Emmanuel Macron war unter dem französischen Präsidenten Hollande Wirtschaftsminister und tritt im April als Präsidentschaftskandidat in Frankreich an. Dazu hat er eine neue Bewegung gegründet, die sich „En Marche“ nennt. Sein Wahlkampf führte ihn am 10. Januar auch nach Berlin. Dort folge er der Einladung des Walter-Hallstein-Instituts für Europäisches Verfassungsrecht, um über eine europäische Verfassung und die Zukunft Europas zu reden.

Sollte Macron tatsächlich die Präsidentschaftswahlen gewinnen (derzeit liegt er in Umfragen hinter Fillon und Le Pen auf Platz drei), so könnte Bundeskanzlerin Merkel einen treuen Partner in ihm finden. Er unterstützt nicht nur ihre Entscheidung, im September 2015 die in Budapest gestrandeten Flüchtlinge aufzunehmen, sondern fordert auch eine Verteilung der Flüchtlinge in Europa.

In Berlin profiliert sich Macron als Reform-Europäer, der persönlich die aufgestauten Krisen Europas lösen will. Ein solches Bekenntnis zur europäischen Integration gab es von einem französischen Präsidentschaftskandidaten wohl schon lange nicht mehr. Mit Blick auf die separatistischen und nationalpopulistischen Bewegungen forderte er: „Wir dürfen den Populisten nicht das Feld überlassen. Viele politische Führer haben Zweifel und glauben nicht mehr an Europa. Doch wir müssen Europa kritisieren und es um jeden Preis verteidigen.“

Souveränes Europa gegen Nationalpopulisten

Dabei betrachtet Macron die letzten Jahre als „verlorenes Jahrzehnt“, in der der Integrationsprozess zum Stillstand gekommen war. Jetzt befände Europa sich gar in einer neuen Zeit, einer tragischen Zeit des Terrors, wie es zuletzt in Berlin auf so traurige Weise sichtbar wurde. Die Menschen seien verunsichert und wenden sich von Europa ab. Dieser Sicherheitskrise ließe sich nur begegnen, so Macron, wenn die EU an Souveränität gewinne.

Damit spricht Macron eines der entscheidenden und bisher wenig beachteten Defizite der EU an. Den Gegnern der EU, die die Souveränität ihres Nationalstaates gefährdet sehen, entgegnet er, dass eine starke EU mit klaren Zuständigkeiten und Möglichkeiten erst für Sicherheit und Wohlstand sorgen kann.

So lässt sich der islamistische Terror in Europa erst dann bekämpfen, wenn die Sicherheitsdienste zusammenarbeiten und gar ein gemeinsamer Nachrichtendienst eingerichtet wird. Europa stehen außenpolitisch ebenso turbulente Zeiten bevor: Die Spannungen zu Russland und die ungewisse Zukunft der Nato mit einem US-Präsidenten Trump böten „die einmalige Chance, eine gemeinsame europäische Verteidigung aufzubauen,“ so Macron.

Europa würde Kompetenzen übernehmen, um europäische Probleme zu lösen, und die europäischen Bürger könnten erkennen, wie effektiv und fruchtbar diese Zusammenarbeit ausfällt. Niemand müsste sich darum sorgen, dass die Beamten in Brüssel ungewünschte Entscheidungen treffen, sondern könnten darauf vertrauen, dass für ihre Sicherheit gesorgt ist. Leider ist dies davon abhängig, dass diese Maßnahmen tatsächlich wirkungsvoll sind. Vergangene Vorfälle zeigten zumindest Vorteile von Kooperationen zwischen den Polizeien und Geheimdiensten.

Euro retten leicht gemacht – wenn Deutschland zahlt

Doch Macron ist sich darüber bewusst, dass nicht nur die Sicherheitsfrage in Europa geklärt wird. In vielen anderen Bereichen fordert Macron ein vehementes gemeinsames Handeln, um den europäischen Bürgern das Vertrauen in Europa zurückzubringen.

