Die Hoffnungen hätten wohl größer nicht sein können. Die griechische Syriza hatte ihren Wählern und allen Bürgern in Europa den großen Politikwechsel versprochen. Die Bankenrettung, die Rolle der Troika, die Austeritätspolitik, kurz: die gesamte Eurorettungspolitik der letzten Jahre sollte in Frage gestellt werden. Jetzt wäre die Zeit über wirkliche Alternativen zu sprechen. Doch mit jeder neuen Forderung aus Griechenland schwindet die Hoffnung auf eine konstruktive Debatte zwischen Schuldnern und Gläubigern. Schuld daran ist die Engstirnigkeit seitens der deutschen Regierung und die konfuse Rhetorik aus Athen.
Die Austeritätspolitik ist gescheitert
Ein Bestandteil der geforderten Reformpolitik in Griechenland war die strikte Sparpolitik des griechischen Staates. Die Kritiker schlugen von Anfang an Alarm: Wenn der Staat in die Krise hineinspart, wird die griechische Wirtschaft abgewürgt. Schlimmer noch: Das ganze Konzept der Austerität beruht auf fehlerhaften Studien und völlig falschen wirtschaftspolitischen Erwägungen. Die deutsche Regierung scheint bis heute zu glauben, dass die griechische Wirtschaft trotz Austerität wider auf die Beine kommt. Sie glaubt, dass eine Strategie, die sie für sich erfolgreich auslegen konnten, auf andere Staaten übertragbar sei. Mit dieser Haltung wird die Krise in Griechenland auf ungewisse Zeit verlängert.
Syriza greift durch
In Griechenland will man an dem Dogma der Austerität nicht länger festhalten. Die Syriza stellt zuvor entlassene Beamte wieder ein, beendete die Programme zur Privatisierung und warf die ungeliebte Troika, die die Reformen in Griechenland überwachen soll, vorübergehend aus dem Land. Zunächst schien es so, als hätte diese Regierung einen tatsächlichen Gegenentwurf zur bisherigen Eurorettungspolitik und sei gewillt, diesen konsequent durch zu setzen. Doch je mehr Zeit verstreicht, desto größer werden die Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit der griechischen Regierungskoalition.
Provokationen aus Athen sind geschmacklos und konfus
So fordert die Syriza nun von Deutschland umfassende Entschädigungen für die Verbrechen des Naziregimes. Ganz gleich ob diese Forderungen berechtigt sind oder nicht, sie kommen zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt. Die Opfer aus dem Zweiten Weltkrieg heranzuziehen, um ineffiziente und korrupte Bürokratie in Griechenland vor dem Bankrott zu bewahren, kann langfristig nicht der richtige Weg aus der Krisensituation sein. Ganz zu schweigen vom griechischen Verteidigungsministers Kammenos, der damit drohte illegale Einwanderer inklusive potentieller Islamisten nach Deutschland zu schicken - eine geschmacklose Äußerung, die später von Regierungsseite zurückgezogen wurde.
Was will Varoufakis?
Schlimmer noch als diese verbalen Entgleisungen sind die widersprüchlichen Äußerungen vom griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis. Mal redet er vom totalen Bankrott Griechenlands, dann bagatellisiert er die Schuldenkrise als kleineres Zahlungsproblem. Mal sucht er die Einigkeit mit den europäischen Steuerzahlern, möchte aber deren Gelder aus dem ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) nutzen, um den griechischen Bankensektor zu sanieren. Kurz: Was auch immer der griechischen Regierung als Alternative zur Austeritätspolitik vorschwebt, bislang schafft sie es sehr erfolgreich, ihre großen Pläne mit befremdlichen Forderungen und Drohungen zu überdecken. Die Mittelfinger-Affäre um Varoufakis ist der traurige Höhepunkt im griechischen Schuldenstreit. Die Diskussion darum überlagert den eigentlichen Konflikt.
Der Status Quo ist eine Sackgasse
Die Eurorettung befindet sich in einer Sackgasse. In Expertenkreisen werden langfristige Lösungsansätze diskutiert: Schuldenschnitt, Schuldenkonferenz, Parallelwährung oder Grexit. Doch auf europäischer Ebene verharrt man im Status Quo. Die deutsche Regierung muss einsehen, dass die Austeritätspolitik nicht der Ausweg aus der Krise ist. Die griechische Regierung ist am Zug: Sie muss in einem vertrauenswürdigen Dialog ein tragfähiges Gegenmodell zum bisherigen Kurs formulieren.
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