Zwischen Diktatur und schwierigen Beitrittsverhandlungen
Dass die Länder der iberischen Halbinsel erst Ende der 1980er-Jahre dem europäischen Gemeinschaftsprojekt beitreten, lag zunächst an ihrer innenpolitischen Situation. Das Ende von Salazars und Francos Diktaturen ermöglichte erst Ende der 70er-Jahre den Übergang zur Demokratie. Wenige Länder Südeuropas waren zu dieser Zeit Mitglied in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, da sich auch innerhalb der Union Widerstände auftaten. Frankreich zum Beispiel war aus Angst um seine Agrarproduktion, sowie der separatistischen ETA (Euskadi Ta Askatasuna), die im Baskenland aktiv ist, gegen den Beitritt Spaniens. Die Verhandlungen zur zweiten Süderweiterung waren auch wegen der Debatten um die EU-Subventionen für die Fischerei und Milchproduktion sowie um die Reform des spanischen Mehrwertsteuersystems schwierig.
Spanien sowie Portugal setzten daher umfassende strukturelle Reformen in Gang, um Staat und Demokratie in Einklang mit einem reformierten Industrie-, Agrar- und Handelssektor zu bringen. Die Umsetzung dieser Reformen zog für die Bürger nicht immer positive Konsequenzen mit sich. Auch wenn die Mehrheit der Bevölkerung den Beitritt unterstützt, ist die Bilanz 30 Jahre später durchwachsen.
Spanien, Portugal und die EU: eine Geschichte des Vertrauens und Misstrauens
Sofort nach dem Beitritt zeigten sich die beiden Länder in der europäischen Gemeinschaft aktiv. Premierminister Felipe Gonzalez brachte sich von 1982 bis 1996 als Verfechter einer sozialen und wirtschaflichen Kooperation aktiv in die Integration seines Landes in die Gemeinschaft ein und arbeitete an der Etablierung der Unionsbürgerschaft sowie des Kohäsionsfonds 1992 mit. Durch Umstrukturierungen zugunsten des Tourismus- und Agrarsektors gelang Spanien der wirtschaftliche Aufschwung. Große infrastrukturelle Projekte wurden umgesetzt, Iberia etablierte sich auf dem aufstrebenden Luftverkehrsmarkt und arbeitete am Airbusprojekt mit und auch auf dem Automobilmarkt etablierte sich das Land mit der Seatgruppe. Letztendlich ließen die Olympischen Spiele in Barcelona 1992 Spanien in die internationale Staatengemeinschaft zurückkehren. Allerdings litt der Agrarsektor auch unter der Öffnung der Märkte und der damit einhergehenden internationalen Konkurrenz und viele Erzeuger fuhren ihre Produktion zurück.
In Portugal zeigte sich die Politik genauso pro-europäisch und setzte sich aktiv für die Integration ein - etwa durch den Beitritt in den Schengen- und Euroraum. Das westlichste Land Europas profitierte stark von Strukturfonds, über 35 000 Projekte wurden so finanziert. Das BIP pro Kopf stieg zwischen 1986 und 2008 von 7000 auf 19 000 Euro. Dennoch war die wirtschaftliche Umorientierung nicht einfach und einige Branchen mussten Rückschläge verzeichnen.
Spanien erlebte 1996 mit dem Wahlsieg Aznars eine Wende. Der Premierminister vertrat das Konzept einer Wirtschafts- und Wachstumsunion und begann besonders während des Irakkriegs 2003 verstärkt mit den USA zu kooperieren und die europäische Diplomatie weniger wichtig zu nehmen. Mit der Wahl Zapateros 2004 wurde Europa wieder eine spanische Priorität und die Regierung unterzeichnete nach einem positiven konsultativen Referendum den Vertrag über eine Europäische Verfassung. Jedoch traf die Finanzkrise die iberische Halbinsel ab 2008 mit voller Wucht. Aus dem Europaenthusiasmus der 1980er-Jahre wurde Euroskeptizismus.
Im Zeichen der Wirtschaftskrise
Die Wirtschaftskrise beschwichtigte die Hoffnungen der jungen Generation. Beamte, Produzenten und Händler hatten mit den Auswirkungen der Austeritätspolitik zu kämpfen. Immobilienspekulation und Kreditvergaben waren unter anderem der Auslöser für die Krise. Seit dem Jahr 2000 wurden jährlich 700.000 Eigenheime gebaut, viele Haushalte waren durch Risikokredite stark verschuldet. In Portugal wurde die nationale Währung Escudo bei der Umstellung auf den Euro stark aufgewertet, was portugiesische Produkte preislich weniger konkurrenzfähig werden ließ. Das BIP blieb konstant, die Zinsen stiegen und bald war ein Defizit der Handelsbilanz zu erkennen, die die staatliche und private Schuldenlast steigen ließ.
Die EU wurde in der Folge eher zum Sündenbock als zur schützenden Hand gegen sozio-ökonomische Schwierigkeiten. In Portugal verursachte die wirtschaftliche Krise eine Veränderung der Außen- und Europapolitik zu verändern. Auch wenn keine Partei die Mitgliedschaft in Frage stellt, wird die Anpassung an die europäischen Erwartungen nicht selten als Einschränkung gesehen. In Spanien erheben die aus der Indignados Bewegung hervorgegangenen Parteien ihre Stimme und etablieren sich mit Erfolg in der politischen Landschaft.
Die zweite EU-Süderweiterung beleuchtet ein Paradoxon. Die jungen Demokratien konnten zwar politisch, aber nicht wirtschaflich stabilisiert werden. Der Beitritt 1986 war eine gewagte Wette. Für Martin Schulz, Präsident des europäischen Parlaments, „sind noch nicht alle Hoffnungen des historischen Moments 1986 erreicht, aber Spanien hat definitiv an Stabilität gewonnen“.
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