Armes Europa – Wie raus aus der sozialen Misere?

, von  Eva Olschewski, Federico Permutti, Franziska Pudelko, Julius Leichsenring

Armes Europa – Wie raus aus der sozialen Misere?
Die Arbeitslosigkeit in Europa bleibt hoch. Dies sorgte für viele Massenproteste, wie hier in Spanien. Was schlagen Linke, AfD, FDP und Grüne in puncto Sozialpolitik vor? Foto: © Barcex/ Wikimedia Commons, 2011, CC-Lizenz by-sa-3.0 http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en

Die Finanzkrise ist mitnichten überwunden, auch wenn die Wirtschaft im Euroraum langsam wieder wächst: Insgesamt 26 Millionen Menschen sind in der EU weiterhin ohne Job, jeder Vierte Bürger ist arm oder von Armut bedroht – Tendenz steigend. Welche Lösungsansätze haben die kleineren Parteien, den Trend umzukehren?

Die Linke

Politik für die kleinen Leute – das ist der programmatische Kern der Linken. Deswegen fordern sie einen Kurswechsel in der derzeitigen Krisenpolitik, die auf Austarität angelegt ist und nach Meinung der Partei die Kluft zwischen Arm und Reich weiter vertiefe. Vielmehr sollen Staaten, die Mittel von anderen erhalten, höhere Einkommen stärker besteuern und einen Schuldenschnitt vollziehen. Allgemein wird eine einmalige Millionärsabgabe in allen Mitgliedsstaaten gefordert, umso die Schulden zu verringern. Unter dem Leitbild „Gute Arbeit“ soll ein europaweiter Mindestlohn in Höhe von 60 Prozent des Durchschnittseinkommens im jeweiligen Land und eine Begrenzung der Arbeitszeit auf höchstens 40 Stunden festgesetzt werden. Zudem soll das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ uneingeschränkt gelten und befristete Arbeitsverhältnisse in sozialversicherungspflichtige überführt werden. Eine Erhöhung des Renteneintrittsalters lehnt die Partei ab. Außerdem fordert sie eine Mindestrente in Höhe von 60 Prozent des jeweiligen mittleren Einkommens vor Ort .

Die Linke tritt daneben für ein Recht auf soziale Mindestsicherung durch den Staat ein. Diese Forderung umfasst auch ein kostenfreies Kontingent an Wärme, Wasser, Energie, Telefon und Internetzugang für jeden EU-Bürger. Auch bei der Sicherung der öffentlichen Daseinsfürsorge soll der Staat mehr Initiative zeigen und Privatisierungen zum Beispiel im Bildungs- und Gesundheitsbereich zurücknehmen. Um jeden Menschen den Zugang zu Bildung zu ermöglichen, wird zugleich eine Abschaffung der Studiengebühren gefordert.

Unter dem Motto „Kein Mensch ist illegal“ setzen sich die Linken für eine gesamteuropäische Flüchtlings- und Migrationspolitik auf Basis der Menschenrechte und die Abschaffung von Frontext und Eurosur ein.

Alternative für Deutschland – Die AfD

Die Alternative für Deutschland möchte eine “EU der sozialen Sicherung”. Schlagwörter wie “gerechte Sozialpolitik” oder “soziale Absicherung für Geringverdiener” fallen im Parteiprogramm. Einen Mindestlohn hält die AfD für wirtschaftlich wenig sinnvoll. Sie begründet diese Haltung damit, dass viele Arbeitnehmer aus prekären Beschäftigungsverhältnissen, die einen Mindestlohn benötigten, eher wenige Stunden arbeiteten und somit ein solides Grundeinkommen nicht gewährleistet sei. Zudem seien viele Arbeitsplätze durch den Mindestlohn gefährdet. Die AfD fordert stattdessen Einkommensbeihilfen. Den Grundsatz der Niederlassungs- und Arbeitnehmerfreizügigkeit teilt die AfD, setzt sich aber “aufgrund der demografischen Entwicklung” für eine qualifizierte Zuwanderung ein.

Die AfD spricht sich für eine Chancengleichheit zwischen Frau und Mann bei Stellenbesetzungen aus. Frauen sollen aber bei gleicher Qualifikation im Gegensatz zu behinderten Mitbürgern und pflegenden Angehörigen nicht bevorzugt werden.

Daneben besteht die Alternative für Deutschland auf eine stärkere Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und geht noch weiter: Sie plädiert für die Einrichtung eines Subsidiaritätsgerichtshofs als “unabhängiges Gegengewicht” zum Europäischen Gerichtshof, der ständig ein Auge auf die Kompetenzverteilung zwischen den Mitgliedsstaaten und der EU hat.

Die FDP

Als liberale Partei setzt sich die FDP insbesondere dafür ein, dass Bürgerrechte gestärkt und die Lebenschancen der europäischen Bürger durch die Verzahnung der Arbeitsmärkte verbessert werden. Gleichzeitig sieht die Partei gute Bildung als Schlüssel „zur Freiheit, zu sozialem Frieden und zum gesellschaftlichen Aufstieg“. Bildung soll jedem Menschen als Bürgerrecht offen stehen, und das unabhängig von seinem Hintergrund. So soll die EU zum Spitzenreiter in der Forschung werden, indem das EU-Forschungsrahmenprogramm künftig verstärkt auf die Förderung innereuropäischer Kooperationen setzt. Die inhaltliche Schwerpunktsetzung soll dabei von „politischen Interessen unberührt“ bleiben. Ferner betont die FDP die Wichtigkeit guter Kenntnisse im Englischen sowie möglichst in einer weiteren Sprache als Voraussetzung für die europäische Integration. Als weiteres Problem wird die Jugendarbeitslosigkeit genannt. Diese soll unter anderem durch die Schaffung eines dualen Berufsausbildungssystems und die Durchführung „struktureller“ Arbeitsreformen erfolgen.

Angesichts der demographischen Entwicklung in Deutschland und Europa warnt die FDP davor, dass bis 2050 auf einen arbeitenden Deutschen statistisch mehr als ein Rentner kommen werde. Um die Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten, wird demnach die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte eine sehr hohe Bedeutung zugemessen. Zeitlich begrenzte und bürokratisch aufwändige Maßnahmen, wie etwa die „Blue card“, betrachtet die FDP als ungeeignete Lösung. Daher fordere die Partei ein europaweites System der geregelten Einwanderung, das sich nach den jeweiligen Bedürfnissen richte.

Bündnis 90 / Die Grünen

Stärkere Arbeits- und Sozialstandards sollen Europa sozialer und gerechter machen. Ziel ist die Verhinderung eines Zusammenbrechens der sozialen Sicherungssysteme und eine sozial ausgewogene Gestaltung notwendiger Reformen. Europa soll durch eine Mitbestimmung der Bürger und eine Stärkung des Parlaments als Raum der Teilhabe gestaltet werden.

Dabei soll die Bürgerinitiative zu einem wirksamen Instrument ausgebaut werden, indem europäische Fragen den Bürgern zur Diskussion vorgelegt werden. Des Weiteren planen sie den Zugang und die Nutzung öffentlicher Daten zu erleichtern, um eine lebendige europäische Öffentlichkeit zu schaffen.

Mehr Mittel zur Bekämpfung der hohen Jugendarbeitslosigkeit sind etwa durch die Jugendgarantie und einen deutlich besser ausgestatteten Sozialfond eingeplant. Gleichzeitig will die Partei junge Menschen auf allen Entscheidungsebenen stärker beteiligen und Jugendorganisationen durch einen Konvent in den europäischen Politikprozess einbinden.

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