Besonders die schlechten wirtschaftlichen Entwicklungen und die Jugendarbeitslosigkeit, von denen auch Frankreich betroffen ist, könnten das europäische Projekt gefährden. Doch auch hier sollte die Europäische Union, vor allem aber Deutschland und Frankreich, mutig vorangehen. Um den Euro zu retten, verspricht Macron tief greifende Arbeitsmarktreformen in Frankreich. Die gibt es jedoch nur unter der Prämisse, dass Deutschland endlich anfängt, mehr Geld zu investieren. „Mein erster Kampf wird es sein, ein Budget für die Eurozone einzurichten,“ kündigt Macron an. Dass sich dieser neue Topf dann also logischerweise aus deutschen Geldern speisen könnte, wird auf starken deutschen Widerstand treffen und ist als taktische Forderung nur mäßig geeignet. Andere Forderungen haben da wohl mehr Chancen, umgesetzt zu werden, wie zum Beispiel eine nachhaltige Entwicklung, die Fortführung der Energieunion oder gemeinsame Anstrengungen bei der Digitalisierung der Wirtschaft. Richtig bemerkt er an, dass ein französisches Google kaum vorstellbar ist. Hingegen konnten europäische Projekte, wie das Navigationssystem Galileo, bereits Erfolge vorweisen.

Ein Konvent für Europa

Macrons Rezept gegen die Euroskeptiker und Nationalpopulisten ist es, die EU noch einflussreicher und mächtiger zu machen. Das wird wohl noch mehr Nationalisten auf die Barrikaden treiben. Doch Macron plant einen Trick: „Als französischer Präsident will ich im Dezember 2017 im Europäischen Rat vorschlagen, demokratische Konvente in allen Mitgliedsstaaten durchzuführen.“

Die Ergebnisse sollen dann auf europäischer Ebene verhandelt und von den Mitgliedsstaaten ratifiziert werden, dies kann dann auch über Volksabstimmungen geschehen. Es soll dabei nur eine Regel gelten, dass nämlich ein Nein eines einzelnen Landes nicht den ganzen Prozess verhindern kann.

Die Rede von Emmanuel Macron auf dem Forum Constitutionis Europae des Walter-Hallstein-Instituts für Europäisches Verfassungsrecht der Humboldt-Universität zu Berlin zu sehen (ab 47:35 min): © Youtube.com / Video-service CMS

Von den Ergebnissen dieser Konvente erhofft sich Macron natürlich, dass seine Forderungen nach einem stärkeren und somit souveränen Europa erfüllt werden. So soll sowohl das Vertrauen in die EU zurückgewonnen als auch das Demokratiedefizit abgebaut werden. Dass diese Konvente aber auch anders ausgehen und zu weniger Europa führen könnten, erwähnt er nicht.

Ein souveränes Europa gelingt nur mit allen Mitgliedsstaaten

Leider bezieht sich Macron in seinem Vortrag immer wieder nur auf Deutschland und Frankreich und vernachlässigt dabei die Perspektiven und Interessen der anderen EU-Mitglieder. Dies ist auch der größte Schwachpunkt seines Plans. Wenn der Europäische Rat, also auch die Staats- und Regierungschefs aus den östlichen und südlichen Mitgliedsländern, sowie die Bürger aus diesen Ländern den Konventen zustimmen sollen, müssen diese ebenso mit ins Boot geholt werden. Doch Macron ist überzeugt davon, dass sich etwas ändern muss und dass dies nur mit allen Europäern und einem starken und souveränen Europa gelingt. Dazu muss „ein Ruck durch Europa gehen,“ um der Idee von Europa wieder Vertrauen schenken und die Zukunft der EU retten zu können.

Ihr Kommentar
  • Am 17. Januar 2017 um 11:15, von  mister-ede Als Antwort Macron: „Durch Europa muss ein Ruck gehen“

    Es ist kein Schwachpunkt, sondern ein Meilenstein, wenn eine tiefere Integration nicht mehr von der Zustimmung aller abhängig gemacht wird. Außerdem sollten wir als JEF endlich aufhören, jede Idee gleich von Anfang an tot zu reden. Wo ist der Mut der Jugend? Der Wille zum Aufbruch? Die Offenheit für Neues?

    Versteckt Euch nicht, sondern kommt nach Siegen und lasst uns über Wege für ein neues Europa diskutieren.

    Euer JEF Mister Ede

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