SIPRI-Bericht: Globale Militärausgaben steigen erneut

, von  Daniel Mützel | EURACTIV.de

SIPRI-Bericht: Globale Militärausgaben steigen erneut

Die weltweiten Ausgaben für Rüstungsgüter steigen zum zweiten Mal in Folge. Deutschland legt um 2,9 Prozent zu und schafft es im internationalen Vergleich auf Rang neun – Oppositionspolitiker drängen auf eine neue Rüstungsdebatte.

1.686 Milliarden US-Dollar gaben die Staaten im Jahr 2016 für Waffen und Rüstungsgüter aus – eine Steigerung um 0,4 Prozent oder 10 Milliarden US-Dollar im Vergleich zum Vorjahr. Die Zahlen stammen aus dem heute veröffentlichten Jahresbericht des schwedischen Friedensforschungsinstituts SIPRI.

Der Bericht macht mehrere Trends deutlich. So verzeichneten die USA als führende Militärmacht erstmals seit 2010 wieder steigende Rüstungsausgaben, die sich auf insgesamt 611 Milliarden US-Doller summierten. Auch in Westeuropa stiegen die Ausgaben zum zweiten Mal in Folge, um durchschnittlich 2,6 Prozent. Insbesondere Italien (Anstieg um 11 Prozent) und zahlreiche Länder in Osteuropa zeigten sich 2016 engagiert in Rüstungsfragen: So hätte die Angst vor einem expansionistischen Russland die Militärbudgets osteuropäischer Staaten in die Höhe getrieben.

Andere Weltregionen verzeichneten hingegen einen Rückgang der Zahlen. In Süd- und Zentralamerika hätten vor allem wirtschaftliche Probleme zu einer „starken Einbruch“ bei den Rüstungsausgaben geführt, so der Breicht. Auch in zahlreichen ölexportierenden Staaten seien aufgrund des fallenden Ölpreises die Militärbudgets geschröpft worden.

Mehr Waffen nicht gleich mehr Sicherheit

Agnieszka Brugger von den Grünen sprach heute in Berlin von einer „sehr besorgniserregenden“ Entwicklung. Es sei eine „simple und falsche Gleichung“, dass mehr Waffen automatisch zu mehr Sicherheit führten. Die Lieferungen von Panzern und Waffen aus Deutschland an Katar und Saudi-Arabien etwa trügen gerade nicht zu einer stabileren Region bei, da beide Staaten im blutigen Krieg im Jemen verwickelt seien.

Auch fehlten die Milliarden fürs Militär an anderen Stellen, wo es dringender benötigt werde, so die grüne Politikerin, etwa im Bereich der Bildung, der Gesundheit oder der humanitären Hilfe.

„Ungeheurer Rüstungswettlauf“

Laut Reiner Braun vom Internationalen Friedensbüro (IPB) ist das 0,4-Prozent-Wachstum bei den Militärausgaben keine bloße Fortsetzung des bisherigen Kurses, sondern eine „qualitative Erhöhung“: Denn nicht nur ist der Anstieg in Westeuropa Ergebnis einer politischen Vereinbarung, künftig mehr ins Militär zu investieren. Sondern auch das überdurchschnittliche Wachstum der Militärbudgets osteuropäischer Staaten oder neue Aufrüstungspläne in Asien deuteten einen „Übergang“ in eine neue Ära an.

Hinzu kämen neue Feindbilder, wie aktuell Russland für viele Menschen in Europa, die wie eine „ideologische Vorbereitung für weitere kriegerische Auseinandersetzung“ wirkten, warnte der Co-Präsident der Friedensorganisation. „Wir stehen an einer Scheidegrenze: Entweder droht ein ungeheurer Rüstungswettlauf oder wir kehren zurück zu einer Entspannungspolitik“, so Braun.

Druck auf Deutschland durch NATO-Gipfel

Auch Wolfgang Gehrcke von der Linken sieht momentan keine Signale der Abrüstung. „Die Weltmächte haben die Spirale für mehr Aufrüstung in Gang gesetzt.“ Doch im Gegensatz zu dem Friedensaktivisten Braun, möchte der Linkspolitiker den „Übergang“ anders verstanden wissen: Der Trend sei noch umzukehren, Deutschland könnte hier eine Führungsrolle einnehmen und sich international mehr für Abrüstung stark machen.

Ohnehin stehe Deutschland bald eine neue Rüstungsdebatte ins Haus, auch wenn die Bundesregierung aktuell darum drücke, so Gehrcke: Die Frage nach den US-Nuklearwaffen auf deutschem Boden, die modernisiert werden sollen, stelle sich ebenso sehr wie die Frage nach dem „rechtlich nicht bindenden“ Zwei-Prozent-Ziel der NATO. Der Druck auf Deutschland, seine Militärausgaben in Richtung dieses Ziels anzupassen, werde weiter steigen – insbesondere im Hinblick auf den anstehenden NATO-Gipfel im Mai, dessen „einziger Sinn“ laut Gehrcke darin bestehe, die NATO-Mitglieder weiter auf die Zwei-Prozent-Marke einzuschwören.

Abrüstung sei ihm zufolge auch ein Thema, das die Menschen im Wahlkampf interessiere, glaubt der Linkspolitiker. In den kommenden Monaten werde sich daher der Kampf zwischen Aufrüstungs- und Abrüstungssparteien weiter zuspitzen.

Immerhin die Zahlen geben ihm recht: In einer Forsa-Umfrage vom Februar lehnte eine Mehrheit der Befragten (55 Prozent) steigende Militärausgaben ab. Und eine europaweite Umfrage vom vergangenen Jahr zeigte, dass auch in anderen europäischen Staaten nur eine Minderheit eine Aufrüstung befürworteten. Ob diese Frage jedoch zum entscheidenden Faktor bei der Bundestagswahl im September werden könnte, muss sich noch zeigen.

Dieser Artikel wurde zuerst bei unserem Medienpartner Euractiv veröffentlicht.

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