Mehr Zusammenhalt in der EU durch Esperanto?

, von  Bild/Güz, Eliette Pellissier de Feligonde, Esther Sitzmann, Finn Gleichmann, Mia Franz, übersetzt von Philip Gaude

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Mehr Zusammenhalt in der EU durch Esperanto?
Trotz des Status als Kunstsprache wird Esperanto weltweit von etwa zwei Millionen Menschen gesprochen. Foto: Pixabay, OpenClipart-Vectors, Pixabay Lizenz

Der Aufstieg der Rechten bei den Europawahlen am 9. Juni 2024 stellt die Idee eines vereinigten Europas auf wackelige Beine. Ob die AfD in Deutschland oder das Rassemblement National in Frankreich, in fast jedem Mitgliedsland konnten Rechtsextremen hohe Gewinne eintreiben. Der Plan: Grenzen schließen, mehr Abschottung.

Wie kommt es zur Konzentration auf den Nationalstaat und zur Abkehr von der gemeinsamen Idee? Könnte ein Grund sein, dass teilweise alle hundert Kilometer eine andere Sprache gesprochen wird? 24 verschiedene Sprachen gibt es alleine in der EU, was oft zu Verständigungsproblemen führt. Auch in der europäischen Regierung muss jedes Gesetz, Rede, und Dokument von der englischen Originalfassung in die 24 anderen Sprachen übersetzt werden. So sehr wir in Frieden und Einheit in Europa leben wollen, sind es doch immer wieder die verschiedenen Sprachen, die Gräben zwischen uns auftun. Viele Menschen bekommen wenig vom politischen Leben in den Nachbarstaaten mit, auch wenn es einen großen Einfluss auf das eigene Leben hat. Eine echte europäische Gemeinschaft ist auf diese Weise schwer zu erreichen.

Was ist Esperanto?

Wäre es möglich, eine europäische Sprache einzuführen, um diese Gemeinschaft herbeizuführen? Die Idee ist nicht neu. Esperanto ist eine Sprache, die 1887 zur besseren Völkerverständigung erfunden wurde. Sie ist möglichst einfach strukturiert und ähnelt vielen europäischen Sprachen, sodass nach etwa 40 Stunden des Lernens schon einfache Gespräche geführt werden können. Trotz des Status als Kunstsprache wird Esperanto weltweit von etwa zwei Millionen Menschen gesprochen.

Straßenbefragungen mit EU Bürger*innen in Brüssel zeigten, dass viele Menschen eine gemeinsame Sprache für eine gute Idee halten. Dennoch sehen sie Schwierigkeiten bei der Umsetzung und können es sich eher für zukünftige Generationen vorstellen. Der Großteil ist allerdings der Meinung, dass Englisch bereits diese Funktion einnimmt. Es gibt aber auch Stimmen, die nicht Englisch, sondern Esperanto als Lösung ansehen; so zum Beispiel Bernard Régis Larue vom Esperantoverein Brüssel.

Bernard Régis Larue

Mit 17 Jahren hat er Esperanto gelernt. Später fand er heraus, dass die Leidenschaft in den Genen liegt. Sein Großvater war einer der ersten Esperantosprecher. Nun setzt er sich für die Sprache ein. Er organisiert Spaziergänge und Treffen in Cafés um Brüsseler*innen die Möglichkeit zu geben, die Sprache zu üben.

Es ist unter anderem ihm zu verdanken, dass die Sprache weiterhin an Sprecher*innen gewinnt. Bernard Régis Larue erzählt uns von Songs und Theaterstücken auf Esperanto. Die Sprache bestimmt bei ihm fast alle Lebensbereiche. Job und Freunde hat er durch das Esperanto-Netzwerk bekommen. Besonders im globalen Süden wächst die Popularität von Esperanto rapide. Trotz dieses andauernden Erfolges, ist Esperanto als europäische Sprache realistisch? Da ist selbst Bernard Larue sich nicht so sicher, doch wenn es an Schulen gelehrt würde, könne es schon umgesetzt werden, erklärt er.

Warum nicht Englisch? Mehrere Studien in Japan haben gezeigt, dass Esperanto aufgrund seiner Einfachheit zehn mal schneller zu erlernen ist als Englisch. In Ungarn müssen Interessent*innen eine Fremdsprache lernen, um sich in einer Universität einzuschreiben; weil Esperanto so einfach zu lernen ist, wählen viele genau diese Sprache.

“Man sieht anhand der vielen Übersetzer*innen bei den europäischen Institutionen, dass Englisch nicht zu funktionieren scheint. Das ist so, weil es viel schwieriger ist, ein hohes Sprachniveau auf Englisch zu erreichen als auf Esperanto”, erklärt Larue.

Die neuesten Wahlergebnisse wecken nicht gerade die Hoffnung auf eine stärkere europäische Identität. Allerdings ist Esperanto, gerade weil es zusätzlich zu regionalen und nationalen Sprachen existiert, bei Nationalisten nicht unbeliebt. Ein höchst identitätsbewusster, flämischer Freund von Larue ist begeisterter Esperantosprecher. In China und dem Iran wird die Sprache auch benutzt, um das Sentiment gegen die Übermacht der USA auszudrücken, für ein friedliches Zusammenleben der Völker.

Auch wenn viele ein schnelles Umstellen auf Esperanto als unrealistisch sehen, finden Sprecher*innen und Nichtsprecher*innen der Sprache, dass die zukünftige Generation die Sprache in der Schule lernen könnte - wie Englisch. So könnten sich Europäer*innen besser verständigen, was eine stärkere gemeinsame Identität stiften könnte. Das könnte ein Bild sein von einem gemeinsames Europa mit gemeinsamer Sprache ohne Verlust seiner linguistischen und kulturellen Diversität.

Die Artikelserie Europawahl im Blick: Junge Stimmen aus Frankreich und Deutschland entstand im Rahmen des deutsch-französischen Wahlbeobachtungsseminars der Schwestervereine BILD-GÜZ. Während der Europawahl trafen sich fünf Tage lang junge Erwachsene aus Deutschland und Frankreich in Brüssel, um mit Akteuren des politischen Lebens Europas zu diskutieren und ihre Eindrücke in einer Reihe von Artikeln festzuhalten. Das Wahlbeobachtungsseminar wurde in Kooperation mit dem Deutsch-Französischen Jugendwerk, DokDoc.eu und dem Pressenetzwerk für Jugendthemen e.V. durchgeführt.

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