Nur Ja heißt Ja: Europäisches Sexualstrafrecht im Wandel

, von  Hannah Luisa Faiß

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Nur Ja heißt Ja: Europäisches Sexualstrafrecht im Wandel
Eine Vergewaltigung in Pamplona führte zu zahlreichen Protesten gegen das aktuelle spanische Sexualstrafrecht.
Foto: Pixabay / Gerhard_Romero / Creative Commons CC0

Die Kölner Silvesternacht, die Gruppenvergewaltigung im spanischen Pamplona, die Bewegung #MeToo: Verschiedenste Übergriffe in Europa und die internationale #MeToo-Debatte brachten erneute Diskussionen über das Sexualstrafrecht in Gang. In Spanien und Schweden waren die jüngsten Ereignisse Auslöser für längst überfällige Reformen des Sexualstrafrechts. Während Schweden für seine Reform als Vorreiter gefeiert wurde, will Spanien nun nachziehen, Deutschland jedoch vorerst bei dem zuletzt 2016 reformierten Gesetz verbleiben.

In Schweden wurde im Mai dieses Jahres infolge der #MeToo-Debatte ein neues Gesetz verabschiedet, das 01.07.2018 in Kraft trat: Die Regel lautet „Ja heißt Ja“, sodass jede sexuelle Handlung zur Straftat wird, wenn sie nicht auf gegenseitigem Einverständnis basiert, und Passivität nicht länger als Zustimmung gewertet werden kann. Die schwedische Regierung verspricht sich von der neuen Gesetzgebung, dass mehr Fälle von sexuellem Missbrauch und Vergewaltigung angemessen verurteilt werden können.

Spanien folgt schwedischem Beispiel

Der Fall einer grausamen Vergewaltigung in Pamplona während des bekannten San-Fermín-Fests 2016 stieß außerdem in Spanien eine neue Debatte um die Gesetzesänderung des Sexualstrafrechts an. Fünf Männer hatten eine 18-jährige Frau vergewaltigt und die Tat gefilmt. Sie wurden zu neun Jahren Haft wegen sexueller Übergriffe verurteilt, nicht jedoch wegen Vergewaltigung. Wäre eine Verurteilung wegen letzterer möglich gewesen, wäre die Strafe deutlich härter ausgefallen. Das geringe Strafmaß sorgte für großes Entsetzen in der spanischen Bevölkerung und tausende Menschen demonstrierten gegen die Entscheidung.

Das Gericht sah jedoch den Strafbestand „Vergewaltigung“ nicht erfüllt, da dieser nach dem bisherigen spanischen Gesetz nur vorliegt, wenn Gewalt verübt oder angedroht wurde. Obwohl aus den von den Tätern selbst gedrehten Videos ersichtlich wurde, dass die junge Frau verängstigt war und schrie, sahen die Richter dennoch keine Gewaltanwendung und konnten die Täter nicht wegen Vergewaltigung verurteilen. Die Empörung und das Unverständnis der Bevölkerung sowie vieler Politiker*innen war so groß, dass die sozialdemokratische Regierung inzwischen plant, die Gesetzeslage zu ändern. Dabei orientiert sie sich an Schwedens Modell, wonach sexuelle Handlungen als Vergewaltigung gewertet werden, wenn es offensichtlich an Konsens fehlt. Dieser muss vorher entweder verbal oder nonverbal durch Körpersprache zum Ausdruck gebracht worden sein.

Deutschland hält sich zurück

In Deutschland hingegen wurde das Sexualstrafrecht zuletzt 2016 reformiert. Die Bundesregierung hatte damals einstimmig das „Nein heißt Nein“-Gesetz verabschiedet: Demnach gilt es als Vergewaltigung, wenn die betroffene Person zuvor ein „Nein“ äußerte. Bereits an diesem Entwurf äußerten Gegner*innen die Kritik, er „gehe zu weit und produziere nur noch mehr Beweisschwierigkeiten.“

Der Bundestag wies den Vorwurf zurück und wertete die Reform als großen Erfolg, der den persönlichen Wille durch ein Gesetz schützt. Denn zuvor waren Vergewaltigungen wie aktuell in Spanien nur bestraft worden, wenn Täter*innen mittels Drohung oder Gewalt vorgingen. Kritiker*innen, denen das jetzige Gesetz nicht weit genug geht, führen jedoch an, dass lediglich rund acht Prozent aller angezeigten Vergewaltigungen strafrechtliche Verurteilungen zur Konsequenz haben und damit zahlreiche Übergriffe nicht strafrechtlich geahndet werden – offensichtlich eine fatale Quote.

Es bleibt zu wünschen übrig, dass mehr Staaten nachziehen und ihre Gesetze der Realität anpassen: Jede dritte erwachsene Frau in Europa hat körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren und eine von zwanzig Frauen wurde vergewaltigt. So drastisch diese Zahlen sind, noch erschütternder scheint, dass weniger als zwanzig Prozent der Opfer Anzeige erstatten. Die Gründe dafür sind vielfältig. Viele schämen sich, versuchen die sexuelle Nötigung nicht als solche zu werten oder wollen ihr Umfeld schützen. Ein wichtiger Grund für das Ausbleiben von Anzeigen ist jedoch auch, dass Opfer sich keine angemessene Bestrafung der Täter*innen erhoffen können. Eine deutlichere Gesetzeslage, die nur ein „Ja“ als ein solches wertet, kann da helfen.

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