Die Rockband Pink Floyd (“Another brick on the wall”) hat nach fast 30 Jahren zum ersten mal wieder ein Tonstudio betreten und einen neuen Song aufgenommen. Der Grund: Der Krieg in der Ukraine. Die Einnahmen ihres neuen Songs “Hey Hey Rise up”, der in Kooperation mit einem ukrainischen Sänger entstanden sind, sollen einem Ukraine-Hilfsfond zu Gute kommen. Wenn Wladimir Putin und seine Anhänger*innen nicht zufälligerweise große Pink Floyd-Fans sind, wird sie diese Nachricht wohl kaum bewegt – wenn überhaupt erreicht haben. Seit dem 24. Februar 2022 bewegt der Ukraine Krieg die Welt. Etwas was Dota Kehr sehr gut findet: “Es ist bisher nicht zu einem Hintergrundrauschen geworden, wir haben uns zum Glück noch nicht daran gewöhnt”.
Welche Rolle spielt Musik?
Die Liedermacherin und Musikproduzentin hat am 08. April bei dem EuropaCamp 2022der ZEIT-Stiftung an dem Panel “How many times must the cannonballs fly before they’re forever banned? – Ein Gespräch über Musik und Politik” teilgenommen. Gemeinsam mit Musiker Sebastian Krumbiegel (Die Prinzen, “Das ist alles nur geklaut” ) und Marcus Wiebusch (Kettcar, “Landungsbrücken raus”).
Wir kennen den Krieg nur aus Geschichten
und aus Filmen, Reportagen von weit her.
Dass man auch hier Waffen baut, dass Generäle tagen;
dass Gefaht droht - daran dachten wir kaum mehr.
“Musik kann Mut machen und Schmerzen lindern”, beschrieb Dota Kehr die Rolle von Musik in schwierigen Zeiten. Und genauso sieht es auch “Kettcar”-Frontmann Markus Wiebusch: “Jeder einzelne Song [kann] das Leben von Menschen bereichern.” Nach dem Satz, lacht er kurz auf und wendet sich an die Runde – klingen die Worte zu geschwollen oder etwa verblendet? Dass sich mit der Musik ein Krieg verhindern oder sogar beenden ließe, glaubt bei diesem Panel niemand. Das bedeutet aber für keinen der Künstler*innen, dass man sich nicht positionieren oder auch solidarisch zeigen kann und sollte. Und dabei spiele eben auch Musik eine große Rolle.
So wird Musik in sozialen Netzwerken verwendet
Gerade jetzt, wenn man dank Trend-Sounds auf TikTok und Instagram viral gehen kann. Da erhalten manche Songs einfach mehr Aufmerksamkeit, als andere. Heute werden Bilder aus zerbombten ukrainischen Städten oder Friedensdemonstrationen mit trendenden Musikstücken untermalt. Dabei greift man auf alte Lieder zurück, wie “Imagine” von John Lennon. Mit dem Song “Another Love” von dem britischen Sänger Tom Odell zeigten Ukrainer*innen ihre Heimat vor dem Krieg. Der Musiker reagierte berührt auf die Videos. Ein paar Wochen später spielte er mit Keyboard und Ukraine-T-Shirt am Bahnhof von Bukarest für ankommende Geflüchtete aus der Ukraine. “Hymne für den Frieden” betitelte SWR3 den Song, der bereits 2013 veröffentlicht wurde und diesem Jahr für viele Menschen eine andere Bedeutung bekommen hat.
@tompeterodell #duet with @alina__volik ♬ Another love - .
Auch unter dem dem Song “SHUM” der ukrainischen Band go_a findet man auf sozialen Netzwerken jede Menge Beiträge mit der gelb-blauen Flagge. Auch sie haben die kompletten Einnahmen eines Songs an Hilfseinrichtungen gespendet. Die Band war 2021 europaweit bekannt geworden, durch ihre Teilnahme am Eurovision Song Contest (ESC). Der ESC hat bereits in der Vergangenheit ein bekanntes deutsches Friedens-Lied hervorgebracht. Mit “Ein Bisschen Frieden” belegte die Künstlerin Nicole 1982 mit ihrer Friedenshymne den ersten Platz. Die Single verkaufte sich weltweit über fünf Millionen mal und hielt sich wochenlang in internationalen Charts – nicht gerade verwunderlich, da die damals 17-Jährige den Song auf insgesamt sieben Sprachen sang. Auch auf russisch: Немного мира.
A little sunshine, a sea of gladness
To wash away all the tears of sadness
A little hoping, a little praying
For our tomorrow a little peace
Musik hat andere Aufgaben
Das auch ihre Worte keinen Krieg auf der Welt verhindert hat überrascht wohl niemanden. Dafür sind militärische Auseinandersetzung einfach viel zu kompliziert, als dass der Ausschluss von Russland vom ESC etwas an der aktuellen Lage hätte ändern können. Wie schön wäre es doch, wenn David Hasselhoffs “We are looking for freedom” wirklich den Mauerfall hervorgerufen hätte. Doch das geht an der Realität vorbei.
“Es ist alles nicht so einfach”, schließt Sebastian Krumbiegel beim Panel. Musik kann keine Konflikte lösen oder Kriege beenden, aber das muss sie auch nicht. Dafür erfüllt sie andere Aufgaben. Ob sie nun Freude schenkt, Menschen zum tanzen bringt oder zum grölen, zum weinen, zum lachen – oder dafür sorgt, dass ein Krieg nicht in Vergessenheit gerät.
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