Kunst-Comedian Jakob Schwerdtfeger

„Viel Trial, viel Error, ein wenig Success”

, von  Lukas G. Schlapp

„Viel Trial, viel Error, ein wenig Success”
Foto: Jakob Schwerdtfeger / Jan Brandes / bereitgestellt Jakob Schwerdtfeger (34) steht gerne auf Bühnen – früher als Poetry Slamer heute am liebsten mit Kunstcomedy.

Er ist der erste deutschsprachige Kunst-Comedian: Jakob Schwerdtfeger erzählt auf Bühnen über Kunst, Museen sowie deren Besucher. Am besten bringt er dabei noch Menschen zum Lachen. Doch die Corona-Pandemie machte ihm in vielen Bereichen einen Strich durch die Rechnung.

Es ist erkennbar nicht sein erster Auftritt im English Theatre Frankfurt. Ein einfaches Zunicken am Eingang, vorbei an jungen Paaren in Anspannung angesichts ihrer Dates, zielgerichtete Schritte und ein Blick in den Theatersaal. „Ich liebe es, dass man hier einfach in der Kulisse vom aktuellen Theaterstück auftritt“, schwärmt Jakob Schwerdtfeger mit Blick auf eine mittelalterliche Mauer samt großem Stadttor.

Zwischen 15 und 20 Mal sei er hier schon aufgetreten. Er kennt die Veranstaltungsreihe, den Moderator und schätzt die belegten Brötchen im Backstage. Den Fachkundigen im Poetry-Slam-Publikum ist der 34-Jährige mit einfarbigem T-Shirt schon seit 2012 vertraut. Die Wettstreiter:innen dieses Abends sind ihm oft begegnet. Kennengelernt haben ihn viele aber noch unter Pseudonym.

Als Jey Jey Glünderling nörgelte, motzte und Freestyle rappte er jahrelang erfolgreich auf Bühnen. „Durch den Künstlernamen haben meine Arbeitskollegen nicht sofort mitbekommen, was ich nach Feierabend so treibe“, erzählt Schwerdtfeger. Im September 2018 legte er den sperrigen Künstlernamen ab und trat damit auch ein Stück von seiner cholerischen Kunstfigur zurück. Verschmitzt ergänzt er: „Als Jakob Schwerdtfeger wird man auch mal eher für ein Firmenevent gebucht.“

In Museen wird zu wenig gelacht

Daraufhin suchte er thematisch nach seiner Nische. Früher echauffierte er sich über Alltagsprobleme. Beraten durch seine Agentin Susanne Herbert fand er schließlich zu seinem Metier: „In Museen wird fast immer geflüstert, aber kaum gelacht. Dabei bietet Kunst so viel Komisches.“ Aus dieser Beobachtung hat sich der Frankfurter Comedian sein eigenes Fachgebiet im Stand-Up geschaffen: Kunstcomedy. Sein Ziel klingt so simpel und doch ambitioniert: „Ich möchte zeigen, dass Kunst cool ist, dem Betrieb dahinter humorvorvoll den Spiegel vorhalten und dem Ganzen das Elitäre nehmen.“

Doch Kunst in der Comedy habe auch seine Tücken. „Das Schwierige daran, Kunst in Comedy zu übersetzen, ist, dass du bei niemanden Kunstwissen voraussetzen kannst“, verdeutlicht Schwerdtfeger. Die Mona Lisa kenne jeder, Edvard Munchs Schrei die meisten – beim Pissoir von Duchamp habe man mehr als die Hälfte verloren, offenbart er.


Ihm selbst musste das erst klar werden. Jakob Schwerdtfeger ist studierter Kunsthistoriker und war den Großteil seines Berufslebens am renommierten Frankfurter Städel Museum beschäftigt. Die von ihm betreuten Digitalprojekte wurden regelmäßig für den Grimme Online Award nominiert. „Ich hatte einen unbefristeten Job an einem der bekanntesten Kunstmuseen in Europa. Das war nicht selbstverständlich“, erinnert er sich ohne jede Form von Wehmut. 2019 ließ er die Festanstellung zuliebe der Bühne hinter sich. Das Jahr zuvor probierte er es mit einer halben Stelle: „Da habe ich geschaut, wie mir das Tourleben gefällt und alles kalkuliert.“ Die Rechnung hatte er aber ohne die Pandemie gemacht.

Das Beste aus der Pandemie machen

Dass die Coronakrise tiefe Einschnitte bedeute, habe er schon im März 2020 prognostiziert. „Da wurde ein Auftritt nach dem anderen abgesagt.“ Einnahmen von 75 Euro im gesamten November 2020 sind eine dieser Zahlen, die er schnell wieder vergessen möchte. Später erhielt er dann Förderungen durch das Creator College NRW und die Hessische Kulturstiftung. „Richtige Bros“, sagt Schwerdtfeger und klopft als Zeichen der Anerkennung auf seine Brust. Schwieriger als die finanzielle Situation sei für ihn jedoch das Stagnieren der eigenen Karriere. Sein Soloprogramm „Ein Bild für die Götter“ ist fertig. Vor der Pandemie konnte er es lediglich zweimal spielen. Er möchte raus auf die Bühne oder zumindest für Inspiration ins Museum. Nun widme er sich vermehrt seiner Onlinepräsenz.

„Ich habe auch in dieser Zeit viel gelernt. Ich kann jetzt allein eigene Videos produzieren.“ Ein Podcast, Reels, ein YouTube-Channel: Schwerdtfeger hat einiges ausprobiert. „Viel Trial, viel Error, ein wenig Success“, resümiert er ehrlich. Nach der Pandemie möchte er seine Videoclip-Reihe auch neben dem Bühnenleben fortsetzen: „Aufwand und Ertrag stehen da im Verhältnis und es passt zu dem, was ich auch auf der Bühne machen will.“


Die Instram-Reels – Kurzvideos von maximal 60 Sekunden – laufen dabei am besten. Die lebendige Vorstellung von bekannten Werken oder kuriosen Kunstgeschichten wird auf Instagram viel geklickt, geschaut und geliket. Manche seiner Videos erreichen über 600.000 Nutzer*innen. Weniger unterhaltsam sind jedoch manche Instagram-Stories, in denen er regelmäßig Auftritte verschieben muss. Die Kleinkunst habe es auch bei geringen Inzidenzzahlen recht schwer, denn das Publikum sei noch nicht komplett in die Säle zurückgekehrt.

Am Ende dieses Abends verlässt Schwerdtfeger als Gewinner das Theater. Über eine missglückte Pointe über das Thema Pubertät ärgert er sich immer noch. Dabei diente der Text nur als Test für einen Baustein seines neuen Programms. Dort möchte er Kunstgeschichte mit menschlichen Lebensphasen verbinden. Auch mit eigener Kulisse möchte er dann arbeiten. Seine wachen Augen zeigen: Lange warten möchte er damit nicht mehr.

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